[Achtundsechzig] - Wetten, dass ...?

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Erleichtert atme ich auf und jeder Muskel in mir entspannt sich. Erst jetzt kann ich den Anblick genießen, der sich mir dort bietet.
Ich muss keine ausgebildete Ärztin sein, um das Bild zu erkennen. Es ist selbst für mich sehr deutlich zu erkennen: Nur ein einziger Körper, nur ein Kopf.
Ich kann die Ärmchen sehen, und auch sehen, wie es sich bewegt.
Tränen des Glücks steigen mir in die Augen. Es tut so gut zu sehen, wie schön dieses Wunder wächst und sowohl mir, als auch Jolene den sehnlichsten Wunsch erfüllt. Mit jedem Tag macht es unser Leben perfekter. Mit jedem Tag, den es wächst, wächst auch unser Familienglück.
»Du machst das grandios«, haucht mir Jolene verliebt ins Ohr und dreht mein Gesicht zu sich, damit sie mich erst küssen und dann ansehen kann.
»Du hast es grandios gemacht«, erwidere ich. Immerhin ist es auch ihr Werk, denn ohne ihr Zutun würden wir nicht das sehen, was wir gerade sehen.
Die Erinnerung daran, wie dieses Kind gezeugt wurde, beschleunigt meinen Herzschlag und den Fluss meiner Tränen. Es war so wunderschön und fühlte sich für mich so unglaublich natürlich an. Es war um Welten besser, als in einem sterilen, hellen und weißen Raum.
Sie hat mir in diesem Moment so viel Liebe geschenkt, wie sie es anders nicht hätte tun können, und nur deshalb - da bin ich mir sicher - hat es funktioniert. Es ist während dem Akt der Liebe entstanden. Während ich ihre Haut an meiner spürte; ihre Lippen, ihre Hände; ihre Berührungen und Zuneigung. Ihre Liebe.
»Ich liebe dich, Jolene Reid. Du machst mich zum glücklichsten Menschen der Welt.« Es ist einer der Momente, an dem diese Worte aus dem tiefsten Herzen kommen; an dem es ein regelrechter Drang ist, es auszusprechen und sie wissen zu lassen. Immer, wenn ich es ihr sage, meine ich es ehrlich, aber in Momenten wie diesen habe ich das Gefühl, diese Worte beschreiben nicht mal im Ansatz, wie stark ich es empfinde.
Ihre grünen Augen sehen in meine und funkeln voller Freude; so schön und intensiv, dass ich gar nicht wegsehen will.
»Ich hoffe, es wird so schöne Augen wie du haben«, flüstere ich.
Mir ist bewusst, wie unwahrscheinlich es ist, da sie nicht genetisch beteiligt ist, so wie bei Chester, der ihre Augen hat. Aber ich hege große Hoffnung, dass sich Johnny dahingehend ein wenig durchsetzt und mein helles Blau dominiert.

Der Arzt gibt ein Räuspern von sich, um unsere Aufmerksamkeit zu erhalten.
»Wollen Sie wissen, ob Sie Eltern eines Jungen oder eines Mädchens werden? Es liegt gerade günstig und präsentiert sich«, berichtet er schmunzelnd.
»Ja«, antwortet Jolene.
»Nein«, sage ich zur selben Zeit und erhalte von Jolene einen irritierten Blick.
»Nein?«, hakt sie nach.
»Nein.«
Einen Augenblick sieht sie mich verwundert, aber auch skeptisch an. »Na gut. Aber er kann es doch mir sagen und ich behalte es für mich?«
»Nein«, wiederhole ich.
Meine Antwort gefällt ihr überhaupt nicht, und ich bin mir auch dem Risiko bewusst, deshalb eine schlecht gelaunte Jolene um mich zu haben, die mich ihren Unmut ungefiltert spüren lassen könnte.
»Okay«, sagt sie dann aber und nickt kaum merklich. »Dann lassen wir uns eben überraschen.«
Sie versucht zwar, ihr Gesicht zu wahren und lächelt, aber ich erkenne trotzdem, wie sehr es ihr missfällt.
»Aber ein Bild vom Ultraschall hätte ich trotzdem gerne«, sagt sie und sieht mich abwartend an.
»Das geht in Ordnung«, antworte ich schmunzelnd. Immerhin ist das auch für mich ein sehr wichtiger Moment, an den ich mich noch lange erinnern möchte. »Aber bitte eines, auf dem man das Geschlecht nicht sehen kann«, sage ich an den Arzt gewandt. »Nicht, dass meine Frau auf die Idee kommt, dieses dann mit dem Bild unseres Sohnes zu vergleichen.« Mit einem wissenden Grinsen sehe ich Jolene an, und deren Reaktion bestätigt meine Vermutung, dass genau das ihr Plan gewesen ist.
Obwohl sie wirklich gut darin ist, ihre Gedanken für sich zu behalten, gibt es Dinge, die sie mir nicht verheimlichen kann.
Nach vier Jahren Ehe weiß ich durchaus, wie sie tickt und wie clever sie ist.
Jolene stößt ein hörbares Schnauben aus und nimmt das Bild an sich, das ihr der Arzt entgegenhält.
»Du machst mich wahnsinnig, Babe.« Sie erhebt sich und hält mir die Hand entgegen, um mir beim Aufstehen zu helfen.
»Das seit fünf Jahren und trotzdem liebst du mich noch«, antworte ich und grinse sie an.
»Du kannst froh sein, dass ich das nicht ändern kann.«
»Würdest du es denn ändern wollen?«
»Niemals«, spricht sie lächelnd und drückt mir ihre Lippen ins Haar.
Gemeinsam verlassen wir das Behandlungszimmer und der Arzt verabschiedet uns bis zum nächsten Termin in ein paar Wochen.

Jolene (+Family)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt