[Einundzwanzig] - Das Recht der besten Freundin

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Diese Ruhe am Morgen ist ungewohnt. Üblicherweise hört man um diese Zeit schon Chester plappern; ob mit einem von uns oder mit sich selbst, wenn er zum x-ten mal die Rückseite der Cornflakes Packung liest und dabei schmatzend kaut.
Dass er Wochenends mal nicht da ist, ist weniger ungewöhnlich, aber wir haben Mittwoch, also unter der Woche, weshalb es für mich eher wie ein Samstagmorgen vorkommt. Deshalb muss ich mir ins Gedächtnis rufen, nicht den falschen Tagesablauf zu wählen.

Zum ersten Mal seit Wochen stehe ich wieder in dem Zimmer, das wir für unser gemeinsames Kind vorgesehen haben und in dem bereits die Möbel stehen, die einst Chester gehört haben. Nachdem ich mich etwas verträumt umgesehen habe, senke ich meinen Blick und begutachte meinen Bauch; dabei lege ich unwillkürlich meine Hand auf diesen. Natürlich weiß ich, dass da noch nichts ist, was ich sehen oder fühlen könnte, aber ich hoffe so sehr darauf, dass sich Jolenes Einsatz gelohnt hat.
Sie war so kreativ, aber auch so einfühlsam, dass ich nicht mal den Fremdkörper in mir bemerkt habe. Vermutlich war das der Grund, wieso sie mich vorher so extrem aufgeheizt hat. Damit ich von anderen Gefühlen zu eingenommen bin.
Ich glaube, natürlicher hätten es zwei Frauen nicht tun können. Das gestern war ein Nachmittag voller Lust und Leidenschaft - und so unglaublich schön.
Den Rest des Tages sind wir gar nicht mehr aus dem Bett, außer wir mussten. Und einmal hat Jolene es nur verlassen, um unsere Pizzen in Empfang zu nehmen. Denn unser beider Mägen haben so lautstark geknurrt, dass wir uns kaum noch unterhalten oder innig sein konnten.

Meine Aufmerksamkeit richtet sich wieder auf meinen Bauch, um ihn zu begutachten. Ich will ihn mir einprägen, damit ich vielleicht eines Tages jede noch so kleine Veränderung bemerken kann.
Wenn Jolenes Einsatz - und Johnnys Spende - im wahrsten Sinne des Wortes Früchte trägt, hoffe ich so sehr, dieses mal über das erste Trimester hinauszukommen.
Ich weiß, ich sollte die Angst und die negativen Gedanken ablegen, aber nach drei fehlgeschlagenen Versuchen ist das unglaublich schwierig noch immer positiv zu denken.
Aber dann denke ich an Naddy, die mir offenbart hat, es seit einiger Zeit auch wieder mit Jonas zu versuchen. Auch bei ihr hat es noch nicht funktioniert und sie ist mit ihrem Mann deutlich flexibler, was das betrifft. Obwohl mir bewusst ist, dass es vielen Frauen so geht, stimmt es mich etwas milde, zu wissen, dass auch meine beste Freundin so ihre Probleme damit hat.

Zwei Arme, die sich von hinten um mich legen, reißen mich aus meinen Gedanken. Jolenes Lippen platzieren sich auf meinem Hals, während sich ihre Hände ebenfalls auf meinen Bauch legen.
»Betest du etwa?«, gibt sie amüsiert von sich.
»Tatsächlich ja«, gebe ich zu und schließe meine Augen, um die Nähe zu genießen, die sie mir gerade gibt.
»Wir werden das heute Abend wiederholen«, flüstert sie mir ins Ohr. »Und morgen Abend, und übermorgen. Wir nutzen jeden Tag, um die Chance zu erhöhen.«
Ihre Aussage lässt mich kichern. »Der arme Johnny.«
»Ach was«, tut sie es ab und löst ihre Umarmung. »Du hast Jessica gehört. Über jede Entlastung ist sie froh.«
Skeptisch sehe ich sie an. »Ist er wirklich so potent?«
Aus ihrer Kehle dringt ein Grunzen, als sie das Lachen unterdrückt. »Ja«, nickt sie. »Denk an seine Söhne. Ich habe verhütet, als ich mit Chester schwanger wurde. Und Liam war noch nicht richtig auf der Welt, da war Jessica schon wieder mit Isaac schwanger. Trotz Verhütung. Was denkst du, wieso sie mittlerweile dreifach verhütet?«, lacht sie dann doch.
»Huh«, entkommt es mir. Schmunzelnd lege ich meine Arme um sie und ziehe sie näher zu mir. »Dann stehen die Chancen dieses Mal doch sehr gut.«
»Tun sie«, stimmt mir Jolene zu und beugt sich zu mir, um mich liebevoll zu küssen.

Obwohl ich mich eigentlich gar nicht so in die Hoffnung hineinsteigern möchte, kann ich nicht anders, als mich glücklich zu fühlen. Vermutlich haben mir Jolenes Worte über Johnnys Fähigkeit die Angst genommen.
Aber nicht nur das. Auch die Erinnerung an den gestrigen Tag - an diesen Akt - tragen zu diesem Hochgefühl bei. Denn dieser Sex war auf eine gewisse Art anders als sonst. Natürlich ist Jolene kreativ und bietet mir Abwechslung, gestern aber war es so gesehen der übliche Sex. Ihr Kopf zwischen meinen Beinen, keine anderen Stellungen, kein Spielzeug; nur ihre Berührungen und ihre Zunge. Und trotzdem wirkte er so intensiv.
Vielleicht weil sie mich vorher so extrem aufgeheizt, aber nicht befriedigt hat? Oder aber mein Körper hat mehr gemerkt, als ich. Denn mein Gehirn war ganz sicher zu dem Zeitpunkt alles andere als durchblutet und aufnahmefähig.

Jolene (+Family)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt