[Achtundneunzig] - Tage der Anspannung

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Amber hatte recht, als sie sagte, der Prozess vom Admiral würde jetzt nicht mehr länger hinausgezögert werden, denn dieser ist bereits für nächste Woche angesetzt.
Genau genommen für den 11. April.
Morgans Geburtstag.
Morgan ist alles andere als begeistert davon, da sie ihren Geburtstag nicht immer mit diesem Ereignis in Verbindungen bringen will, ganz gleich, wie dieser endet. Aber sie nimmt es mit Zynismus und sagt, sie hätte dann auf jeden Fall einen Grund zum Trinken. Ob Geburtstag, verlorener Prozess, oder gewonnener Prozess.

Aber es geht endlich vorwärts. Es nimmt sogar richtig an Fahrt auf und es scheint, als würde sich jetzt alles überschlagen.
Das Militär distanziert sich explizit vom Admiral und hat ihn ohne zu Zögern unehrenhaft entlassen, ihm jeglichen Rang aberkannt und ihn sogar dem öffentlichen Gericht übergeben. Somit ist jetzt nicht mehr das Militär für ihn und sein Urteil zuständig, sondern der Staat selbst.
Für all das, was der Admiral getan hat, muss er sich sogar zweimal einem Urteil stellen. Einmal für die Intrigen gegen seine Tochter, und allen, die er darin verwickelt hat. Dabei muss er sich gegen fünf Anklagepunkte verteidigen, die ihm vorgeworfen werden - und jeder Anklagepunkt sogar in mehreren Fällen.
Kein Anklagepunkte ist die Tötung von über 300 Menschen.
Der vermutete Hackerangriff auf das Flugzeug, in dem Morgan hätte sitzen sollen, konnte zwischenzeitlich entkräftet werden. Nach eingehenden Analysen der Blackbox stellte sich heraus, dass der Pilot die Flughöhe nach Aufforderung des Fluglotsen selbst geändert hatte, weshalb es zu diesem schweren Zusammenstoß kam.
Nach allem, was wir über Bilson und den Admiral erfahren haben, hätten wir ihnen beiden solch eine Tat wirklich zugetraut. Zu unserer Erleichterung aber sind sie nicht so weit gegangen.

Amber und ihr Ex-Mann sagen, die Wahrscheinlichkeit, dass der Admiral in allen Anklagepunkten verurteilt wird, ist sehr hoch, da all seine Vergehen sehr gut zu beweisen und kaum anzuzweifeln sind.
Und dann wird ihm noch der Prozess wegen Mordes an Parker Evans gemacht. Der Vorwurf ist natürlich schwer, wird aber durch Bilson bekräftigt, der diese Tat glaubhaft und in ihrer perfiden Einzelheit schildert. Und es wird noch beweislastiger, weil durch ihn ein weiterer Zeuge genannt wird, der unabhängig von Bilson die gleiche Tat in gleicher Form beschreibt. Nämlich Alan Benford. Auch er war 1994 in Somalia gewesen und war ebenfalls Teil diesen Komplotts.
Sowohl er, als auch Bilson legen - wenn auch nach langen Verhandlungen zwischen ihren Anwälten und der Staatsanwaltschaft - ein vollumfängliches Geständnis ab.
Das Motiv ist erschreckend und zeigt, was der Admiral bereit ist zu tun, um seine Weste rein zu halten.
Parker Evans ist hinter das dunkle Geheimnis von Andrew Reid gekommen und wollte diesen nicht ungestraft davonkommen lassen. Er wollte Gerechtigkeit für seine - zu dem Zeitpunkt hochschwangere - Frau.
Der Admiral war sich danach sicher, niemand würde davon erfahren. Denn wer zweifelt schon den Tod eines Soldaten im Einsatz an? Vor allem, wenn mehrere Kameraden bestätigten, durch einen feindlichen Angriff gefallen zu sein.
Und doch gibt es neben einem kleinen Vermerk in der Akte von Parker, der ihn mit dem Admiral in Verbindung brachte, auch dessen Obduktionsbericht, der Zweifel über die geschilderte Todesursache gab. Aber es gab keine weiteren Beweise und stand den Aussagen der drei Soldaten entgegen.
Es wurde einfach nicht tiefer gegraben; unter anderem auch, weil der Befehl dazu erteilt wurde.
Dieser Vermerk in der Akte vom Admiral handelt von Parker, der diesen melden wollte. Aber dazu ist es dann nie gekommen. Das aber brachte Jolene auf die Spur, sich Parkers Akte zu besorgen, in der Hoffnung, darin zu finden, was Parker über ihren Vater hatte erzählen wollen.
Und dort wiederum stieß sie auf diese Zweifel am Tod von Morgans Vater.
Heather ist dann das letzte Glied in dieser Verkettung. Sie konnte damalige Beteiligte ausfindig machen und zur Aussage bewegen. Der Kreis schloss sich.

Das ganze Ereignis ist nicht nur für die Presse ein willkommenes Spektakel, sondern für mich zusätzlich pure Überforderung.
Ich kann einfach nicht fassen, was jetzt alles ans Tageslicht kommt. Bilson und Benford plaudern fleißig aus dem Nähkästchen, während der Admiral dazu schweigt und immer noch der Überzeugung ist, nichts Falsches getan zu haben. Er ist sogar empört und aufgebracht darüber, was ihm gerade widerfährt und kündigt an, sich im Falle einer Verurteilung, vom Präsidenten begnadigen zu lassen.
Keinerlei Einsicht über das, was er getan hat. In seinen Augen war alles legitim und nachvollziehbar. Seine Anwälte versuchen es dann auch noch über die »Nicht zurechnungsfähig«-Schiene Strafmilderung zu erlangen, aber all die Beweise und Aussagen von Zeugen belegen, wie bewusst ihm all das gewesen ist, was er getan hat.
All die Details zu seinen Taten will ich eigentlich gar nicht wissen, weil mich das emotional zu sehr mitnimmt.
Ich habe keine Bindung zu diesem Mann und er ist mir auch egal, aber zu wissen, dass meine Frau unter dieser Hand aufgewachsen ist und mit welch einem Monster sie jahrelang verbracht hat ... Wie muss das also für sie sein? Wie muss es für Morgan sein? Denn auch sie verbrachte Jahre mit diesem Mann, ohne zu wissen, was er ihren Eltern angetan hat.
Und wie geht es Milly dabei? Sie hat dreißig Jahre an seiner Seite gelebt, ein gemeinsames Kind mit ihm und sie liebte ihn. Sie glaubte, ein idyllisches Leben mit ihm zu führen. Wie sehr wird sie also an sich selbst zweifeln? Nie auch nur im Ansatz geglaubt, ihr Mann wäre solch eine Bestie. Zuerst muss sie miterleben, wie er das Leben ihrer Tochter zerstören will, um die Kontrolle über sie zu behalten, dann erfährt sie von dem Missbrauch an seiner Schwester, aus dem sogar ein Kind entstanden ist, und jetzt erfährt sie sogar noch von einem solch kaltblütigen Verbrechen.
Ganz sicher erkennt sie ihren Mann darin nicht wieder. Ihr bricht es das Herz.
Mir würde es nicht anders gehen, würde ich nach dreißig Jahren Ehe so etwas über den Menschen erfahren, den ich aus tiefstem Herzen liebe.

Jolene (+Family)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt