[Sechsundsiebzig] - Genetische Strategen

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Am nächsten Morgen sitze ich in halbliegender Position und mit entblößtem Bauch auf der Couch. Rechts neben mir Jolene und links Chester. Zusammen beobachten wir meinen Bauch und warten auf die kleinen Bewegungen unseres Babys.
Ich spüre es deutlicher, als wir es sehen können und doch zeigen sich manchmal winzig kleine Beulen.
Chester ist sehr euphorisch und beschäftigt sich ausgiebig mit seinem Geschwisterchen; führt eine Unterhaltung und drückt hin und wieder auf meinen Bauch, um eine Reaktion des Babys hervorzurufen.
Jolene genießt das ganze schweigend. Ihre Hand liegt regungslos auf meinem Bauch, um das zu spüren, was ich spüre. Erst nach einem langen Moment dreht sie ihren Kopf und sieht mir die Augen. Ihr intensiver Blick funkelt und ist so voller Liebe, dass mein Herz umgehend beginnt schneller zu schlagen.

Momente wie diese machen mich unsagbar glücklich. Vor allem, weil sich Jolene die Zeit dafür nimmt, obwohl es in ihrem Unternehmen gerade brennt und sie heute viel auf ihrer To-Do-Liste stehen hat.
»Ich mach' auf!«, ruft Chester, als es an der Tür klingelt und springt auf. Die Begrüßung seines Cousins verläuft dieses Mal nur sehr flüchtig, weil er direkt wieder zu uns zurückgerannt kommt, um sich wieder seinem Geschwisterchen zu widmen.
Nach dem gestrigen Abend überrascht es mich wenig, jetzt Morgan zu sehen. Diese hatte ja auch einen unmissverständlichen Auftrag von Jolene gehabt und war tagelang von der Bildfläche verschwunden, um all die Informationen zu sammeln, die Jolene benötigt.
»Bekommst du auch nochmal ein Baby, Mom?«, fragt Kyle plötzlich, nachdem ihm Chester erklärt hat, was wir hier tun und erntet nicht nur von seiner Mutter einen überraschten Blick.
»Nein«, antwortet sie.
»Warum nicht?«, fragt er neugierig.
»Weil ich kein Baby mehr bekommen möchte.« Ihre linke Augenbraue hebt sich, während sie ihre Arme vor der Brust verschränkt.
»Aber ich hätte auch gerne eine kleine Schwester«, begründet er.
»Du hast Hazel«, sagt sie.
»Die ist aber keine kleine Schwester und viel älter als ich«, kontert Kyle.
»Na ja, groß ist sie aber auch nicht gerade«, kommt es etwas süffisant von Morgan, aber Kyle ist noch zu jung, um Sarkasmus zu verstehen und sieht seine Mutter rätselnd an.
»Warum willst du kein Baby bekommen?«, fragt er stattdessen.
»Darum.«
»Aber vielleicht will Mum noch ein Baby bekommen«, gibt er spekulierend von sich.
»Nein, will sich nicht«, wehrt Morgan sofort ab.
»Hast du sie das schon gefragt?«
»Nein.«
»Woher weißt du das dann?«
Kinderfragen können so anstrengend sein. Trotzdem verfolge ich amüsiert dieses Gespräch zwischen Mutter und Sohn. Sogar Jolene beobachtet das ganze und scheint gespannt zu sein, wer als Sieger aus dieser Debatte hervorgeht.
»Ich weiß es einfach«, antwortet Morgan und schenkt ihrem Sohn einen warnenden Blick.
»Ich frag' sie nachher mal. Vielleicht will sie ja doch, dass du ihr ein Baby machst.« Er nickt eifrig, als er diesen Entschluss fasst.
»Ich kann ihr kein Baby machen«, entgegnet sie und deutet mit beiden Händen an ihrem Körper betonend hinab.
»Warum nicht?«, fragt Kyle sichtlich verwundert. »Tante Jo hat Tante Cat auch ein Baby gemacht.« Dabei deutet er auf uns.
Morgan folgt seinem Fingerzeig und schenkt uns einen vorwurfsvollen Blick, weil wir sie bei dieser Unterhaltung nicht unterstützen. Genervt stöhnt sie und verschränkt erneut die Arme vor der Brust.
»Sie hatten einen Mann, der ihnen geholfen hat«, erklärt sie.
»Ja, meinen daddy!«, mischt sich Chester ein. »Der hilft euch bestimmt auch.«
Während ich erheitert auflache, erhält er von Jolene und Morgan einen weniger erfreuten Blick, sowie deutliches Kopfschütteln.
»Ich habe auch einen Dad!«, weiß Kyle zu antworten. »Der kann auch helfen.«
»Nein, kann er nicht!«, schaltet sich Morgan direkt wieder ein.
»Warum nicht? Er ist doch ein Mann.« Irritiert blinzelt er sie an.
»Cormack hilft bestimmt gerne«, wirft Jolene frech dazwischen.
Wegen dieser Boshaftigkeit piekse ich ihr in die Seite und sehe sie tadelnd an. Als wären Kyles Fragen nicht so schon schlimm genug, muss sie ihn nicht zusätzlich noch mit solchen Aussagen anspornen.
»Ich frag' ihn mal.« Erneut nickt er über seinen Entschluss.
Morgan reibt verzweifelt ihre Augen, bevor auch sie Jolene einen strafenden Blick zuwirft.
Diese erhebt sich und bewegt sich in die Küche, um dort für sich und Morgan einen Kaffee zu machen; dabei schickt die Jungs nach oben in Chesters Zimmer.

Jolene (+Family)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt