Numero Tre

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P.O.V. Caralina

Ich renne um mein Leben. Den Karton mit den nicht verkauften Bildern und dem heute eingenommen Geld an mich gepresst, sprinte ich durch das nächtliche Rom. Nur spärlich beleuchten einzelne Laternen die Straße, aber ich kenne mich hier zum Glück aus. Ich meine zwischendurch Schritte hinter mir zu hören, doch ich riskiere keinen Blick zurück, um meine Geschwindigkeit bloß nicht zu verringern.

Der Haargummi, welcher meine Haare während des Abends locker in meinem Nacken zusammengehalten hat, löst sich immer weiter und schließlich scheine ich ihn verloren zu haben, denn auf einen Schlag fallen mir meine widerspenstigen, dicken Locken in mein Gesicht und erschweren so meine Flucht.

Ich biege noch zweimal ab und springe schließlich hinter eine kleine Mauer, in einen noch kleineren Vorgarten und warte dort schwer keuchend ab.

Eine Minute, zwei Minuten vergehen, aber um mich herum bleibt es ruhig, die Luft scheint tatsächlich rein zu sein. Ich habe es geschafft.

Abgekämpft lehne ich meinen Kopf an der Mauer hinter mir an, schließe meine Augen und atme einmal tief durch, um meine Lungen so mit dem dringend benötigten Sauerstoff zu füllen. Was für ein Abend.

Erst war ich viel zu spät aus der Uni weggekommen, weil mein Professor, uns noch Unmengen an extra Arbeit aufgehalst hatte, dann hatte Signor Unbekannt mein Herz kurzzeitig aussetzen lassen, als alle meine Werke zu Boden gingen und schließlich noch die spektakuläre Flucht vor der Polizei nach unserem eigentlich so erfolgreichen Abend.

Langsam, wie eine alte Frau ächzend, stemme ich mich nach einigen weiteren vergangenen Minuten nach oben, um meinen endgültigen Heimweg anzutreten.

Während ich nun in gemächlicheren Schritten Nachhause gehe, kreisen meine Gedanken weiter um den mysteriösen Mann, den ich vorhin kennengelernt hatte.

Trotz meiner Ablehnung und schroffen Art, hatte er sich partout nicht abschütteln lassen und obwohl ich es nie zugegeben hätte, war ich von seiner Hartnäckigkeit beeindruckt. Das Funkeln seiner Augen, als er das erste Mal den Markt gesehen hatte, oder seine ehrliche Freude, bei jedem Verkauf meiner Bilder werde ich nicht so schnell vergessen.

Ich merke, wie sich wie automatisch bei dem Gedanken an ihn, ein Lächeln auf meine Lippen gelegt hat. Tatsächlich bin ich so in Gedanken versunken, dass meine Füße die letzten Meter fast selbstständig erledigen und ich überrascht bin, dass ich einige Augenblicke später schon vor dem passenden Hauseingang stehe.

Ich krame meinen Schlüssel hervor, bevor ich mir Einlass zu dem in die Jahre gekommenen, muffigen Hauseingang verschaffe. Im Treppenhaus angekommen, schleiche ich auf Zehenspitzen die alte, knarzende Treppe hinauf, überspringe Stufe drei, sieben und zehn, welche besonders laut quietschen und schaffe es so irgendwie bis in den dritten Stock.

Hinter der schmalen Tür, von der die weiße Lackierung schon seit längerem in unregelmäßigen Abständen abbröckelt, erreiche ich endlich das kleine Reich meiner Mitbewohnerin Alessia und mir.

Es geht auf halb drei Morgens zu, als ich in den schmalen Flur unserer Wohnung trete, meinen Schlüssel auf die windschiefe Kommode an der Seite platziere und meine Schuhe abstreife. Eine nackte Glühbirne an der Decke spendet mir weißes Licht und ich probiere mich so lautlos wie möglich zu bewegen, um meine Mitbewohnerin nicht zu wecken.

Ein Blick nach links in die beengte Küche zeigt mir, dass auf unserem in die Jahre gekommenem Herd tatsächlich noch ein kleiner Topf steht, in dem eine Portion von Alessias berühmter Pasta auf mich wartet.

Bei dem Gedanken daran knurrt mein Magen begeistert und gewinnt den Kampf gegen mein Gewissen, keinen Lärm mehr zu machen.

Seufzend lösche ich das Licht im Flur und trete dafür in die Küche ein, um dort das etwas dezentere Küchenlicht anzumachen.

Accusa Ingiusta (Ethan Torchio | Måneskin) ✅️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt