[Dreißig] - Frauenprobleme

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Durch sanftes Streicheln meiner Wange werde ich aus meinem Schlaf geweckt. Nur müßig schaffe ich es, meine Augen zu öffnen und blicke dem wunderschönen Grün meiner Frau entgegen.
»Ich werde Chester zur Schule bringen«, spricht sie sanft und lächelt, weshalb ich nun auf die Uhr sehe.
»Oh, verdammt!«, fluche ich leise und will aus dem Bett steigen, aber Jolene hindert mich daran. »Wieso hast du mich nicht eher geweckt??«, will ich von ihr wissen. Sie aber bleibt entspannt und legt ihr Lächeln nicht ab. Stattdessen legt sie ihre Hand erneut auf meine Wange.
»Weil du den Schlaf anscheinend brauchst. Leg' dich wieder hin und gönn' dir die Ruhe. Ich kümmere mich um alles andere.«
Kraftlos raune ich und reibe mir mit beiden Händen durchs Gesicht.
»Ich habe Naddy bereits Bescheid gesagt«, sagt sie leise und beugt sich zu mir, um mir einen Kuss auf die Stirn zu geben. »Also mach' dir keine Sorgen.«
»Ich werde mich noch aufraffen«, murmle ich. »Etwas später, aber ich werde. Mir fehlt der Kaffee, um zu starten.«
»Dann solltest du mal einen trinken«, schmunzelt sie.
»Ich werde keinen Kaffee trinken«, verweigere und setze mich langsam auf.
»Eine Tasse schadet nicht«, versichert sie mir.
»Ich weiß. Ich möchte dennoch nichts riskieren.«
Schweigend nickt sie und akzeptiert meine Meinung. »Bis nachher«, sagt sie dann und küsst mich nochmals, ehe sie aufsteht und den Raum verlässt, um Chester zur Schule zu bringen.

Damit meine Mutter den Tag unten im Haus nicht alleine verbringen muss, quäle ich mich aus dem Bett und wandere auf die Couch.
Sie sitzt bereits am Tisch und schlürft ihren Kaffee, während ihr Laptop noch startet. Der Geruch dessen ist zum einen verlockend, zum anderen aber reagiert mein Magen etwas rebellisch, weshalb ich mir die Decke über die Nase ziehe.
»Jolene hat dir einen Tee vorbereitet«, sagt sie und sieht mich besorgt an. »Sicher, dass du nichts ausbrütest?«
Ich nicke. »Nur müde.« Dass ich dem fehlenden Kaffee die Schuld gebe, werde ich ihr gegenüber allerdings nicht sagen, sonst gehen bei ihr direkt die Alarmglocken los und ich muss mich erklären.
»Dann wäre ein Kaffee vielleicht hilfreicher«, zwinkert sie nun. »Der macht wach.«
Ich aber schüttle nur den Kopf, weil mir allein bei dem Gedanken daran plötzlich schlecht wird. Als sich dieses Gefühl aber unerwartet bestärkt, springe ich hastig von der Couch auf und renne ins Badezimmer.
Noch rechtzeitig schaffe ich es, mich über die Kloschüssel zu beugen, als sich mein Mageninhalt nach draußen befördert.
Mir ist nicht nur übel, sondern auch ein wenig schwindelig, weshalb ich meine Augen schließe und darauf warte, bis sich alles wieder beruhigt hat. Diese Situation überfordert mich aber so sehr, dass plötzlich und vollkommen unkontrolliert sämtliche Gefühle aus mir herausbrechen.
Schluchzend sacke ich zusammen und bleibe auf dem Boden sitzen. Ich kann nicht mal sagen, wieso mich diese Emotionen so überkommen. Aber vielleicht hat meine Mutter doch recht und ich brüte wirklich etwas aus, und das dann noch kombiniert mit meiner anstehenden Periode. Eine übermäßige Produktion von Hormonen trifft auf eine Armee von Antikörpern, und schon weiß der Rest des Körpers nicht mehr, wo Oben und Unten ist.

»Schatz, Liebes«, höre ich die besorgte Stimme meiner Mutter durch die Badezimmertür. »Was ist los mit dir? Muss ich einen Arzt rufen?«
»Nein«, krächze ich gerade so heraus, während ich mich selbst langsam beruhige und die letzten Tränen unterschluchze.
»Und Jolene?«, fragt sie vorsichtig nach.
»Nicht nötig«, antworte ich ihr und schneuze einmal kräftig in eine Hand voll Toilettenpapier. Dann erhebe ich mich, betätige die Klospülung und beuge mich über das Waschbecken, um mir meinen Mund mit Wasser auszuspülen und mir jenes ins Gesicht zu spritzen, um die Überreste all der Tränen zu vernichten.
Nach einem kräftigen Atemzug wage ich einen Blick in den Spiegel, ehe ich das Badezimmer verlassen werde; nur um sicher zu gehen, nicht zu viele verräterische Spuren in meinem Gesicht zu tragen, auch wenn meine Mutter ohnehin meinen emotionalen Ausbruch mitbekommen hat, aber sie muss nicht sehen, wie heftig er gewesen ist.

Mit gestrafften Schultern und erhobenen Hauptes verlasse ich das Badezimmer, um so Beherrscht wie möglich zu wirken. Mit einem besänftigenden Lächeln gehe ich an meiner Mutter vorbei in die Küche, um mir den Tee zu nehmen, den mir Jolene schon vorbereitet hat.
Mit diesem in der Hand setze ich mich wieder auf die Couch und wickle die Decke um mich herum.
Der Blick meiner Mutter ist auffordernd, während sie auf ich zu rollt und verdeutlicht, von mir eine Antwort zu wollen.
»Ich bekomme wohl bald meine Periode«, nenne ich ihr den Grund, wieso es mir gerade nicht so gut geht.
Anscheinend wirke ich dabei enttäuschter, als ich klingen wollte, denn ihr auffordernder Blick wird intensiver, aber auch fragend zugleich.
»Wieso bedrückt dich das?« Mit einer Geste fordert sie mich dazu auf, näher zu ihr zu rücken, damit sie mich berühren kann.
Ich folge ihrer Aufforderung und stoße dabei ein Seufzen aus. Sie ist meine Mutter, und auch wenn sie mich erst seit drei Jahren bei sich hat, sind ihre Instinkte gut genug, um zu erkennen, wenn etwas nicht stimmt.
»Jolene und ich haben es wieder versucht«, offenbare ich. »Aber ich habe mich anscheinend verrechnet.« Ich schenke ihr ein beschwichtigendes Lächeln. »Es ist okay, denn meine Berechnung war nur spekuliert, da ich noch keinen richtigen Zyklus hatte, seit ...« Erneut seufze ich und senke meinen Blick zu der Tasse in meinen Händen.
Stumm nickt sie und legt mir ihre Hand auf meinen Schoß. »Dein Zyklus muss sich erst wieder einpendeln«, bestätigt sie. »Wenn du jetzt deine Periode bekommst, weißt du, wann ihr es nochmal versuchen könnt.« Aufmunternd lächelt sie mich an. »Gib nur nicht auf.«
»Armer Johnny«, rutscht es mir schmunzelnd heraus.
»Armer Johnny?«, fragt sie irritiert.
Ich nehme einen tiefen Atemzug, ehe ich sie ansehe und ihr antworte. »Wir haben uns für Johnny als Spender entschieden«, erzähle ich ihr. »Damit unser Kind und Chester richtige Geschwister sind. Und als ich meinen fruchtbaren Tag errechnet hatte, musste er jeden Tag etwas abliefern, weil Jolene keinen Tag vergeuden wollte.« Wieder schmunzle ich.
»Und das geht für ihn in Ordnung? Oder für seine Frau?«, fragt sie verwundert.
»Ja«, nicke ich und erzähle ihr von den Gesprächen, die wir mit Johnny und Jessica geführt haben. Wie sie darüber denken und welche Abmachung wir getroffen haben. Aber auch, was Jolenes Kompromiss angeht.
Meine Mutter beginnt zu lächeln und ihre Augen funkeln erfreut. »Ich freue mich für euch. Und ich bin mir auch ganz sicher, dass ihr mit Johnny eine gute Wahl getroffen habt.« Ermutigend streicht sie mir über den Oberarm; rubbelt ihn regelrecht. »Es ist eine wunderschöne Idee, weshalb ihr ihn als Spender gewählt habt und umso schöner, dass er und seine Frau da mitmachen, um euch euren größten Wunsch zu erfüllen.«
»Ja«, stimme ich ihr lächelnd zu und lehne mich nun gegen sie.
Sofort streicht sie mir über den Rücken und drückt mir einen fürsorglichen Kuss ins Haar.
»Benötigst du noch etwas? Eine Schmerztablette, oder so?« Sanft legt sie ihre Hand auf meine Wange, während sie mir liebevoll in die Augen sieht.
»Nein«, lehne ich ab und schüttle den Kopf. »Ich roll' mich einfach ein wenig ein und dann geht das schon.«
»Na gut«, akzeptiert sie meine Entscheidung und entlässt mich aus ihrer Nähe, damit ich mich hinlegen kann. »Ruh' dich aus. Ich bastel derweil noch ein wenig an euren Räumen herum.« Mit einem Schmunzeln dreht sie sich und rollt zum Esstisch zurück, wo sie mit einem Tastendruck den Laptop wieder ins Leben ruft.

Trotz meiner Erschöpfung kann ich nicht einschlafen. Ich liege ruhelos wach und beobachte meine Mutter dabei, wie sie an ihrem Laptop sitzt.
Weil mir auch das Liegen irgendwann zu ungemütlich wird und ich sowieso nicht wach werde, wenn ich mich nicht bewege, stehe ich auf und setze mich zu meiner Mutter an den Tisch und sehe ihr dabei zu, wie sie versucht, all unsere Ideen zu einer zusammenzufassen.
Neugierig neige ich dabei meinen Kopf und bewundere ihre Künste. Mir gefällt ihre Idee, all unsere Ideen zu kombinieren, denn das, was dabei rauskommt gefällt mir wirklich gut, weshalb ich sie darin bestärke und mir auch sicher bin, dass Naddy das genauso sehen wird.
Dabei erinnere ich mich an etwas, das mir Jolene bereits nahegelegt hat und von Naddy ebenfalls bereits angesprochen wurde; die Entscheidung dazu aber nun ganz alleine bei mir liegt.
»Hättest du Interesse daran, bei CaddySign zu arbeiten?«, frage ich sie deshalb und sehe sie zögerlich an.
Meine Mutter stoppt ihre Arbeit und sieht mich ebenfalls an.

»Es wäre etwas anderes, als du bisher getan hast, aber ... Jolene und Naddy halten dich für einen Gewinn und ... ich denke das auch«, erkläre ich und lächle sie vorsichtig an.
Einen kleinen Moment sieht sie mir schweigend entgegen und neigt dann ihren Kopf. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich wirklich ein Gewinn wäre, wenn ich erst noch lernen muss Webseiten zu gestalten, oder mit euren Programmen zu arbeiten.« Sie schmunzelt schwach.
»Oh«, entkommt es mir, als ich verstehe. »Eigentlich ...« Kurz räuspere ich mich und lächle sie erneut an, »hatte Jolene andere Pläne mit dir.«
Überrascht sieht mich meine Mutter an. »Jolene?«
Nun muss ich wegen ihres Ausdruckes schmunzeln und erkläre ihr, was Jolene mit ihrer Marketingabteilung plant und inwieweit sie Andrea dafür vorsieht.
»Es wäre wirklich etwas ganz anderes«, stimmt sie meiner vorherigen Aussage zu.
»Jolene würde mit dir natürlich noch ausführlicher reden, und dir sagen, was sie sich genau vorstellt und wie genau sie dich dabei einplant«, versichere ich ihr und gebe ihr somit zu verstehen, dass sie nicht verpflichtend zusagen muss, sondern noch die Möglichkeit hat, sich zu entscheiden, sobald Jolene sie eingeweiht hat.
»Okay«, lächelt sie schließlich. »Ich höre mir ihre Vorstellungen an.«
Mit einem Nicken erwidere ich ihr Lächeln. Ich habe keinerlei Zweifel daran, dass sie diese neue Aufgabe nicht bewältigt bekommt, und ich bin mir auch ganz sicher, dass Jolene sie schon tiefgründig einweisen wird. Abgesehen davon, werden weder sie noch Naddy meine Mutter mit ihrer neuen Aufgabe alleine lassen, bis sie sich gänzlich reingefuchst hat.

Jolene (+Family)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt