[Einundfünfzig] - Noch eins, bitte

1.4K 96 16
                                    

Ich weiß, wie verliebt ich Jolene ansehe, denn sie erwidert meinen Blick und streichelt mir dabei liebevoll über den Bauch.
Wir beide sind in unserem Tunnel und genießen einfach diesen Augenblick, den wir uns gerade schenken.
Bis Naddy dazwischen funkt und laut in ihre Hände klatscht. »Das ist dann wohl der Moment, an dem man euch alleine lassen sollte«, kommentiert sie glucksend.
Damit reißt sie mich in die Besinnung zurück.
»Um die Wäsche brauchst du dich auch nicht mehr kümmern, das habe ich schon erledigt«, berichtet Naddy.
Jolene fügt hinzu, das Schlafzimmer wieder zu einem Schlafzimmer gemacht zu haben.
Dankbar lächle ich beiden zu. »Dann kümmere ich mich wenigstens ums Essen.«
Aber auch davon werde ich abgehalten, weil sich Jolene darum kümmern möchte, damit ich noch ein bisschen ausruhen und die Füße hochlegen kann.
»Einen besonderen Wunsch?«, fragt sie liebevoll.
»Irgendwas mit Fisch. Haben wir noch Lachs da?«
»Fisch??«, kommt es im gemeinsamen Echo von Naddy, Jolene und sogar Chester, die mich alle ungläubig ansehen.
»Ich habe Lust auf Lachs«, beichte ich etwas peinlich berührt, verstehe deren Verwunderung aber, weil ich eigentlich keinen Fisch esse und ihn auch nicht mag, aber irgendwie habe ich jetzt wirklich das Verlangen danach.
»Ich zaubere uns was«, verspricht Jolene und schenkt mir erneut einen Kuss.
»Stell' dich schonmal auf sonderbare Einkaufslisten ein«, kommentiert Naddy lachend und tätschelt Jolene die Schulter, während sie an ihr vorbei geht. »Ich mach' mich vom Acker. Zuhause warten auch zwei hungrige Quälgeister.« Zum Abschied drückt sie mir einen Kuss auf die Wange und verlässt das Zimmer.
Jolene grinst lediglich, als auch sie nach unten geht.
So bleibe ich mit Chester alleine zurück, der nach wie vor die Kiste durchwühlt und einige Sachen aussortiert hat. Bis er dann ein altes Malbuch entdeckt, in das er als Zweijähriger herumgekritzelt hat. In diesem Moment ist dann auch sein Vorhaben vergessen. Er springt auf und verkündet, es richtig auszumalen und rennt nach unten.
Ich bleibe noch kurz in diesem Zimmer stehen und betrachte mir das Chaos, weil wir einfach nur alles wahllos hier rein gestellt haben.
Seufzend, aber doch lächelnd senke ich meinen Blick und lege die Hand auf meinen Bauch. »Deine Ankunft wird sehnlichst erwartet, also mach' bloß keinen Rückzieher«, äußere ich ein wenig tadelnd und verlasse ebenfalls das Zimmer, um nach unten zu gehen und Jolene beim Kochen zu helfen.

Tatsächlich hat sie in unserem Eisfach irgendwo Fisch gefunden - und sogar Lachs. Nur leider steigt mir der Geruch unerwartet negativ in die Nase, weshalb sich mein Magen rebellisch zu Wort meldet.
Jolene sieht mich abwartend an und hält in ihrer Handlung inne. »Doch lieber was anderes?«, fragt sie amüsiert.
»Nein«, lehne ich ab, konzentriere mich aber, um meinen Magen wieder zu beruhigen. »Ich atme einfach nicht durch die Nase und mache mir was anderes.«
»Aber ich kann auch ...«
»Nein«, unterbreche ich sie. »Du hast den Fisch schon angefangen zu verarbeiten. Es wäre schade. Außerdem will ich nicht, dass ihr wegen mir auf irgendwas verzichten müsst.«
Jolene lässt alles stehen und liegen, kommt auf mich zu und zieht mich zu sich. »Solange du an meiner Seite bist, muss ich auf gar nichts verzichten«, haucht sie mir liebreizend ins Ohr und sorgt für ein wohliges Kribbeln.
»Es tut mir leid«, entschuldige ich mich trotzdem und bemerke, wie ich schon wieder emotional werde. Um das zu verhindern, atme ich tief durch und beherrsche mich.
»Nichts muss dir leid tun«, spricht sie schmunzelnd und widmet sich wieder der Zubereitung des Essens.
Trotzdem beschämt es mich etwas, vor allem weil ich dann ein paar Fenster und die Terrassentür öffne, damit der Geruch nicht zu sehr in diesem Haus hängen bleibt.
Als Alternative für mich entscheide ich mich für eine einfache Pizza, die ich mir in den Ofen schiebe. Wobei mich eine andere Art der Lust packt und ich die Pizza mit Paprika und Peperoni verfeinere. Ganz viel Paprika und Peperoni. So viel, dass sogar Jolene das Gesicht verzieht und mich voller Skepsis fragt, ob ich mir dessen sicher bin.
»Ich bin schwanger«, ist mein Argument dafür. »Offensichtlich fangen jetzt diese komischen Gelüste an.«
»Na gut.« Zwar sieht sie mich zweifelhaft an, lächelt aber und lässt mich meine Pizza fertig gestalten.

Während wir warten, bis das Essen fertig ist, kommt Jolene zu mir und legt ihre Arme um mich. Liebevoll sieht sie mir in die Augen, ehe sie sich zu mir beugt und mich zärtlich küsst.
»Auf einer Skala von eins bis zehn«, beginnt sie, als sie den Kuss löst und mir wieder in die Augen sieht, »wie tödlich ist es aktuell, wenn ich mir ein neues Auto kaufen würde?«
Sofort schiebe ich sie von mir weg und sehe sie mit hochgezogener Augenbraue an. Hat sie mich etwa deswegen so liebevoll geküsst? Darauf hoffend, ich würde ihr das diskussionlos genehmigen, weil ich Herzchen in den Augen habe?
»Fünfzehn«, antworte ich und stemme meine Hände in die Hüften. »Ich bin schwanger, nicht dement.«
»Gut, dann warte ich, bis es weniger tödlich ist«, gibt sie amüsiert von sich.
»Welches Auto willst du dir denn diesmal holen?«
»Weiß nicht. Die Corvette oder den Camaro.«
Innerlich raune ich. Wieder ein Sportwagen. Kann sich diese Frau nicht mal ein normales Auto kaufen?
»Und was hast du damit vor?«, brumme ich.
»Fahren.«
Ich schließe meine Augen und nehme einen tiefen Atemzug. »Mustang, Mustang, Hummer, Pontiac, Ram, Tahoe«, zähle ich all ihre Schiffe auf.
»Ich hatte überlegt, den Tahoe deinen Eltern zu überlassen.«
Obwohl dieser Gedanke ein wirklich lieber ist, erkenne ich das sonderbare Funkeln in ihren Augen und weiß, dass dieser Vorschlag wohl nur dem eigenen Zweck dient.
»Und dein Hintergedanke ist, dass dann wieder ein Platz frei ist, auf den du dann ein anderes Auto stellen kannst?«, hake ich skeptisch nach.
»Ich hab' auch überlegt den Mustang zu verkaufen«, sagt sie, anstatt mir auf meine Frage zu antworten.
»Welchen?«
»Den jungen. Vielleicht will ihn Morgan haben.«
»Deinen heißgeliebten Mustang??« Überrascht sehe ich sie an.
»So heißgeliebt ist er nicht.« Gleichgültig zuckt sie mit den Schultern. »Er ist bereits fünf Jahre alt.«
»Ach so. Tahoe weg, Mustang weg. Und schon ist Platz für Corvette und Camaro?« Auch eine durchdachte Jolene ist manchmal sehr leicht zu durchschauen.
»Soweit ging mein Gedanke zwar nicht, aber die Idee ist gut«, antwortet sie grinsend.
Erneut seufze ich und reibe mir die Augen. »Wir brauchen ein normales Auto.«
»Du hast doch eins.«
»In das du dich nicht mal reinsetzt!«
»Weil ich Platzangst kriege.«
Genervt verdrehe ich die Augen und schlage ihr gegen die Schulter, weil sie nämlich gar keine Platzangst bekommt, sondern dies nur sagt, weil ihr der Cruze schlichtweg zu klein und nicht pompös genug ist. Ganz zu schweigen von den fehlenden Pferdestärken.
»Mach mit deinen Autos was du willst, aber du kaufst kein Neues, außer es ist eine Familienkutsche.«
»Dafür haben wir doch den Hummer.«
»Das ist keine Familienkutsche, sondern ein Panzer!«
»Kaum ein anderes Auto ist sicherer für unsere Kinder«, argumentiert sie und legt mir betonend, aber auch mit einem Schmunzeln, die Hand auf meinen Bauch. »Außerdem bietet er sehr viel Platz, falls Kind Nummer drei kommt«, haucht sie mir lüstern und frech zugleich ins Ohr.
»Du meinst das wirklich ernst mit dem dritten Kind, oder?«
»Klar.«
»Und wer trägt es aus?«, hake ich skeptisch nach.
»Du.«
»Wieso nicht du?«
»Weil ich schon ein Kind zur Welt gebracht habe und mir das reicht. Ich muss nicht nochmal schwanger sein«, begründet sie.
»Ich würde dich aber auch gerne schwanger erleben.«
Jolene atmet deutlich durch, und scheitert dabei, ihr inneres Schnauben zu unterdrücken. »Ich würde diese Zeit nicht so genießen, wie du.«
»Wir reden darüber, wenn es soweit ist.« Ich tätschle ihre Schulter und beende das Thema damit.
»Das ist schonmal kein Nein«, sagt sie und grinst.
»Aber auch noch kein Ja«, lasse ich sie wissen, lächle ihr zu und werfe einen Blick in den Ofen, um meine Pizza zu prüfen.

Für mich spricht tatsächlich nichts gegen ein drittes Kind, aber ich möchte zunächst diese Schwangerschaft ohne besondere Vorkommnisse überstehen und ein gesundes Baby in meinen Armen halten, ehe ich meinen Unterleib für eine weitere Schwangerschaft zur Verfügung stelle.
Mal abgesehen davon, würde ich tatsächlich gerne Jolene in diesen wunderbaren Umständen sehen und erleben, aber ich weiß, sie ist dazu nicht wirklich bereit - zumal sie in dieser Zeit wohl auch kein sehr angenehmer Zeitgenosse ist und es deshalb schon vermeiden will.
Ihr ausgeprägter Geschäftssinn ist ein weiterer Grund. Sie ist eher auf Karriere aus, als auf eine Familie, und eine Schwangerschaft würde ihr in dieser Männerdomäne das Ansehen und den Respekt kosten. Etwas, das sie sich weder leisten kann noch will.
Schon als sie mit Chester schwanger war, hat sie es vermieden, dass ihre Verhandlungspartner den runden Babybauch sehen und hat die meisten Gespräche deshalb online abgehalten.
Durch mich wurde ihr aber beides möglich, denn mit mir kann sie eine Familie gründen, ohne dabei ihre Karriere zurückstellen zu müssen.
Ich habe Verständnis dafür und werde sie deshalb nicht zu etwas überreden, das sie gar nicht will. Trotzdem sollte dieses Thema nicht schon in Stein gemeißelt sein.

Jolene (+Family)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt