[Dreiundachtzig] - Krisengespräche

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Im Anschluss fahren wir zu BNS, um Ian, Cormack und Brandon darüber aufzuklären, was hier heute alles passiert ist.
Ian hat bereits mehrfach versucht, mich anzurufen. Ich habe ihn dann lediglich mit einer kurzen Nachricht vertröstet, ihm alles zu erklären sobald ich bei ihm bin.
Je höher der Aufzug fährt, umso größer wird der Kloß in meinem Hals, und als sich die Fahrstuhltür dann öffnet, erkenne ich bereits das Chaos.
Es sind keine Angestellten, die hier gerade herumwuseln und sämtliche Schubladen, Schreibtische, Schränke und Computer durchforsten, sondern Leute der Steuerfahndung.
»Was zum Henker ist hier los?!«, faucht Ian direkt los, als er uns erblickt. Dabei wedelt er bereits mit einem Dokument, das den Durchsuchungsbeschluss darstellt. »Und wo ist Jolene? Ich versuche, sie seit zwei Stunden zu erreichen!«
Sein wütender Blick wandert musternd zu Amber und ihre Anwesenheit scheint ihm begreiflich zu machen, wie ernste die Lage wirklich ist.
»Klärt mich auf«, fordert er mit weitaus sanfterer, viel mehr sorgenvoller Stimme.
Ich nehme einen Atemzug und deute zum Besprechungsraum, der vermutlich der einzige Raum ist, der nicht durchsucht wird, weil sich dort bis auf Tische, Stühle und ein großer Monitor an der Wand, nichts weiter befindet.

»Jolene und Morgan wurden heute morgen von der Polizei in Gewahrsam genommen«, erklärt Amber dankenswerterweise für mich, weil es für mich große Anstrengung bedeutet, das so deutlich auszusprechen. Es ist einfach noch viel zu surreal für mich, um das glauben zu wollen. Vor allem, wenn ich an Jolenes lässige Reaktion denke. Wie konnte sie dabei noch so entspannt und selbstsicher sein?
»Ihnen wird Steuerhinterziehung vorgeworfen.«
»Ein Glück haben wir dich«, antwortet Ian schmunzelnd, aber Amber schüttelt lediglich den Kopf.
»Ich kann nicht helfen«, sagt sie. »Meine gesamte Kanzlei ist wegen Betroffenheit kaltgestellt. Sie durchsuchen auch unsere Räumlichkeiten.«
Ian sieht sie fassungslos an. »Wie kommen sie überhaupt darauf, wir hätten Steuern hinterzogen?«, fragt er aufgebracht, während er zur Tür geht und auch Brandon und Cormack dazu bestellt. »Und wieso greifen sie direkt so hart ein, ohne uns vorher zu überprüfen und uns die Möglichkeit zu geben, uns zu äußern, falls da etwas nicht korrekt ist?!«
»Da müssen wir ansetzen«, berichtet Amber. »Der Beschluss hätte so nicht ausgestellt werden dürfen.«
»Du kennst sicherlich jemanden, der dich vertreten kann, oder?«, fragt er hoffnungsvoll. »Du und deine anderen drei Anwälte. Ihr seid die besten in Florida ... wenn nicht sogar in ganz Amerika.«
Amber sieht mich einen Moment an und nimmt einen tiefen Atemzug. »Wir waren eben bei meinem Ex-Mann.«
Alle drei Männer sehen sie zunächst überrascht an, dann verändert sich ihr Ausdruck in pure Skepsis.
»Das werden unsere Ladys niemals erlauben«, zischt Cormack. »Vor allem nicht Morgan.« Bedeutend sieht er Amber an.
»Ja, vermutlich. Aber wir kennen auch Jolene. Sie wird niemanden wollen, der nicht mal im Ansatz an mich heran kommt. Terance ist der Einzige, den ich kenne, der uns hierbei schnell und effektiv helfen kann«, rechtfertigt sie.
Die Männer bleiben skeptisch und zeigen deutlich, wie sehr sie daran zweifeln.
»Habt ihr eine bessere Idee?«, zischt Amber und sieht jedem einzelnen in die Augen.
»Nein«, gesteht Ian und seufzt. »Aber wir müssen damit rechnen, dass Jolene alles auf links dreht, sobald sie wieder raus ist.«
»Dann ist das so«, mische ich mich ein. »Aber sie wäre immerhin wieder frei und handlungsfähig.«
Alle nicken zustimmend, wenn auch genauso unzufrieden, wie ich.

»Wie geht es dir?«, fragt mich dann Cormack mit sanfter Stimme und legt seine Hand auf meine Wange, während er mir direkt in die Augen sieht.
»Wie es mir in solch einer Situation nunmal gehen kann, aber ich versuche, die Fassung zu behalten.«
Cormack nickt und lächelt dann lieblich. »Wir werden nicht tatenlos bleiben«, verspricht er. »Sobald diese Leute ihre Ärsche hier raus bewegt haben, legen wir los. Bilson, der Staatsanwalt und der Richter, der das erlassen hat ... wir werden sie ordentlich durchleuchten.«
»Hoffen wir, sie haben euch nichts untergejubelt, während wir hier stehen«, wirft Amber skeptisch ein.
»Ich habe den Aufnahmeknopf gedrückt«, berichtet Ian. »Sowohl den der Kameras, als auch den unserer Überwachungssoftware. Jeder einzelne Schritt, jede Mausbewegung, jeder Klick, jeder Tastendruck - alles wird aufgezeichnet.«
»Gut.« Amber atmet erleichtert auf.
»Ich bin für dich da, Cait«, sagt Cormack mit unveränderter Stimme. »Wenn du Hilfe brauchst ... im Haus, bei den Kindern, wo auch immer ... du bist nicht alleine und du musst das auch nicht alleine stemmen.« Sein Blick wird eindringlich, um mir zu sagen, wie ernst er das meint und ich nicht versuchen soll, es ohne Hilfe zu meistern.
Deshalb nicke ich lediglich und lasse mich von ihm in den Arm nehmen.

Jolene (+Family)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt