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SCHMELLE
Lukasz war erneut komplett zusammengebrochen, als ich gehen musste. Ich hatte versucht zu verhandeln, aber es war nichts zu machen. Sie mussten ihm Beruhigungsmittel spritzen, da er eine Panikattacke hatte. Es tat mir so weh, ihm nicht im Arm halten zu dürfen. Ich wollte bei ihm sein! Mats kam wieder zu mir. Lukasz Eltern waren auf dem Weg. Kuba war auf dem Weg nach Deutschland um zu übersetzen. Wir waren alle da, um meinen Freund zu helfen. Vielleicht konnten wir herausfinden, was diese Angst bei ihm auslöste und ihm helfen. Stephan kam zu uns. ,,Also, er schläft jetzt, wir haben ihm Beruhigungsmittel gespritzt, das lässt ihn bis morgen schlafen. Das heute war
bezeichnend für seine Situation. Er ist höchst instabil. Ich habe die Befürchtung, dass da noch was auf uns zukommt". ,,Was meinst du damit?" ,,das Lukasz eine ganze Weile brauchen wird um diese Angst zu besiegen".  ,,Was kann ich machen, dass es ihm besser geht?" ,,die Stunde die ihr zusammen habt pro Tag, nutz sie einfach um ihm soviel Liebe wie möglich zu geben". ,,Wieso nur eine Stunde?" Stephan seufzte und setzte sich neben Mats. ,,Aus zwei Gründen. Erstens: Du musst dich auch erholen. Und zweitens Lukasz tendiert zu einer emotionalen Abhängigkeit von dir gekoppelt mit seinem starken Verlustängsten. Wir müssen das durchbrechen um  eine Chance zu haben, seine Angst zu besiegen". ,,Wie emotional abhängig was heißt das?" ,,er wird abhängig von dir. Also nicht finanziell oder weil ihr Kinder habt oder so, sondern emotional. Er wird sich nicht von dir lösen können. Du bist momentan sein einziger Lebenssinn. Wie erkläre ich das am besten? Als ich dir erzählt habe, dass Lukasz versucht hat sich das Leben zu nehmen wie hast du dich dabei gefühlt?" Ich schluckte, ,,panische Angst um meinen Freund...ich hatte noch nie so eine Panik um ihn". ,,Okay genau das fühlt Lukasz, wenn du nicht in seiner Nähe bist... immer und rund um die Uhr. Wenn du dann bei ihm bist, dann versucht er alles um dich nicht zu verlieren. Er gibt dafür Stück für Stück seine Persönlichkeit auf. Er wird dir immer zustimmen, um keinen Streit zu provozieren. Die Entwicklung sehe ich wenn wir nichts unternehmen. Das ist eine Art emotionale Abhängigkeit mit einer Verlustangst, die Ich so noch nicht erlebt habe in meinen 20 Berufsjahren. Die ist bereits klinisch und gekoppelt mit Depressionen schwer zu berechnen.  Der erhöhteb Alkoholkonsum den er zeigt, kann auch darauf zurückgeführt werden, er kommt nicht mehr mit seinen Gefühlen zurecht und versucht sie zu betäuben, wenn sie
kommen. Genau deswegen eine Stunde am Tag, weil wir an seiner Angst arbeiten müssen und ihn aus der bereits leichten Abhängigkeit zu dir lösen". ,,Okay, aber kann ich da nicht irgendwas machen?" Stephan schüttelte den Kopf. ,,Nicht wirklich, du kannst aber bei den Gesprächen dabei sein,die wir mit ihm führen. Vielleicht erreicht er so das Gefühl von Sicherheit und redet dann,Wir werden auch mit seinen Eltern und Kuba. sprechen um mögliche Auslöser zu finden und zu beseitigen". ,,Und er ist jetzt wirklich in Sicherheit?" ,,Ja, ist er. Wir werden ihn nachts mit Beruhigungsmittel zum Schlafen bringen und dann tagsüber wird er an ein EKG angeschlossen, dass  kleinste Änderungen beim Herzschlag meldet und wir sofort reagieren. Er wird lückenlos überwacht. Ihm kann nichts passieren, vor allem jetzt nicht wenn er weiß das du eine Stunde pro Tag zu ihm kommen darfst, das du nur eine Nierenentzündung hast". ,,Okay und was sollte die Aktion das ich im Koma liege?" ,,Wir wollten ihn aus der Reserve locken, dass er so heftig reagiert war nicht abzusehen, vor allem nicht das er an Markus' Tasche geht und sich die Tabletten
rausholt". ,,Ja...ich will einfach nicht, dass er weiter kaputt geht". Stephan sah mich direkt an. ,,Es wird zunächst schlimmer bevor es besser wird".   Wie schlimm?" ,,schlimm. Er wird leiden. Er wird es wieder versuchen". ,,Wie lange wird das dauern?" ,,Das kann ich dir nicht beantworten. Ein paar Wochen", ,,Wochen?" fragte ich lauter als ich es beabsichtigt hatte. Lukasz sollte nicht leiden, vor allem nicht über Wochen. Das hatte er nicht
verdient. ,,Schmelle, wir haben keine Wahl. Wir machen es hier und haben es unter Kontrolle oder wir machen es draußen, wo er einfach verschwinden kann und wir nicht mehr nachvollziehen können, wo er
steckt". ,,Ich will nicht das er leidet", ,,Ich doch auch nicht! Aber diese Stunde wird ihm Kraft geben, das durchzustehen". ,,Ich will mehr als eine Stunde". Stephan seufzte, ,,wir besprechen das, vielleicht können wir uns auf zwei Stunden einigen". ,,Okay, aber ich...ich will nicht das ihm etwas passiert, oder das er leidet oder so", Ich vergrub mein Gesicht in meinen Händen.
{Später}
Es war mitten in der Nacht, kurz vor Mitternacht. Ich konnte  nicht schlafen. Die Ereignisse des Tages ließen mich nicht los. Ich hätte ihn beinahe  verloren. Ich hätte meine große Liebe beinahe verloren. Dieser Gedanke...als würde man mir ein Messer ins Herz rammen, immer und immer wieder. Als würde mir der Boden unter den Füßen weggezogen werden, als würde ich ertrinken. Ohne Lukasz  würde ich nie wieder glücklich werden können. Was ich auch nicht mehr könnte. Er war hier. Er war im selben Gebäude und er brauchte mich, aber ich konnte ihn trotzdem nicht in meinen Armen wissen. Ich konnte mich nicht davon überzeugen, dass es ihm gut
ging, dass er noch lebte und mich anstrahlte, mir morgens ein  verschlafenes guten Morgen gegen die Lippen nuschelte, mich küsste und  sich an mich rankuschelte, nicht aufstehen wollte...wenn wir das überstehen würden, dann würden wir zusammen in den Urlaub fahren. Nur wir zwei. Unser Hotel, unser Zimmer, mit unserem Film, unserem Essen....der Raum in dem wir zusammengekommen sind. Ich scrollte durch Mein Handy. Edin war noch online...,,Bist du noch wach?" schrieb ich ihm. Blaue Hacken. ,,Ja. was ist los?" ,,Lukasz hat versucht sich das Leben zu nehmen". ,,Verdammt! wie geht es ihm? isr er
verletzt?" ,,Es ist unverletzt, aber es geht ihm richtig schlecht. Du hast doch so einen guten Draht zu ihm. Weißt du, wieso er Angst vor Krankenhäusern hat? Bei uns blockt er vollkommen ab, was das
angeht". ,,Nein keine Ahnung tut mir leid".

Piszczek und Schmelle HindernislaufWo Geschichten leben. Entdecke jetzt