Jolene (+Family)

[Vierzig] - Wieder komplett

Die Veränderung unser Gemüter bleibt nicht unbemerkt. Während Jolene eine tickende Zeitbombe ist, bin ich in Situationen, die mich sonst aufregen deutlich gelassener und verliere seltener die Fassung.
Außer ich lese ein Buch oder sehe einen Film mit einer traurigen oder rührenden Szene, dann kochen meine Emotionen so richtig über. Oder aber es ist gegenteilig der Fall: Ich reagiere bei Situationen, die mich sonst nicht berühren würden, vollkommen über. Jene überfordern manchmal sogar Jolene, die dann nicht weiß, wie sie nun reagieren soll und ich es ihr dann sagen muss.
Erst gestern gab es so einen Moment, als ich feststellte, keinen Früchtetee mehr zu haben und auch vergessen hatte, neuen zu kaufen. Total unkontrolliert brach es aus mir heraus. Jolene hat deshalb direkt alles stehen und liegen lassen und ist losgefahren, um mir Tee zu kaufen.
Das überfordert mich selbst, weil ich weiß, wie verrückt und unsinnig es eigentlich ist.
Da meine letzte Schwangerschaft zu diesem Zeitpunkt bereits beendet war, habe ich auch keinen Vergleich.
Zwar habe ich bei Naddy und Winnie durchaus die Veränderungen bemerkt, aber ich empfand sie nicht als so extrem, wie es jetzt bei mir ist. Oder kommt es mir nur so vor, weil ich es selbst erlebe? Fühlt es sich dann anders an?

Naddy jedenfalls hat direkt begriffen, was mit mir los ist und mich so deutlich darauf angesprochen, dass mir keine Wahl blieb, als ihr die bestätigte Schwangerschaft zu beichten. Erneut schimpfte sie mit mir, weil ich ihr das verheimlichen wollte und hat mich nochmals an das Recht der besten Freundin erinnert.
Auch Winnie brauche ich nichts vormachen, immerhin ist es bei ihr noch nicht so lange her.
Nur die Männer in unserem Freundeskreis bemerken es nicht und sehen mich meist überrascht an, wenn ich ungewöhnlich reagiere. Bis auf Johnny, der ja bereits drei Mal eine schwangere Frau miterlebt hat - noch dazu konnten sich er und Jessica ja denken, dass es doch geklappt hat, nachdem er keine weitere Spende abliefern musste.

Letztlich läuft es darauf hinaus, dass es mir nicht gelungen ist, meine Schwangerschaft geheim zuhalten, bis ich die kritische Phase überstanden habe.
Es gibt einfach zu viele Faktoren, die mich verraten haben: Keinen Kaffee, unübliche Reaktionen und meine häufigen und meist auch plötzlichen Sprints zu einer Toilette; sei's, weil sich mein Magen oder meine Blase leeren will.
Vor allem wenn ich die Kloschüssel umarme, schwöre ich dem Kind, es mit einem richtig schlimmen Namen zu bestrafen und überlege mir einen solchen, der sogar noch Jolenes übertrumpfen könnte.
Im nächsten Moment aber sind diese Gefühle weg und Freude durchströmt mich. Immerhin wollte ich schwanger werden und wusste, was auf mich zukommt. Da kann das kleine Würmchen nichts dafür.
Dennoch bin ich froh, wenn endlich die schönste Zeit einer Schwangerschaft beginnt. Wenn mein Bauch wächst und ich das Baby spüre, wie es sich in mir bewegt. Wobei ich inständig hoffe, nicht so ein Karate-Kid in mir zu haben, wie Ellie es bei Winnie gewesen ist.
Grund genug, Jolene und Jessica darüber auszufragen, wie die Jungs bei ihnen waren.
Während Jessica berichtet, dass ihre Söhne sehr aktiv gewesen sind, kann Jolene das von Chester nicht bestätigen. Irgendwie will ich das nicht glauben, wenn ich sehe, wie lebhaft und aktiv Chester ist, aber Jolene schwört, ihn kaum gespürt zu haben. Allerdings hätte er wohl oft Stunden lang seinen Fuß gegen die Bauchwand gedrückt, so dass sie stets mit einer Beule in ihrem Babybauch herumgelaufen ist, und wenn sie dagegen gedrückt hat, Widerstand geleistet wurde.

Chester ... innerlich seufze ich. Seit ein paar Tagen scheint er mir weitestgehend aus dem Weg zu gehen und sucht vermehrt die Nähe zu Jolene. Nur abends auf der Couch kuschelt er sich an mich und sagt mir, wie sehr er mich liebt - dabei ist sein Blick vorsichtig und treuherzig.
Natürlich hat auch er mitbekommen, dass sich unsere Gemüter verändert haben, zumal er direkt davon betroffen ist. Denn ich diskutiere weniger mit ihm und ersticke erste Ansätze dazu direkt im Keim, während Jolene ungewohnt viel mit ihm kuschelt.
Er ist verwirrt, zeigt aber Verständnis, als ihm Jolene erklärt, wieso das aufeinmal so ist.