[Neunundsechzig] - Jeder ist seines Glückes Schmied

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Etwa eine Woche später sitzen wir im Flugzeug, das uns nach Washington bringt, wo wir nach fast genau drei Jahren dem Admiral wieder gegenüber stehen werden.
Morgen früh findet die Kautionsverhandlung statt, die Amber leider nicht verhindern konnte.
Es ist für uns alle einfach unbegreiflich, wieso diesem Mann diese Chance überhaupt gegeben wird, nach alledem, was er getan hat. Es ist unbegreiflich, wieso wir überhaupt so lange warten müssen, bis es zur eigentlichen Verhandlung kommt. Die Beweise sind eindeutig und wir verstehen nicht, was es da noch zu untersuchen gibt und es deshalb einfach nicht vorwärts zu gehen scheint. Wonach suchen sie denn überhaupt?
Da es Militär interne Untersuchungen sind, wird selbst Amber kaum auf dem Laufenden gehalten und immer nur mit der Aussage vertröstet, dass das NCIS nach weiteren korrupten Fällen sucht, an denen der Admiral oder Agent Alan Benford beteiligt gewesen sein könnten.
Wenigstens aber wühlen sie tiefer im Dreck, anstatt alles unter den Teppich zu kehren, was insbesondere das Militär ja gerne macht.

Mein Blick wandert umher. Vor uns sitzt Morgan, die in einem Buch liest; neben ihr Amber, die für die Verhandlung büffelt und sich durch die wahnsinnig dicke Akte wühlt, die der Fall vom Admiral mittlerweile verursacht hat.
Hinter uns sitzt Milly, die ebenfalls zu dieser Verhandlung geladen wurde.
Jolene sitzt natürlich neben mir und versucht unauffällig zu Atmen, um sich selbst zu beruhigen. Flüge machen ihr nach wie vor zu schaffen; insbesondere dann, wenn wir nicht alleine sind und sie ihre Schwäche nicht zeigen kann.
Dafür hilft es ihr mittlerweile, wenn ich ihre Hand halte und sie sanft streichle. Hin und wieder schafft sie es, mich anzusehen und zu lächeln.
Nur heute nicht, denn für sie ist es nicht nachvollziehbar, wieso sie und ihre Mutter überhaupt dabei sein müssen, da es schließlich nur darum geht, ob der Admiral unter Auflagen und Zahlung einer Kaution bis zur Hauptverhandlung frei kommt. Sie empfindet ihre und Millys Anwesenheit als unsinnig. Alles, was dafür spricht, wieso der Admiral nicht frei kommen sollte, weiß Amber auch ohne sie zu benennen.
Amber versteht den Wunsch des Richters auch nicht, vermutet aber, dass es ihm darum geht, ein wenig hinter die Kulissen blicken zu können. Die Worte in der Anklage alleine seien oft sehr bürokratisch und emotionslos. Da es hier aber um Ehefrau und Tochter geht, will er vermutlich sehen, wie das Verhältnis zueinander ist. Das wiederum findet Amber nicht verkehrt, sondern sogar sehr fair.
Also müssen wir es positiv sehen.

Da wir nur Handgepäck dabei haben, können wir nach der Landung direkt nach draußen, wo das Taxi auf uns wartet, das uns ins acht Kilometer entfernte Hotel nahe des Militärgerichts in der amerikanischen Hauptstadt bringt.
Wie auch der zweistündige Flug ist die fünfzehnminütige Taxifahrt sehr schweigsam. Jolene widmet ihre Aufmerksamkeit vollkommen mir und sieht mir unentwegt verliebt in die Augen, wobei ich dennoch erkennen kann, wie wenig es ihr gefällt, in diesem Bundesstaat zu sein und morgen ihrem Vater vor Augen treten zu müssen.
Milly ist genauso nervös, versucht es aber zu verbergen. Für mich ist es kaum auszumalen, wie es für sie sein muss.
Immerhin hat auch sie seit drei Jahren ihren Mann nicht mehr gesehen. Den Mann, den sie Jahrzehnte zuvor geheiratet und ihm die ewige Treue geschworen hat.
Wie sieht es in einem aus, wenn man erfährt, dass der Mensch, den man aus tiefstem Herzen liebt, ein solch dunkles Geheimnis trägt? Und das schon seit Jahren, bevor man sich kennen und lieben gelernt hat.
Wie würde es mir gehen, wenn sich Jolene plötzlich als solcher Mensch entpuppt? So bescheuert und nervig sich Milly verhält, so ist sie trotzdem ein liebenswerter Mensch, der keine bösen Absichten hat. Ihre Gedanken sind nicht schlecht, nur an der Umsetzung hapert es ein wenig.

Es ist acht am Abend, als wir dann alle im Hotel einchecken und unsere Zimmer beziehen. Wobei natürlich nicht daran gespart wurde, Suiten zu buchen. Einen gewissen Luxus wollen sich Geschäftsfrauen wie Jolene und Amber nicht nehmen lassen.
Kurz danach treffen wir uns dann in der Suite von Amber und Morgan, weil Amber mit uns noch den Verlauf der morgigen Verhandlung durchplanen möchte, da wir morgen früh keine Zeit dafür haben werden.
Natürlich möchte nicht nur sie unvorbereitet den Gerichtssaal betreten, auch wir sollen nicht unvorbereitet sein. Beziehungsweise Milly und Jolene, denn nur diese beiden wurden vom Richter dazu bestellt. Morgan und ich sind lediglich die Begleiter, wobei Amber der Meinung ist, es könnte auch von Vorteil sein, wenn wir dabei sind. Der Richter könnte spontan auch unsere Sichtweise hören wollen - immerhin sind Morgan und ich genauso von den Taten des Admirals betroffen.
Er hat das FBI auf Morgans Bank angesetzt, damit diese gefälschte Beweise einschleusen, um Morgan illegale Geschäfte unterzujubeln, damit die Freilassung von Johnny für nichtig erklärt wird.
Mich wollte er aus dem Weg räumen, in dem er mir zunächst meinen Vater auf den Hals hetzte und anschließend meine Staatsbürgerschaft anzweifeln wollte.

Jolene (+Family)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt