19. Kapitel- Ich dachte, du magst das nicht

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Ich ließ die Tür hinter mir ins Schloss fallen, stand nun im Eingangsbereich meiner Wohnung. Weiter hatte ich es nicht geschafft, denn ich fühlte mich wie gelähmt. Man sollte meinen, ich sei nun traurig, wütend, würde weinen oder ähnliches, doch nein. Nichts von alledem traf zu, denn allmählich hatte ich mich an dieses Gefühl gewöhnt. Das einzige, was nun immer mehr zum Vorschein kam, war diese Leere, die sich langsam begann, durch meinen Körper zu fressen.
Mike stand vor mir und wirkte erschreckt, von meinem Anblick, wie ich da stand, bleich und ins nichts starrend. Ich war völlig fertig, doch konnte ich es nicht zeigen. Ich konnte mich nicht ausdrücken, es ging einfach nicht mehr. „Isaac, ich... Es tut mir leid, ich hatte mich nur so erschreckt. Immerhin standest du da mit einem Nudelholz und hast mich angestarrt. Ich hab 'nen halben Herzinfarkt bekommen! Entschuldige bitte, dass ich so laut geworden war, nur bin ich kein besonders geduldiger Mensch. Verzeih mir bitte.", ergriff mein Gegenüber nun das Wort. Es tat IHM leid? Wieso, ich hatte es doch verbockt. Es war allein meine Schuld, auch, wenn ich es nicht gern zugab.
„Ich leg mich erstmal kurz hin. Verzeih die Unfreundlichkeit.", nickte ich einfach ab und ging an ihm vorbei in mein Schlafzimmer. Ich wollte jetzt allein sein, ungestört. Einfach mal tief durchatmen, dann geht es sicher wieder, dachte ich mir. Leise schloss ich die dunkle Holztür hinter mir und legte mich aufs Bett. Trotz dem langen Pullover, zog ich mir die Decke bis zum Kinn. Mir war kalt, obwohl das Zimmer beheizt war.
Was ich nicht verstand war, wieso Kai immer gleich so reagierte aber ganz ehrlich? Nach diesen ganzen Wochen voller Trauer und Schmerz seinetwegen, wurde es mir langsam relativ egal. Ich liebte meinen Freund, denn ich kannte ihn schon so lange. Kai war wie ein Bruder für mich, mein bester Freund, die Person, die alles über mich wusste. Er war immer da gewesen, immer, doch nun... vielleicht hatten wir uns einfach auseinander gelebt? Vielleicht waren wir zu verschieden geworden.
Ich starrte zur Zimmerdecke und hielt den Atem für einige Sekunden an.
'Bitte, fass' mich nicht an!', hallte seine Stimme in meinem Kopf. Er ekelte sich vor mir. Sicher missverstand er die Situation. Gewiss hielt er Mike und mich für ein Paar. Wir hatten uns öffentlich umarmt und nun stand er halbnackt in meiner Wohnung. Auch wenn es für viele vielleicht nichts Offensichtliches war, so wusste ich, für Kai war es das. Er war immer schon ein distanzierter Mensch gewesen. Nur vor mir, zeigte er, wie er wirklich war. Zu allen anderen zeigte er keinerlei Interesse. Entweder war er also Eifersüchtig, oder... wieder hörte ich seine Worte vor mir. Nein, wäre er eifersüchtig gewesen, wieso hätte er sich dann nicht von mir anfassen lassen wollen? Das ergab doch keinen Sinn.
Ich seufzte, rollte mich auf den Bauch und drückte mein Gesicht ins Kissen. Schon am frühen Morgen so etwas? Das war einfach schrecklich... und zu allem Überfluss ließen die Kopfschmerzen auch nicht mehr lang auf sich warten.
Vielleicht fand er mich wirklich nur widerlich, weil er dachte ich sei schwul. Vielleicht hatte Emi ihm auch dumme Sachen in den Kopf gesetzt. Gerüchte mochte sie ja sowieso schon immer. Aber wieso war ihm das so wichtig? Wäre Kai schwul gewesen, wäre mir das doch auch egal! Das würde doch nichts ändern!
'Liebe ist Liebe.' hatte Emi nicht einmal sowas erzählt? Ja, vermutlich hatte sie recht. Vielleicht war es ja wirklich egal, wen man liebte, Hauptsache man durfte glücklich sein. Mann, da hatte diese Bibliothekarin ja mal wieder Recht.

Erst am späten Nachmittag fand ich wieder die Kraft, mein Zimmer zu verlassen. Ich hatte mich ein wenig beruhigt und die Gedanken an den Morgen verdrängt.
Mike saß vor dem Fernseher und schaute diese Sendung mit dem Schwamm. „Ich dachte, du magst das nicht.", sprach ich ihn mit schwacher Stimme auf die Auswahl seines Programms an und ließ mich leise neben ihn auf Sofa fallen. Er blickte mich besorgt an, lächelte nur den Bruchteil einer Sekunde und schwieg. Eine Antwort bekam ich nicht, dafür strich er mir mit dem Handrücken sanft über die Wange. „Isaac, du bist nicht allein, hörst du?", sprach er behutsam und ich weiß nicht wieso gerade jetzt, doch plötzlich kullerten die Tränen an meinen Wangen hinab. Mike beugte sich vor und schloss mich in seine starken Arme. Dies gab mir Halt, Kraft und mir wurde so warm, so warm wie schon seit langem nicht mehr...

Liebe?! Lieber nicht! ||Boyslove Yaoi~♡Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt