[Dreiundsechzig] - Keine letzte Ehre

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Schon eine Woche darauf findet der nächste, aber auch letzte Geburtstag des Jahres in unserem Familien- und Freundeskreis statt.
Allerdings möchte Naddy ihren 33. nicht wirklich feiern, weil sie die Zahl als unbedeutend empfindet. Noch dazu hat sie einen Wochenendtrip mit ihrem Mann und ihrer Tochter nach New York geplant, um einfach auch mal richtiges Winterwetter und die klassische Weihnachtsstimmung zu erleben.

Ich bin gerade dabei, all unsere Wäsche zu waschen, die sich über die Woche angesammelt hat. Insbesondere Chesters, weil er unbedingt ganz bestimmte Klamotten für sein Wochenende bei seiner Oma benötigt. Denn dort werden wir ihn und auch Kyle unterbringen, weil wir den morgigen Tag mit Morgan und Amber im Bayfront Park auf dem Festival verbringen.
Anfänglich hatten wir noch Bedenken, ob das für mich überhaupt in Frage kommt, oder ob es meiner noch recht jungen Schwangerschaft schadet.
Aber ich bin eben Schwanger und nicht krank, und habe nach all den Wochen, in denen es eigentlich nie Ruhe gab, auch einfach mal das Bedürfnis wieder abzuschalten und Spaß zu haben.
Das Baby wächst weiterhin fröhlich vor sich hin und mit ihm auch mein Bauch. Zwar ist es immer noch nur eine Wölbung und noch keine Kugel, aber je nachdem, welches Oberteil ich trage, doch deutlich zu sehen. Und damit man es eben sieht, habe ich mich dazu entschlossen, ein figurbetontes Oberteil zu tragen.
Jolene und Morgan - beide ganz fürsorglich - haben versprochen, darauf aufzupassen, dass um mich herum immer genügend Platz ist.
Dennis und Winnie wären gerne mit uns gekommen, aber sie beide sind über das Wochenende in Detroit und besuchen Winnies Eltern. Nach drei Jahren haben diese sich endlich dazu bereit erklärt, nicht nur Dennis kennenzulernen, sondern auch ihr eigenes Enkelkind.
Noch zweifeln beide daran, dass es gut laufen wird - und wenn ich Winnies bisherigen Erzählungen glaube, zweifle ich ebenfalls dran.
Vermutlich wird es so ähnlich ablaufen, wie bei Jolene und mir damals, als wir nach Virginia zu ihren Eltern sind.
Johnny und Jessica sind in mit ihren Kindern zusammen nach L.A. geflogen, weil dort eine Tattoo-Convention stattfindet, auf der sie mit einem Stand ihres Studios sein werden.
Mein Bruder wird auch auf dem Festival sein - irgendwo. Vielleicht begegnen wir ihm. Er ist dort mit ein paar Arbeitskollegen, die sich in den letzten Wochen zu guten Freunden entwickelt haben.
Und so bleiben nur Jolene, Morgan, Amber und ich übrig. Wobei es bei Amber zunächst auf der Kippe stand, weil sie diese Woche die Kinder hat und sie auch Weihnachten bei ihr verbringen werden.
Die Erlösung fanden wir in meiner Mutter, die kurzerhand auch Matt zu sich eingeladen hat. Immerhin versteht er sich mit Chester und Kyle sehr gut, und außerdem gehört er quasi zur Familie. Hazel wird uns allerdings auf das Festival begleiten.
Wobei sie schon angekündigt hat, sich ebenfalls von uns abzusondern und sich mit Freunden zu treffen, weil es ihr viel zu peinlich wäre, ihre Mutter dabei zu erleben, wie sie hüpft, tanz, trinkt und Spaß hat - oder aber mit Morgan rumknutscht.
Uns allen soll es recht sein. Da es sich hierbei um ein Weihnachts-Festival handelt, wird es nicht so riesig und voll, wie die sonstigen Musikfestivals im Sommer, wo sie dann vier große Bühnen aufbauen.
Bei diesem Festival wird es nur eine große Bühne beim Amphitheater geben und zwei kleinere im Park verteilt. Dazwischen zig Stände mit Weihnachtszeug, Essen und Getränke.
Amber braucht also keine Angst davor haben, dass ihre temperamentvolle Tochter von einer hart feiernden Masse niedergetrampelt wird.

»Ich mach' auf!«, ruft Chester laut durchs Haus, als es an der Tür klingelt. Schon ganz aufgeregt erwartet er die Ankunft von Kyle, weil wir nur auf diesen warten, bevor wir die Jungs zu meinen Eltern bringen.
Ich verlasse die Waschküche, um nach draußen zu gehen und die bereits gewaschene und getrocknete Wäsche von der Leine zu nehmen, als mir Chester mit enttäuschtem Ausdruck entgegen kommt.
»Ist nur Grandma«, murmelt er und setzt sich wieder zu Jolene an den Esstisch, um mit ihr weiter an seinem Auto zu bauen.
Milly reagiert auf Chesters Aussage mit einem tadelnden Blick.
»Ich habe heute keine Nerven dazu, mich über sein Verhalten aufzuregen«, gibt sie fast schon erschöpft von sich und stößt einen tiefen Atemzug aus.
»Was ist los?«, frage ich sie und bleibe ebenfalls am Esstisch stehen.
Auch Jolene hebt ihren Blick und sieht ihre Mutter abwartend an.
»Ich komme heute mit einer schlechten Nachricht«, beginnt sie zu berichten. »Ich habe vorhin einen Anruf vom Anwalt deines Vaters erhalten.«
Sofort gehen bei uns die Alarmglocken los und Jolenes Körperhaltung wird hart; bereit dazu, sofort Amber zu kontaktieren.
»Deine Großmutter Ruth ist letzte Nacht verstorben«, klärt sie dann aber auf und Erleichterung durchfährt uns.
»Und wieso ist das eine schlechte Nachricht?«, fragt Jolene unbekümmert und widmet sich wieder dem Spielzeugauto.
Milly schnappt empört nach Luft und verlangt von Chester, in sein Zimmer zu gehen. Dieser weigert sich aber und auch Jolene hakt nach, wieso er das tun sollte.
»Soll er etwa genauso gleichgültig reagieren, wenn ich sterbe, weil er es so von euch gelernt hat?!«, begründet sie aufgebracht.
»Du stirbst, Granma?«, fragt Chester überrascht.
»Ja, irgendwann tut sie das«, beantwortet Jolene und akzeptiert Millys Argument. Mit einem bedeutungsvollen Nicken schickt sie Chester nach oben.
»Aber Mama«, wehrt er sich zunächst. »Darf ich draußen mit meinem Rennbot spielen?«, fragt er dann aber eingeschüchtert, als er ihren warnenden Blick sieht. Dies nickt sie ab und befiehlt ihm, die Terrassentür hinter sich zu schließen.

Jolene (+Family)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt