57. Kapitel- Heimat

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Das Prasseln des Wassers erfüllte den Raum und in wohlduftender Geruch von Duschgel und Shampoo lag in der Luft. Sanft rannen die Tropfen über meine nackte Haut und erfüllten mich mit nasser Wärmer. Es lag schon einige Tage zurück, dass Mike mich besucht und mir die Augen über meine Gefühle geöffnet hatte. Seitdem war nicht viel geschehen. Ich hatte mich Daheim verschanzt, mich hinter meinen geliebten Büchern verkrochen und viel zu viel nachgedacht, ohne auch nur ein brauchbares Ergebnis zu erzielen. Ich fühlte mich von der Welt allein gelassen und wusste nicht weiter und genau deshalb blieb mir gar nichts anderes übrig, als das hier zu tun. Ein leises Keuchen verließ meine Lippen. Ich brauchte Kai gerade sehr, wollte einfach wissen, dass er da war. Natürlich konnte ich ihn schlecht anrufen und nach Rat fragen, darum musste er auf einer anderen Art bei mir sein. Und das war er, in diesem Moment fühlte ich ihn so nah bei mir, wie nie zuvor. Erneut stöhnte ich leise auf und kniff die Augen zusammen. Unter der Dusche zu stehen und so etwas zu tun, das sah mir alles andere ähnlich, doch was sollte ich tun? Ich brauchte meinen Freund jetzt einfach! So umgriff ich den Schaft meines Gliedes und zog das Tempo meiner Bewegungen etwas an. Immer wieder fuhr ich mit der Hand auf und ab, bewegte meine Hüfte zögerlich dagegen. Es fühlte sich wie damals an, als ich auf dem Sofa gelegen hatte, nur schien es heut viel intensiver zu sein. Vielleicht lag es daran, dass ich nun komplett nackt war oder aber, es war, weil sich meine Lippen an den Kuss mit Kai erinnerten. Gedanklich sah ich ihn vor mir, meinen Freund. Wie er mich lieb anlächelte und mein Haar streichelte. Meine Brust hob und senkte sich schnell, ich krümmte den Rücken. Zudem stellte ich mir vor, wie Kai sich zu mir beugte und mich sanft küsste. Unbewusst steigerte sich die Geschwindigkeit meiner Tätigkeit erneut und ich konnte mich kaum noch zurück halten. Fest krallte sich meine freie Hand in meinen Oberschenkel und ich warf den Kopf in den Nacken, um nun mit einem lauten Stöhnen meinen Höhepunkt zu erreichen. Das helle Sekret spritze gegen die Scheibe der Dusche, wo es dann langsam hinab lief, während ich erschöpft zu Boden sank und meinen, vor Erregung zuckenden, Körper an die kalten Wandfliesen, hinter mir, lehnte. Unglaublich, wie nah ich Kai bei mir spürte, wenn ich mich auf dieser Weise berührte. Klar, es war nicht gerade ein Handeln, auf das man hätte stolz sein können, doch ich brauchte es. Und ich bereute auch nicht, es getan zu haben. Nun fühlte ich mich besser, nicht mehr so allein, so nervös oder aufgewühlt. Kraftlos stütze ich meinen Kopf gegen die, schlicht gehaltenen Fließen. Sie kühlte meine benebelten Gedanken und verhalfen mir zu einem klaren Kopf.
Ich musste eine Entscheidung treffen. Nicht so eine leichte, wie, was man heute anziehen oder was man zu Abend essen sollte, nein, so eine war das nicht. Diese Entscheidung würde das ganze Leben verändern, nicht nur meins, sondern auch das meines besten Freundes. Es ging um die Frage, eine jahrelange Freundschaft aufs Spiel setzten zu wollen, um vielleicht etwas noch viel Schöneres zu bekommen. Doch eben dieses 'vielleicht' bereitete mir Kopfschmerz. Seufzend erhob ich mich, ließ mich noch ein letztes Mal von der Brause über mir beregnen und reinigte die Duschwand, die ich beschmutzt hatte. Sollte man für eine solch unsichere Zukunft tatsächlich eine dermaßen tiefe Freundschaft aufgeben? „Wenn es nicht klappen sollte, mit der Liebe..." Ich schluckte schwer. „Dann würde Kai sich von mir abwenden." Ängstlich sah ich in den kleinen Wandspiegel meines Bades und erkannte mein Spiegelbild. Könnte ich dann je wieder glücklich werden? So ganz ohne meinen besten Freund. Stumm senkte ich den Kopf und griff nach einem Handtuch. Die Antwort auf diese Frage gefiel mir wohl ganz und gar nicht. Natürlich war ein Leben ohne den Menschen, der quasi meine ganze Familie war, undenkbar. Ohne Kai, was blieb mir da noch? Ein Beruf, meine Bücher? Ja, toll. Ohne einen Menschen, mit dem man das alles teilen konnte, war es nichts mehr wert. Ich hatte ja keine Eltern, denen ich von meinem Tag berichten oder die ich um Rat bitten konnte. Und dennoch, dank Kai hatte ich dieses Gefühl niemals vermisst. Dieses Gefühl von Geborgenheit und Heimat. Obwohl ich eine Waise war, hatte ich mich seit ich Kai kannte, niemals wie eine solche gefühlt. Er hatte das Licht und die Farben wieder zurück in mein Leben geholt und war einfach wie die Luft, die man zum Atmen brauchte. Ich durfte ihn auf keinen Fall verlieren! Rasch beugte ich mich hinab und fuhr mit dem Handtuch über meine Waden. Was mich außerdem noch beschäftige? Ob ich wirklich in Kai verliebt war. Verliebt? Was bedeutete das überhaupt? Ich richtete mich auf und rubbelte mit dem Handtuch über mein nasses, hellbraunes Haar, dass nach dem Versuch des Trocknens in alle, nur erdenklichen Richtungen, Abstand. Hieß das, ich war schwul? Oh Gott, diese Genugtuung konnte ich Emi doch nicht geben! Die würde dann sicher erst recht kein anderes Thema mehr kennen. Ich verzog das Gesicht und wandte mich von dem Spiegel ab um mich anzuziehen. „Dann bin ich eben nur Kai-sexuell. Fertig.", schmollte ich bereits und zog mir den Pullover meines besten Freundes über, den er irgendwann einmal hier vergessen hatte. Obwohl, ich und verliebt? Das konnte doch kaum sein. Und dann auch noch in Kai? Nein, sicher verwechselte ich da irgendwas und die Gefühle, die ich empfand, wenn er vor mir stand, waren nur von brüderlicher Abstammung. Da hörte ich plötzlich mein Handy vibrieren. Augenblicklich griff ich es mir und las auf dem Bildschirm: Eine entgangene Nachricht. „Oh, von Kai!", strahlte ich kurz darauf überglücklich, nur um dann zu stocken. Was war das denn bitte?! Ich freute mich über eine einfache SMS, nur weil sie von meinem Freund war? Schnell schüttelte ich den Kopf. Egal, egal! Erst einmal lesen, was in besagtem Text stand! „Ich bin jetzt Arbeiten. Hole dich in etwa siebzehn Uhr ab.", brachte ich mir seine geschriebenen Worte nah und meine erste Reaktion? Ein panischer Blick zur Uhr. Puh! Ich hatte noch etwas Luft, also alles im grünen Bereich. So fuhr ich also mit dem Ankleiden fort und begann anschließend damit, meine Haare unter Kontrolle zu bekommen. Ich versuchte es zumindest, aber hey, der Wille zählt ja bekanntlich.
Während ich nun also wie ein Verrückter, mit Kamm und Föhn bewaffnet versuchte, das mit den Haaren doch noch irgendwie hinzubekommen, dachte ich über den heutigen Tag nach. Viel zu schnell war die Zeit vergangen und ich hatte es beinah nicht glauben können, als doch wahrhaftig schon Samstag auf dem Kalender stand! 'Unmöglich!', hatte ich mir gedacht und noch immer hatte ich nicht den Hauch einer Ahnung, wie ich Kai gegenüber treten sollte. War es wirklich okay, unsere Freundschaft zu riskieren? Ich runzelte die Stirn. Was nützte es, sich immer wieder diese Frage zu stellen, wenn ich mir ja noch nicht einmal über meine Gefühle im Klaren war? Mit angespannten Gesicht gab ich mein Haar-Styling vorerst auf und beschloss, mich zunächst einmal um das Mitbringsel für die Feier zu kümmern. Es war selbstverständlich, zu einer Verlobung ein kleines Präsent mitzubringen. Ich hatte mich, da es wohl kein genaues Menü gab, für einen Obstsalat entschieden. Schön frisch und süß! Hierzu hatte ich sogar die schönsten Bananen, Erdbeeren, Trauben, sowie auch Äpfel besorgt! Stolz auf meine gute Vorbereitung, betrat ich lächelnd die Küche. So ein bisschen Ablenkung würde mir auch ganz gut tun! Mit diesen Gedanken fing ich also freudig an, die länglichen, gelben Früchte in kleine Scheiben zu schneiden. Ob sich Kai über ein Geständnis freuen würde? Klar, er war anscheinend in mich verliebt, doch vielleicht hatte es einen Grund, dass er mir nichts gesagt hatte. Vielleicht wollte er unsere Freundschaft nicht aufs Spiel setzten. Ich biss die Zähne zusammen. Toll, so viel zur Ablenkung. 'Sein Liebesgeständnis war sicher total niedlich! Kein Wunder, so oft wie er es schon geübt hat!' Ich schluckte schwer, als mir diese Worte wieder einfielen. Geübt. Nun, vielleicht hatte er doch die Absicht gehabt, mir von seinen Gefühlen zu erzählen, traute sich aber einfach nicht. Dann würde ich ihm ja einen Gefallen damit tun, es ihm als Erstes zu beichten. Oder? Aber wie? Und war es das Richtige? Tief atmete ich ein, sah auf die kleinen, grünen Kullern hinab, die ich gerade halbierte. „Kai, wir kennen uns jetzt schon so lang und ich glaube, vielleicht wäre es gut, wenn wir irgendwie mal ausgehen oder so?" Was zum?! Ich schüttelte wie wild geworden den Kopf. Also so konnte ich das auf keinen Fall sagen!! Das hörte sich doch total bescheuert an, ganz abgesehen davon, dass wir doch ständig zusammen aßen! Da hielt ich Inne und meine Augen weiteten sich. Hieß das, jedes gemeinsame Mahl war ein Date gewesen?! Augenblicklich färbten sich meine Wangen dunkelrot und ich sah stur zu den Früchten hinab. Ach nein, Quatsch Das hätte ich ja wohl bemerkt! Ich schluckte. So schnell durfte ich nicht aufgeben! Kai hatte doch auch für mich geübt! Also: „Du Kai, es ist so, ich denke, dass ich dich vielleicht lie.." Ich biss mir auf die Unterlippe. „Lie.." Ach verdammt! „Ich kann das nicht, man! Mag ja sein, dass es für Kai okay ist sowas zu sagen, aber für mich doch nicht!", wütend stieß ich Luft aus und wandte mich wieder meinem Salat zu. Es dauert auch gar nicht mehr lang, bis ich fertig war und mich nun meiner Kleiderwahl für den heute so feierlichen Anlass widmen konnte. 'Was Kai wohl anziehen wird?' Doch rasch verwarf ich diesen Gedanken wieder und nahm mir einfach ein weißes Hemd aus dem Schrank. Einen Anzug besaß ich nicht. Die Dinger waren viel zu teuer bei meinem Gehalt! Aber für die Hochzeit würde ich mir wohl einen besorgen müssen. Ich wischte mir den letzten Schlafsand aus den Augen. Würde Kai auch irgendwann heiraten? Ich schmunzelte. Also ich würde keinen Antrag annehmen, außer... erschüttert stockte ich, denn diese Einsicht ließ mir das Blut in den Adern gefrieren Außer er käme von Kai. Ich drehte mich weg. Nein nein! So war das nicht, ich war nicht in ihn verliebt! Auf keinen Fall, hoffentlich, vielleicht, bestimmt! Nachdem ich dann auch endlich geschafft hatte, meine Haare halbwegs ordentlich aussehen zu lassen, ging es auch schon los. Mit der großen Salatschüssel in den Händen, ging ich runter zur Straße, damit Kai nicht extra parken musste und dergleichen, sondern ich einfach nur ins Auto steigen konnte. Außerdem, in der Wohnung hätte ich es vor lauter Nervosität ohnehin nicht mehr länger ausgehalten, also war es doch die beste Lösung für alle, wenn ich hier unten wartete. Mit zitternde Atem spürte ich, wie mein Bauch zu schmerzen begann. Ein unangenehmes Kribbeln aus Angst und Aufregung machte sich in mir breit. Hoffentlich würde Kai bald auftauchen, denn lang hielt ich das sicher nicht mehr aus. In diesem Moment allerdings geschah es auch schon, ein mir nur zu gut bekanntes, kleines Auto bog in die Straße ein und fuhr zielsicher auf mich zu. Vor der Bordsteinkante machte es halt und ein, mit einem schwarzen Hemd gekleideter, gut gelaunter Kai stieg aus dem Wagen. „Hey, Isaac!", lächelte er mich warm an und das Kribbeln- ich sag's euch- das verschlimmerte sich nur noch um das hundertfache. Und trotzdem, ich war heilfroh ihn endlich wieder zu sehen. „Hallo, Kai..."

Liebe?! Lieber nicht! ||Boyslove Yaoi~♡Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt