[Dreizehn] - Versuch macht klug

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Naddy und ich gehen gerade die Immobilien durch, und wägen die Vor- und Nachteile ab, die ich am Wochenende notiert habe. Außerdem zeige ich ihr auch die Grundrisse, in denen ich meine Idee eingezeichnet habe, wie wir die Möbel stellen und die Arbeitsplätze gestalten könnten.
Nebenbei bereiten wir alles für die Besprechung mit Jolene vor.
Auch, wenn wir sie eigentlich da raushalten wollten, aber ich hatte ihr gestern versprochen, sie einzuweihen.
Wir unterbrechen unser Gespräch, als es an der Tür klopft und Sharleen ihren Kopf hinein schiebt.
»Draußen steht ein Kunde, der mit euch über den bestehenden Vertrag sprechen möchte«, berichtet sie. Naddy und ich sehen uns fragend an, wir beide wissen von keinem anderen Termin.
»Mach' mit ihm einen Termin an einem anderen Tag aus«, ordnet Naddy an. »Wir haben jetzt keine Zeit.«
»Ich weiß«, nickt Sharleen. »Das sagte ich ihm schon, aber er besteht darauf, jetzt mit euch zu reden. Er lässt sich nicht abwimmeln.«
»Wer ist es?«, will ich wissen.
»Der Sohn von Bilson & Sohn.«
Gleichzeitig verdrehen Naddy und ich genervt die Augen. Bilson ist ein wirklich anstrengender Kunde, der uns schon von Beginn an auf die Nerven geht. Einstimmig haben wir daher entschieden von ihm nie wieder einen Auftrag entgegen zu nehmen.
Naddy will gerade rausgehen, um den Kunden wegzuschicken, als dieser dann Sharleen zur Seite schiebt und selbst im Raum steht.
Sowohl Naddy als auch ich sind überrascht, dass er nicht alleine da steht und vier weitere Männer bei sich hat.
»Sie müssen zu einer anderen Zeit wiederkommen«, lässt Naddy sie direkt wissen. »Wir haben gleich einen anderen Termin.«
»Dann verschieben Sie diesen Termin einfach«, gibt Bilson gleichgültig von sich.
»Sie sollten diese Forderung nicht wirklich stellen«, warnt ihn Naddy.
»Ist der Termin, den sie gleich haben, mit einem Kunden?«
»Nein.«
»Dann kann ich diese Forderung stellen!«, beharrt er. »Sie sind noch neu in der Geschäftswelt, deswegen gebe ich Ihnen den Rat, bestehende und gut zahlende Kunden immer voranzustellen.«
Ich erkenne, wie Naddy kurz überlegt, ihm zu sagen, mit wem wir einen Termin haben, aber sie behält es für sich und bedeutet ihnen, sich an den Tisch zu setzen und bereitet Kaffee und Getränke vor.
In der Zeit packe ich alle Unterlagen weg, die wir für das Gespräch mit Jolene auf den Tisch gelegt haben und sehe demonstrativ zur Uhr.
»Wir können ja schonmal anfangen«, verlangt er von mir.
Sein überheblicher Ton missfällt mir, weshalb ich auch meine Höflichkeit zur Seite lege. »Wer unangekündigt kommt, muss sich in Geduld üben. Ich werde unserem anderen Termin erstmal die frohe Botschaft überbringen «, zische ich und tippe eine Nachricht an Jolene. »Und dann geben Sie uns auch bitte die Zeit, uns erstmal auf Sie vorzubereiten.«
»Auf unerwarteten Kundenbesuch müssen Sie immer vorbereitet sein«, tut Bilson das gleichgültig ab, und gibt sogleich damit zu verstehen, keine Geduld zu haben.
»Ihr seid auch nicht auf das vorbereitet, was euch gleich bevorsteht«, murmelt Naddy leise, so dass nur ich es verstehe. Dabei ist ihr Ton gehässig, und ich stimme ihr innerlich kichernd zu.
Jolene wird ihm vermutlich gleich die Eier abknipsen, da sie es zum einen nicht leiden kann, wenn man ihr vor die Nase fährt, zum anderen sowieso momentan ziemlich schnell pissig wird.

»Bevor wir anfangen, möchte ich euch erstmal die Herren hier vorstellen«, beginnt Bilson. »Zu meiner Linken sitzen meine Geschäftspartner Mr. Hudson und Mr. Helwig. Zu meiner Rechten unsere Anwälte Mr. Franklin und Mr. Bloom.«
Anwälte? Er hat wirklich seine Anwälte dabei? Also vermute ich, dass er wegen Vertragsverhandlungen hier ist und diese noch heute abschließen möchte.
»Dann sollten wir unsere Anwälte wohl auch hinzuziehen«, sage ich und nehme mein Handy in die Hand, um Amber anzurufen.
»Das wird nicht nötig sein«, lehnt Bilson ab. »Sie sollen nur überprüfen, ob alles rechtlich vertretbar ist, was wir heute besprechen und ausmachen.«
»Nichts anderes werden unsere Anwälte tun«, entgegne ich ihm.
Er aber ignoriert mich und beginnt direkt loszureden, weshalb er mich davon abhält, den Anruf zu tätigen. Dennoch schaffe ich es, eine Nachricht an Jolene zu schreiben.
»Ich bin mit Ihren Leistungen sehr zufrieden«, erzählt er. »Sie haben Termine überdurchschnittlich gut eingehalten und unsere Anforderungen außerordentlich gut erfüllt.«
Ein Lob, das trotzdem irgendwie einen komischen Beigeschmack hat.
»Deshalb streben wir eine langfristige Partnerschaft mit Ihnen an.«
Oh, nein, bitte nicht
. Mein Blick wandert zu Naddy, die vermutlich gerade das gleiche denkt.
»Für CaddySign würde das feste Einnahmen bedeuten, mit denen Sie regelmäßig und sicher kalkulieren können.«
»Wir haben nicht die Kapazität für eine langfristige Partnerschaft«, lehnt Naddy ab. Natürlich stimmt das nicht, aber das weiß Bilson ja nicht.
»Ich weiß, dass Ihnen die Kapazitäten fehlen. Genau deswegen wäre eine Kooperation mit uns erst recht besser für Sie. Mit den festen Einnahmen könnten Sie ihre Kapazitäten erweitern.« Demonstrativ schiebt er uns seinen Geschäftsplan über den Tisch; und den Vertrag gleich mit.
Naddy überfliegt den Plan und widmet sich dann dem Vertrag, während ich mir ihre Idee ansehe.
»Wir müssen ablehnen«, gibt Naddy freundlich lächelnd von sich und schiebt den Vertrag wieder zurück.
»Sie können nicht ablehnen«, bleibt er hartnäckig und verschränkt seine Arme vor der Brust.
»Und wieso nicht?« Naddys Augenbraue schießt herausfordernd in die Höhe, während auch sie ihre Arme verschränkt.
»Ich habe mich über CaddySign informiert«, beginnt er seine Begründung und erlangt unsere vollste Aufmerksamkeit. Denn wir beide sind nun gespannt, was er herausgefunden haben will, womit er uns einen Vertrag aufzwingen kann. »Ihre Bewertungen im Netz sind durchweg positiv. Ebenso haben Sie eine hohe Empfehlungsrate bei großen Kunden. Sie erhalten immer mehr Aufträge. Das spricht für Sie. Allerdings haben Sie nicht die Anzahl an Angestellten, die Sie aber bräuchten, um dem Pensum Herr zu werden. Und für mehr Angestellte fehlt Ihnen das Geld und der Platz. Mit unserer Unterstützung wäre das realisierbar.«
»Es ist auch ohne Ihre Unterstützung realisierbar«, weist Naddy seine Argumentation zurück. »Wir haben lediglich ein Raumproblem, aber kein Finanzproblem; und was die Kapazitäten angeht, wissen wir, wie viele Projekte wir uns und unseren Mitarbeitern zumuten können. Was darüber hinausgeht, muss warten.« Mit einem Lächeln zuckt sie mit der Schulter.
»Mit unserer Hilfe müssten Sie aber keine Anfragen ablehnen«, argumentiert er weiter.
»Und wieso nicht? Ich habe in diesem Vertrag nichts davon gelesen, dass Sie uns Grafiker und Designer zur Verfügung stellen«, frotzelt sie.
»Wir stellen die finanziellen Mittel«, korrigiert er sie.
Zynismus ist jedenfalls nicht seine Stärke, stelle ich fest.
»Wir benötigen aber keine finanziellen Mittel von Ihnen«, erklärt sie ihm erneut. »Abgesehen davon wäre das, was Sie uns da laut Ihrem Vertrag zur Verfügung stellen wollen, nicht mal im Ansatz ausreichend, um die Kapazitäten, die wir benötigen aufzustocken. Sie müssten schon einiges drauf legen, damit wir überhaupt eine Partnerschaft in Betracht ziehen.«
Bilson brummt unzufrieden vor sich hin und spricht sich leise flüsternd mit seinen Geschäftspartnern und Anwälten ab.
Offensichtlich hat er hier naivere Geschäftsführerinnen erwartet, die er über den Tisch ziehen kann, und nicht mit soviel selbstbewussten Gegenwind gerechnet. Ihm schmeckt es so gar nicht, gegen Naddy so hart verhandeln zu müssen.
Deshalb schlägt er nun anscheinend Plan B ein. Denn jetzt redet nicht nur er, sondern auch die anderen Männer geben ihren Senf dazu ab. Während seine Geschäftspartner all die Vorteile aufzählen, weisen die Anwälte auf rechtliche Grundlagen hin.
Sie alle wollen uns eindeutig einschüchtern. Zumal sowohl Naddy als auch ich den Faden verloren haben und gar nicht mehr wissen, von was genau sie da alle reden. Die Anwälte peitschen mit Paragraphen um sich, während Bilson und seine Partner mit Visionen um die Ecke kommen.
Ihre Strategie ist vermutlich, uns mit dieser geballten Ladung an Informationen, Wissen und Gesetzen zu überrennen.

Jolene (+Family)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt