[Vierundfünfzig] - Howdy!

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Die erste Nacht in einem fremden Bett, in einem fremden Haus und in einem fremden Land war überraschend erholsam.
Ich fühle mich richtig ausgeruht und vollgetankt.
Grund dafür ist sicherlich nicht nur die neue, bis dahin ungebrauchte Matratze gewesen, sondern weil ich Jolene und Chester bei mir hatte. Wenn sie beide bei mir liegen, ich sie hören und spüren kann, fühle ich mich so wohl wie sonst nicht. Es ist, als würden sie mir etwas von ihrer überschüssigen Energie abgeben.
Jetzt gerade stehe ich nur in Unterwäsche im dazugehörigen Badezimmer und taste prüfend meinen Unterleib ab.
Weil ich mir nicht sicher bin, ob ich das aus meiner Perspektive richtig erkenne, rufe ich Jolene zu mir.
»Bilde ich mir das nur ein, oder ist da wirklich ...?« Ich unterbreche meine Frage und versuche es erneut, über den Spiegel zu sehen, aber dieser hängt viel zu hoch.
Jolenes Lippen formen sich zu einem breiten Grinsen, während sie auf mich zukommt.
»Und jetzt sag nicht, dass das an meinem Essverhalten liegt!«, warne ich sie direkt.
»Du bildest es dir nicht ein«, haucht sie in mein Ohr und legt ihre Hand auf die kleine Wölbung. »Da zeigt sich wirklich jemand.« Kurz, aber sanft legt sie ihre Lippen auf meine.
Ich weiß nicht, ob es die Art war, wie sie es sagte, oder weil ich es mir wirklich nicht einbilde, aber ich kann nicht verhindern, schon wieder zu weinen und drücke mich fest an sie.
Geduldig hält sie mich in ihren Armen und haucht mir ein glückliches 'Mommy' ins Ohr.
»Mom?«, höre ich Chesters Stimme. Bevor ich ihm entgegen sehe, wische ich mir die Tränen weg. »Weinst du wieder, weil du glücklich bist?«, fragt er unsicher und mustert sowohl Jolenes Mimik, als auch meine.
»Ja«, antworte ich lächelnd und bedeute ihm, zu uns zu kommen. Dann zeige ich ihm die kleine Wölbung und erkenne umgehend das starke Leuchten in seinen Augen.
»Hallo, kleine Schwester«, spricht er freudig und legt ebenfalls seine Hand darauf.
Hätte ich Zweifel an Jolenes Bestätigung gehabt, spätestens jetzt wäre sie verschwunden, weil mir Chester ganz sicher nichts vorgemacht hätte.
»Oder Bruder«, korrigiere ich ihn.
»Nein.« Selbstsicher schüttelt er den Kopf. »Hab' mir doch vom Weihnachtsmann eine Schwester gewünscht und ich war jetzt ganz lange artig.«
»Zwölf Stunden sind für dich lange?«, fragt Jolene süffisant.
Chester sieht sie mit einem beleidigten Ausdruck an, wendet seine Aufmerksamkeit dann aber wieder meinem Bauch zu und legt sein Ohr auf diesen, während er mit dem Baby spricht und sich als großer Bruder vorstellt.
Diese Geste rührt mich und es fällt mir schwer, gegen die erneuten Tränen anzukämpfen. Jolene bemerkt dies, legt ihre Hand auf meine Wange und verlangt so von mir, sie anzusehen.
Ihr Lächeln ist aufmunternd und stolz zugleich. Diesmal legt sie ihre Lippen fürsorglich auf meine Stirn und sieht mir anschließend wieder in die Augen.

Wir genießen diesen wunderschönen Moment ein paar Minuten, bis uns Jolene dann dazu auffordert uns anzuziehen, weil heute ein Tag harter Arbeit auf uns wartet.
Ich bin überrascht, als auch sie sich entsprechend anzieht. Eine blaue Jeans und ein ärmelloses, rotes Karohemd, das sich eng um ihren Oberkörper schmiegt.
»Wenn wir schon alle hier sind, um Cowboy zu spielen, möchte ich mitspielen«, begründet sie.
Ihre Worte erreichen mich aber nicht wirklich, weil sie die ersten drei Knöpfe ihres Hemdes offen lässt und mein Blick in ihr Dekolleté fällt und sich darauf fixiert.
Ihr Ausdruck verändert sich verführerisch und reizend, als sie meine Reaktion bemerkt und zuckt auffallend mit ihren Augenbrauen.
»Warte ab, bis ich einen Cowboyhut aufhabe«, gibt sie spitzbübisch von sich und holt aus ihrem Koffer einen solchen hervor, den sie sich direkt aufsetzt und mir wieder entgegenschmunzelt.
Ich unterdrücke mir ein Raunen. »Solange du nicht anfängst in diesem Outfit Country Lieder zu singen, werde ich das aushalten.«
Sie lacht kurz und sieht mich ungehindert reizend an. »Eine schöne Idee für heute Abend«, neckt sie mich.
Allerdings traue ich ihr dies tatsächlich zu, hoffe aber, dass sie es letztlich nicht tut, weil sie ihre Jungs nicht bei sich hat.
Tatsächlich ist es noch nicht vorgekommen, dass Jolene vor anderen singt, ohne Brandon, Cormack und Ian an ihrer Seite zu haben, die sie auf ihren Instrumenten begleiten. Wenn sie bisher alleine gesungen hat, dann nur für Chester und mich, und ich hoffe, das bleibt auch so.
Es ist nicht so, weil ich sie nicht singen hören will. Viel mehr weiß ich, was es in mir auslöst, wenn sie es tut und wir haben für die nächsten drei Tage nicht die Möglichkeit mein dann bestehendes Verlangen auszuleben. Die Wände hier sind nicht besonders dick und dadurch sehr hellhörig; abgesehen von all den Menschen die dieser Tage um uns herum sind.

Jolene (+Family)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt