[Zweiundachtzig] - Pakt mit dem Teufel

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Plötzlich klingelt es an der Tür, die ich schnell aufreiße, weil ich mich immer noch dort befinde und nervös auf und ab laufe, um mir irgendwas einfallen zu lassen.
Überrascht blinzle ich, als es Amber ist, die unser Haus betritt; gemeinsam mit Kyle.
»Geht nach oben«, befiehlt sie den Kindern und stellt eine Reisetasche ab.
»Mom?«, fragt Chester und sieht mich an.
»Geht«, stimme ich Amber zu und sehe sie an. »Eben waren zwei Steuerfahnder und zwei Polizisten da, die Jolene verhaftet haben«, erkläre ich ihr, als die Jungs nach oben verschwunden sind. So wie Amber mich aber ansieht, und auch die Tatsache, dass sie Kyle bei sich hat, weiß sie das vermutlich schon. »Und sie haben unser Haus durchsucht und werden BNS durchsuchen.«
»Ich weiß«, zischt sie. »Sie waren auch bei mir.«
Mit großen Augen sehe ich sie an.
»Sie haben auch Morgan mitgenommen.« Jetzt greift sie sich in die Haare und läuft auf und ab.
Geschockt sehe ich sie an.
Wie soll mich diese Frau denn jetzt bitte beruhigen, wenn sie selbst so verzweifelt ist?
»Konntest du das nicht verhindern?«, frage ich verwundert.
»Nein.« Sie schüttelt den Kopf und geht tiefer in den Raum, wo sie sich an unsere Kochinsel setzt. Dort reibt sie sich mit beiden Händen durchs Gesicht. »Meine Kanzlei darf in diesem Fall nicht aktiv werden. Sie haben uns wegen Betroffenheit kaltgestellt. Mir wurden gewissermaßen die Hände gefesselt.«
Wieder sehe ich sie geschockt an.

»Jolene wurde wegen eines noch nicht mal belegten Hinweises verhaftet. Ist das rechtens?«
»Es war nicht ganz korrekt«, sagt sie, »aber ich konnte dem auch nicht entgegenwirken. Ein richterlicher Beschluss ist immer erstmal wirksam.«
»Jolene ist sich sicher, nicht lange da drin zu bleiben, weil sie auf dich zählt. Wie also gehen wir vor? Wir können sie schlecht solange in Haft sitzen lassen, bis die Ermittlungen beweisen, dass sie nichts gemacht haben!«, gebe ich aufgebracht von mir. »Ihnen steht ein Anwalt zu! Wenn nicht du selbst, kennst du doch bestimmt genügend andere, die uns helfen können.«
»Ich werde alle Hebel in Bewegung setzen«, verspricht sie mir. »Deshalb gebe ich Kyle in deine Obhut, weil ich nicht genügend Zeit für ihn haben werde.« Sie schließt ihre Augen und nimmt einen tiefen Atemzug. »Du musst die Nerven behalten und dich beruhigen«, bedeutend zeigt sie auf meinen Bauch. »Und nicht nur dafür, sondern auch für Chester und Kyle.«
»Ich behalte die Nerven«, zische ich, »aber beruhigen werde ich mich nicht!«
Amber seufzt und nickt lediglich.
»Welche Hebel wirst du in Bewegung setzen?«, frage ich dann und stelle uns beiden ein Glas Wasser auf die Kochinsel.
»Genau genommen werde ich meine Seele an den Teufel verkaufen«, gesteht sie betrübt und zückt ihr Handy. Eine Weile dauert es, bis die Person dran geht, die Amber gerade anruft.

»Hi, Terance«, spricht sie dann und meine Augen weiten sich Schlagartig.
Ich kenne diesen Mann nicht persönlich, sondern nur von Ambers Erzählungen. Er ist ihr Ex-Mann, und sie hat bisher kaum ein gutes Wort für ihn übrig gehabt. Und ausgerechnet er soll uns jetzt helfen?
Das Verhältnis zwischen ihnen scheint immer noch sehr gespalten zu sein, wenn ich der Diskussion folge, die Amber gerade mit ihm führt.
»Es ist rein beruflich, Terance!«, faucht sie ins Telefon. »Also lass' unsere privaten Belange aus dem Spiel!«
Wieder schweigt sie und scheint ihm zuzuhören. Da sie ihre Augen genervt verdreht, scheint ihr nicht zu gefallen, was er da sagt.
»Danke«, knurrt sie aber dann und legt auf. Ihr aufgebrachter Blick richtet sich auf mich und ich weiche ein wenig zurück. »Ich habe jetzt einen Termin mit meinem Ex-Mann. Ich werde dir sofort Bescheid sagen, wenn ich neue Infos habe«, sagt sie und erhebt sich vom Hocker.
»Oh, nein!«, sage ich und halte sie am Handgelenk fest. »Ich werde nicht wie damals hier zu Hause rumsitzen und warten. Ich werde dich begleiten!«
»Die Kinder ...«, beginnt sie.
»Bringen wir zu meiner Mutter«, vollende ich.
Einen Moment sieht sie mir eindringlich in die Augen, atmet dann aber tief durch und nickt. »Dann los.«

Die sonst so Gesetzesfromme Frau scheint heute auf Regeln zu pfeifen. Besonders auf die Verkehrsregeln. Ich habe keine Angst um mein Leben, oder das meines ungeborenen Kindes, aber ich bin durchaus überrascht, wie obszön und aufgebracht sie sein kann. Sie beschimpft andere Autofahrer, Fußgänger und Radfahrer, Hupt und gestikuliert wild.
Noch nie habe ich Amber so erlebt. Als erfahrene und sehr souveräne Anwältin kann sie ihre Gefühle normalerweise sehr gut kontrollieren und selbst dann Ruhe bewahren, wenn sie innerlich kocht.
Liegt es daran, weil Morgan verhaftet wurde, oder weil man ihr einen Knebel verpasst hat?
So oder so, diese Situation zeigt, dass auch Amber die Beherrschung verlieren kann.

Jolene (+Family)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt