54. Kapitel- Küss mich doch!

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„Du musst gehen!" Mit diesen Worten knallte ich meinem Freund die Tür gleich wieder vor der Nase zu und biss mir heftig auf die Unterlippe. Verdammt! Was sollte ich denn jetzt tun?! Der hatte mir wirklich gerade noch gefehlt! „Eh... Isaac?", hörte ich seine deutlich verwirrte Stimme vom Hausflur und fuhr panisch umher. Was nun? Was jetzt?! Ich musste ihn los werden, ganz klar! Ein Abendessen mit ihm, in meinem Zustand? Das würde ich nie im Leben überstehen! „Isaac?" Ich nahm die Hände vors Gesicht, um mich besser konzentrieren zu können, und überlegte fieberhaft, wie ich es denn nun schaffen sollte, Kai abzuwimmeln. Da fiel es mir plötzlich wie Schuppen von den Augen. Eine Ausrede musste her! Das war die perfekte Lösung dieser mir höchst suspekten Situation. Meine Rettung! So öffnete ich also die Tür erneut und fand einen, schon fast verstörten Kai vor. Es war nur verständlich, dass er schockiert über mein Verhalten war, doch alles war gut, denn nun kam ja meine erdachte Erklärung, für meine Reaktion ihm gegenüber, zum Einsatz. „Es tut mir leid. Ich hab vergessen einzukaufen. Das ist mir so peinlich.", meinte ich also und senkte meinen Kopf mit gespielter Reue. „Ach, ist doch kein Problem. Ich hab schon geahnt, dass du es vergessen könntest und hab bereits eine Kleinigkeit für uns besorgt.", winkte Kai freundlich ab und sein Lächeln brannte sich tief in meine Brust. Schwer schluckte ich, als er einen Schritt auf mich zu machte, doch stellte mich ohne zu zögern vor meine Tür. Ich wollte ihn nicht herein lassen! Ich durfte es nicht! „Ich bin aber gerade beschäftigt und Hunger habe ich auch keinen!", meinte ich nun, woraufhin Kai die Augenbrauen hoch zog. „Essen muss man aber! Sonst verhungerst du mir noch!", tadelte er mich und ich seufzte leise. „Komm, lass mich durch. Ich mach uns etwas Schönes zu Futtern und wir reden ein wenig über unseren Tag." Meine Augen weiteten sich. Oh verdammt! Ich sollte über meinen Tag reden?! Wow, das war ja eine super Idee- nicht! Was sollte ich denn sagen? Etwa 'Oh und übrigens weiß ich jetzt von Emi, dass du schon ewig in mich verliebt bist. Und, was war bei dir heute so los?' Ja, ganz toll! Genervt schnaubte ich und sah zu meinem Freund auf. „Geh bitte wieder.", bat ich ihn, doch er schob mich beiseite und trat über die Türschwelle. „Ey!", versuchte ich es abermals, als Kai bereits seine Jacke auszog und ein komplett weißes Shirt zum Vorschein kam. Keine Ahnung, seit wann er weiße Kleidung trug. Hatte er sonst auch nie. Jedenfalls erkannte daraufhin, dass es wohl nicht möglich war, Kai wieder aus meiner Wohnung zu bekommen, sodass ich es schließlich aufgab.
"Ich dachte so an Nudeln. Mit Tomatensoße? Würde dir das Zusagen?", fragte er, während er fröhlich in die Küche tapste und dort seine mitgebrachte Einkaufstüte auspackte. „Nein!", keifte ich ihn schon fast an, doch das schien ihn nicht die Bohne zu interessieren. „Fantastisch! Dann deck du doch schon 'mal den Tisch!" Ich knurrte ihn wütend an. Für wen hielt sich dieser Typ überhaupt?! Da traf mich auf einmal sein Blick und er musterte mich zum ersten Mal an diesem Abend. Auch ich sah an mir hinab und erschrak. Das ich noch immer nur in einem Handtuch vor ihm stand, hatte ich komplett vergessen. Sofort färbten sich meine Wangen blutrot, denn ich spürte ganz genau, wie er meinem nackten Oberkörper ansah und es war mir deutlich unangenehm, auch wenn ich es zu verstecken versuchte. Ob ihn mein Anblick erregte? Bei diesem Gedanken errötete ich nur noch stärker und beschloss, mich schleunigst anziehen zu gehen! „Entschuldige mich kurz.", sprach ich stotternd und flüchtete rasch aus dieser brenzligen Lage. Kai allerdings runzelte nur die Stirn, zuckte mit den Schultern und wandte sich den Nudeln zu.
Ich derweil rettete mich ins Badezimmer, zog die Tür fest hinter mir ins Schloss. Okay, folgender Plan: ,Ich beeile mich mit dem Ankleiden und dann bringen wir das Essen schnellstens hinter uns! Umso früher wir fertig sind, umso früher geht Kai wieder!' Mit diesem Gedanken vor Augen machte ich mich daran, meine Haare zu föhnen, bevor ich mir die bereit gelegten Kleidungsstücke überzog. Nun stand ich vor meinem kleinen Wandspiegel und versuchte mir noch ein letztes Mal Mut zuzureden, bevor ich da wieder raus ging. „Alles klar, Isaac. Du schaffst das! Höchstens eine Stunde, dann ist er weg. Reiß dich zusammen und lass dir bloß nichts anmerken! So schlimm wird es doch wohl nicht werden! Alles gut, die Zeit wird schneller vorüber gehen als gedacht!", flüsterte ich zu mir selbst, damit mich Kai auch ja nicht hören würde und verließ dann mein sicheres Versteck. Oh Gott, hoffentlich würde ich das nicht bereuen.
Vorsichtig schielte ich um die Ecke, ins Wohnzimmer. Keine Spur von Kai. So setzte ich also zögernd einen Fuß vor den Nächsten und schritt langsam Richtung Küche. Dort blieb ich im Türrahmen stehen und stockte überrascht, als ich Kai dort am Fenster stehen sah, mit einem Bilderrahmen in der Hand. Das Bild in diesem zeigte uns beide, wie wir als Kinder im Freibad badeten. Vom Beckenrand hatten wir damals dieses Foto geschossen. Es war verwackelt und eine Ecke wurde von meinem Daumen verdeckt. Ich schmunzelte bei den Gedanken an diesen wunderschönen Tag und auch auf Kais Lippen lag ein weiches Lächeln. „Das war echt ein Erlebnis, dass man nie vergisst. Wie du da auf diesem Sprungturm standst.", sprach er da plötzlich, doch ich musste lachen. „Ja und wie du mich retten gekommen bist!", fügte ich hinzu. Zu witzig war diese Erinnerung, als das ich mich hätte nicht freuen können. „Dabei hatte ich selbst total Angst vor dem Sprung.", Kai hielt Inne. „Doch mit dir war es gar nicht schlimm. Mit dir hat es sogar Spaß gemacht.", fügte er leise hinzu und sah auf. Ich hingegen senkte den Blick. So viel Wärme. Dass er so etwas laut aussprechen konnte und ich- obwohl ich es genauso sah- nicht, was sagte das über uns aus? Das er dazu stand und ich nicht? Schämte ich mich für meine Gedanken, meine Gefühle? Oder noch schlimmer, hatte ich Angst davor, sie auszusprechen? Nein! Ich doch nicht! Als ob! „Ging mir auch so.", meinte ich dann also und hob die Nase hoch. Pah! Ich und Angst vor so einer Lappalie?! Ich schaute unauffällig zu meinem Freund hinüber um zu erfahren, ob er sich über diese Aussage lustig machte, doch wurde ich erneut überrascht. Denn anders als erwartet, lachte Kai nicht, nein, er wandte sich mit roten Wangen von mir ab und ich schluckte schwer. Stimmt ja, er hegte Gefühle für mich. Das hatte ich für eine Sekunde ganz vergessen. Wütend schüttelte ich den Kopf, schnappte mir die Teller, sowie das Besteck und machte mich daran, den Wohnzimmertisch einzudecken. Wollte ich ihn also vergessen, konnte ich es nicht und nun?! Nun stand er vor mir und es funktionierte auf einmal?! Was sollte das?! Das konnte doch nicht wahr sein!
Seufzend schüttelte ich den Kopf und schmiss die Teller schon fast auf die Tischplatte. 'Ganz ruhig, Isaac! Nicht vergessen, du darfst dir nichts anmerken lassen!', sprach ich erneut zu mir selbst und versuchte mich somit etwas zu beruhigen, was mir allerdings- wer hätte es gedacht- kaum gelang. Hach, ja. „Das versprach ein gigantisch toller Abend zu werden.", murmelte ich außerdem, den sarkastischen Unterton nicht mal versucht zu verstecken. Ich hatte die Nase voll. Er sollte gehen! Jetzt! Ich legte die Gabeln und Löffel neben unsere Teller und ließ mich seufzend auf die Sitzpolster meines Sofas fallen. Der Tag war doch schon lang genug gewesen! Wieso das jetzt noch?! Das Schicksal musste mich doch wohl mehr als nur hassen! „Essen ist fertig!", trällerte Kai aus der Küche, fröhlich wie eh und je. „Argh!", stieß ich leise auf, ließ mich zur Seite fallen und zog mir ein Kissen über den Kopf. Was, wenn ich mich jetzt einfach schlafen legen würde? Würde ihn das vertreiben? Nein, vermutlich würde er sich dazu legen, wie er es eben immer getan hat. Aber von dem heutigen Tag an war nichts mehr wie sonst. Alles hatte sich geändert. War es das, worauf Kai Angst hatte? War das der Grund, weshalb er es mir nicht erzählt hatte? Dabei fand ich den Fakt an sich- also dass er in mich verliebt war- gar nicht so störend, wie manche jetzt vielleicht annehmen. Es war eher seine Heimlichtuerei und vor allem meine Reaktion darauf, die mich daran hinderten ihm nah zu kommen. Ich wusste einfach nicht mehr, wie ich mich verhalten sollte. Ich war so durcheinander, konnte meine Gedanken nicht gescheit ordnen, war überfordert und wollte einfach allein sein. „Ach Isaac, was ist denn los?", mit diesen Worten ließ sich mein Freund neben mir nieder und stellte den Nudel-Topf auf der Platte vor uns ab. Sanft strich er mir über den Rücken, was mir in dieser Situation natürlich gar nicht passte, doch ich war einfach nicht in der Lage, seine Hand wegzuschlagen. Diese Berührung fühlte sich so vertraut und schön an, dass ich mich kaum noch bewegen konnte, doch dennoch war es falsch. Ich durfte mich nicht so verhalten. Das verletzte ihn doch nur noch mehr. „Hey, ich hab dir bisher doch bei jedem Problem geholfen. Also, was ist?", meinte Kai so lieb wie eben immer und er hatte vollkommen Recht. Ja, er hatte mir bei jedem Problem geholfen, jedem Kummer den ich hatte, doch dieses Mal war das wohl nicht möglich. Dieses Mal konnte er mir nicht helfen. Es tat mir leid, doch ich konnte es ihm nicht sagen. Nicht, bevor ich für mich selbst eine Antwort gefunden hatte. „Ich hol die Tomatensoße.", entgegnete ich also leise, erhob mich und trottete in die Küche. Ich musste mich zusammen reißen! Ich durfte meinem Freund nicht noch mehr wehtun! So holte ich also besagten Soßentopf und wir begannen mit speisen. Einen Film zu schauen hatte Kai abgelehnt, hoffentlich nicht um mit mir plaudern zu können. Diese Hoffnung wurde jedoch kurz darauf zerstört, als mein Freund anfing, über seinen Tag zu reden, was an sich nicht schlimm war, doch danach würde wohl ich an der Reihe sein zu erzählen und das konnte ich unmöglich tun! Er redete und redete und um ehrlich zu sein, lauschte ich seinen Worte kaum. Eigentlich mochte ich es, ihm zuzuhören, doch heute bekam ich das einfach nicht hin! Ich konnte ihn einfach nur anstarren, ohne einen Bissen vom Essen zu nehmen und beobachtete wie sich seine Lippen beim Sprechen bewegten. Ich fühlte mich wie in Trance, da betrachtete er mich plötzlich und seine Augen trafen direkt auf meine. Er schien zu warten. Hatte er mich etwas gefragt? Ach, egal. Die Farben seiner hellen Iris nahmen mich gefangen und ich wollte nicht mehr darüber nachdenken, was er oder irgendjemand anders gesagt oder getan hatte. Es war mir in diesem Moment so furchtbar egal, wie sonst nichts anders. Ich wollte ihn einfach nur ansehen. Da beugte er sich plötzlich vor und ich erschrak ein wenig. Wollte er mich etwa küssen? Ich schluckte schwer, fürchtete mich ein wenig, dennoch -und fragt mich nicht warum, denn das weiß ich bis heute nicht- schloss ich meine Augen und wartete auf seine sanften Lippen. Dann allerdings fühlte ich etwas anders in meinem Gesicht. Etwas Weiches, doch auch haariges. Irritiert öffnete ich meine Lider und fand Kais Hinterkopf an meiner Wange wieder. Er streckte sich nach der Taschentücher-Packung neben mir. „Danke fürs Herüberreichen.", meinte er dann ironisch seufzend, als er sich erreicht hatte und zu sich nahm. Ich hingegen starrte ihn nur geschockt an. Bitte was?! Augenblicklich realisierte ich meine Situation und lief hochrot an. Er wollte mich gar nicht küssen? Er wollte einfach nur ein Taschentuch und kam nicht heran, weswegen er mich gefragt hatte, ob ich es ihm reichen konnte. Ich hatte nicht reagiert, da hatte er es sich selbst geholt. Er wollte mich gar nicht küssen! „Ist was?", fragte Kai und ich zuckte zusammen. „Nein! Gar nichts!", fiepste ich hastig und begann damit, mir die Nudeln in den Mund zu schaufeln. Oh Gott! Wie peinlich war das denn bitte?! Ein Glück hatte Kai nichts mitbekommen! Das hätte auch viel schlimmer ausgehen können! Während ich eine neue Ladung Nudeln auf die Gabel drehte, schielte ich jedoch noch einmal zu meinem Freund hinüber. Und nur für einen einzigen Moment wünschte ich mir, er hätte mich doch geküsst. Nur einmal, damit ich wusste, dass es sich genauso schön anfühlte wie beim ersten Mal. Nur, damit ich wusste, wie wunderbar es war, ihm nah zu sein. Nur, damit ich seine weiche Haut an meiner spürte, damit ich mich in seine starken Arme fallen lassen konnte. Nur ein einziges Mal.

Liebe?! Lieber nicht! ||Boyslove Yaoi~♡Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt