6. Kapitel- Nicht Erschrecken!

2.8K 190 10
                                    

Die Sonne begrüßte mich mit ihren warmen Strahlen, als mein lauter, schriller Wecker zur klingeln begann. Ich öffnete blinzelnd die Augen, zog mir das Kissen über den Kopf und versteckte mich für einige Sekunden, bis mir das Schellen so auf die Nerven ging, dass ich meine Hand ausstreckte um die metallisch-blaue Uhr zu ertasten. Ich war noch sehr müde, hatte schlecht geträumt und dadurch nicht gut geschlafen. Nachdem ich den Störenfried endlich aus bekommen hatte, seufzte ich leise. Ich drehte mich auf den Rücken und ließ das weiche Kissen auf meinem Gesicht liegen. Nur noch eine Minute, dann würde ich ganz sicher aufstehen! Ich schloss die Augen noch einmal. Nur kurz ausruhen...
Nach einer halben Stunde rannte ich dann zur Arbeit, verschlafen. Wer kennt das nicht? Wenn man allein wohnt, wie ich es tat, war es immer noch ein Stück schlimmer mit dem Liegenbleiben. Man hat niemanden, der einen noch wecken könnte, doch wie die meisten lernte ich einfach nicht daraus. Schnell hatte ich mir zu Hause noch einen Kaffee eingeflößt, war unter die Dusche gesprungen und hatte mir das erstbeste angezogen, was ich gefunden hatte. Ich mochte Stress nicht, wirklich nicht, doch Aufstehen war ja fast noch schlimmer!
Keuchend kam ich am Laden an. Ich ärgerte mich, denn bei der Eile hatte ich nichts von meinem Weg hier her mitbekommen. In diesem Moment war ich genau, wie all die anderen Hetzenden. Na toll.. Ich atmete einmal tief durch und schaute mich auf dem Fußweg um. Nicht viele Leute waren unterwegs, kein Wunder, zu der Uhrzeit. Viele schliefen noch, nur ich musste bereits auf Arbeit. Wir öffneten zwar erst in einigen Stunden, jedoch war es nun mal ein zwei-Mann Geschäft und wir konnten uns keine Putzfrau leisten, weshalb ich den Laden sauber halten musste und dazu gehörte eben, jeden Morgen gründlich zu wischen. Klar bekamen wir viel Kundschaft, doch die Miete für den Laden war hoch und die alten Bücher erst einmal zu bekommen sehr kostspielig.
Mein Blick erhob sich zum Himmel. Graue, dunkle Wolken schwebten über der Stadt. Sicher würde es im Laufe des Tages noch regnen. Oh, hoffentlich hielt das unsere Kundschaft nicht davon ab, zu uns zu kommen. Leise ließ ich den rostigen Schlüssel in die alte Tür gleiten und öffnete sie. Wieder einmal war ich völlig hin und weg von dieser Atmosphäre. Vorsichtig schloss ich die Tür hinter mir, ließ den Schlüssel in der Tasche verschwinden und begann mit meinen morgendlichen Riten. Ich streichelte die Bücher und roch ihren schönen Duft. Lächelnd schloss ich die Augen, genoss den Moment, bevor ich mich an die Arbeit machte.
Ich stellte mir einen Eimer hin und begann zu Wischen. Die Wanduhr zeigte mir, dass ich noch etwas Zeit hatte, also beeilte ich mich nicht gerade. Ich stand vor dem Eimer und wrang den Lappen aus, mit dem ich das Parkett noch poliert hatte. Ich putzte eigentlich gern, nur zu Hause hatte ich dafür nie Zeit. Nunja, hier im Laden machte es eh mehr Spaß. Ich lebte ja quasi für das hier. Dieses Geschäft war alles, was ich hatte und ich war sehr stolz darauf hier arbeiten zu dürfen. Mein Blick glitt zu den Büchern und ich begann mit träumen. Was, wenn der Chef einmal nicht mehr war? Soweit ich wusste hatte er weder Frau noch Kinder. Wer bekam diesen Laden hier dann? Ob er, wenn ich ihn danach fragte, ihn mir vielleicht vermachen würde? Ich kam ja gut mit dem Chef aus und wir mochten uns sehr, hatten fast eine kleine Vater-Sohn Beziehung, da hätte er doch sicher nichts gegen, oder?
Völlig in Gedanken versunken, bemerkte ich weder den Regen, der von draußen an die Scheibe prasselte, noch das Schellen der Türglocke. Ich stand noch immer da und wrang den Lappen aus. Das „Hallo?“ der Männerstimme hinter mir, nahm ich auch nicht wahr. Erst, als mir jemand auf die Schulter tippte, erwachte ich schlagartig aus meinen Fantasien. Ich zuckte zusammen, sprang einen Schritt vor und stolperte prompt über den Eimer. Laut kippte er um und ich lag auf dem Boden. Panisch fuhr ich herum. Etwa ein Einbrecher!? Doch wen ich da erblickte war kein Bösewicht, obwohl... Alex sah mich von oben herab an und ich lag da, nass vom Putzwasser. Nicht einmal hoch helfen wollte er mir anscheinend! Nett. „Ich hab mich fast zu Tode erschreckt.“, sprach ich leise, doch meine Stimme war kaum lauter, als ein Flüstern, dennoch scharf wie Rasierklingen. Ich war verdammt sauer auf den Typen! Jetzt guckt euch doch nur mal um! Alle nass, ich gleich mit. Wechselsachen hatte ich hier auch keine und erst der Boden?! Wie sollte ich den denn noch so schnell trocken bekommen? Wütend sprang ich auf und stampfte in die Angestellten-Toilette, holte das Handtuch heraus und begann den Boden damit zu trocknen. So viele Handtücher gab es hier nicht und das kleine grüne in meiner Hand war bereits jetzt pitschnass.
Während ich mich hier bemühte Alex' Schlamassel auszubügeln, stellte der Typ einfach nur seinen Schirm an der Kasse ab und sah mich genervt an. Okay, er sah gut aus, doch das gab ihm noch lang nicht die Erlaubnis, mich hier so zu Erschrecken! Dieser..! Auf einmal spürte ich etwas Warmes um meine Schulter. Ich schaute auf. Alex stand vor mir, hatte mir seine schwere, gefütterte Lederjacke umgelegt. Sie war so warm und gemütlich. Ich richtete mich auf und meinte leise: „Die wird nass.“ „Egal. Behalt' sie einfach. Wann kommt dein Chef?“, entgegnete er mir und seine Stimme klang so kalt, seine Augen wirkten so distanziert. Der war echt merkwürdig. „Danke.“, murmelte ich und senkte den Blick. Naja, nun hatte ich wenigstens einen Shirt-Ersatz, doch eine trockene Hose bescherte mir das dennoch nicht! Mein Hintern war ganz nass und das fühlte sich nicht so lecker an. Ich musste Heim und mich umziehen, doch erst musste ich diesen dummen Boden trocken bekommen! Schnell suchte ich mir Taschentücher und versuchte mein Glück damit. „Erst in Stunden.“, antwortete ich nebenbei. Plötzlich erklangen die Glocken der Wanduhr und ich fluchte leise auf. Verdammt! Jetzt müssten wir eigentlich aufmachen und sowohl ich als der Boden waren dafür alles andere als bereit. Mein Blick wandte sich zu Alex. Wieso stand der denn da einfach so herum!? Na toll... was sollte ich jetzt denn bitte tun!?

Liebe?! Lieber nicht! ||Boyslove Yaoi~♡Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt