30. Kapitel- Mein Zuhause

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Der Sturm hatte sich gelegt, nur noch vereinzelnd fielen kleine Regentropfen von den grünen Blättern der Bäume. Wir hatten uns zu Fuß auf den, mir noch unbekannten Weg, gemacht. Vorsichtig setzte ich einen Schritt vor den nächsten, um möglichst nicht mit meinen Stoffschuhen, in die großen Pfützen zu treten, doch es schien kaum vermeidbar. Diese -man könnte fast sagen- 'Seen' waren wirklich überall und zu meinem Bedauern, schien ich die einzige Person zu sein, die das wirklich störte. Emi nämlich, lief froh und lächelnd durch jede einzelne Pfütze. Kein Wunder, ihre Schuhe waren ja auch wasserfest. „Wo geht's denn nun hin? Müssen wir noch lange laufen?", murrte ich bereits, wie es kleines Kind auf einer langen Autofahrt. Emelie kicherte nur und zuckte mit den Schultern. Gemein! Ich begann schon mit Schmollen, da blieb meine Freundin plötzlich stehen. Ich stockte abrupt und folgte ihrem starrenden Blick, der ins Schaufenster eines Geschäfts gerichtet war. „Eine Videothek?", fragte ich etwas perplex. Was wollte Emi denn hier?! „Komm einfach mit!", seufzte sie, nahm mich an der Hand und zog mich einfach- rücksichtslos, wie sie war- hinter sich in den Laden. Beinahe hätte ich die Tür ins Gesicht bekommen, doch das war ihr natürlich gerade nicht so wichtig! Typisch! Verärgert riss ich mich von ihrem Griff los und stand nun- immer noch etwas feucht vom nun schon weiter gezogenen Unwetter- mitten zwischen Action- und Liebesfilmen. „Was sollen wir denn hi..", wollte ich gerade zum wiederholten Mal ansetzten, da hielt mir Emi ihren Finger auf den Mund. „Guten Tag. Wir würden gern in die Achtzehn-Plus-Abteilung. Wo wäre die denn, wenn ich fragen darf?", sprach sie im nächsten Moment auch gleich den Mann an der Kasse an. Dieser war sehr dick, hatte einen langen, hellbraunen Pferdeschwanz und biss genüsslich von seinem Sandwich ab, bevor er uns schmatzend entgegnete: „Am Ende des Ganges." Na lecker. Hunger hatte ich nun jedenfalls keinen mehr. Ich schüttelte den Kopf und ließ von dem Fremden ab. Wichtiger war, erst einmal heraus zu finden, was genau wir hier wollten! „Na komm, Isaac!", schob mich Emi vor sich her, auf einen Vorhang, am genannten Ende des Flures, zu. Dahinter war dann wohl die Erwachsenen Abteilung. Wollte sie etwa wirklich?... Nein! Nein, so dreist war sie doch nun auch wieder nicht, oder? Oder?!
Wir ließen den Vorhang hinter uns und meine schlimme Vorahnung, bestätigte sich. Emelie führte mich zu der Porno-Abteilung und grinste breit. „So! Dann such dir mal ein paar aus! Ich würde sagen, wir nehmen einen Hetero- und einen Schwulenporno mit! Oh und natürlich einen von zwei Frauen, damit ich auch was zum Schauen hab!" Oh Gott?! Das hatte sie doch jetzt nicht ernsthaft gesagt?! Völlig geschockt und empört starrte ich sie an. Nein! Das konnte sie unmöglich ernst meinen! „Was stehst du so rum?! Such dir welche aus! Ich bezahle auch die Leihkosten!" Die Leihkosten?! Darum ging es doch gar nicht! Ich schluckte schwer und riskierte einen Blick auf die DVDs. Ihr müsst wissen, ich hatte damals noch nie so einen Film gesehen, nie ein Buch mit sexuellem Inhalt gelesen oder ähnliches. Das war völliges Neuland für mich und es war mir wirklich unangenehm. Mein Blick wanderte für den Bruchteil einer Sekunde über die Cover der Hüllen. Das reichte schon, denn so viel nackte Haut hatte ich noch nie in meinem Leben gesehen. „Guck, der hier ist doch was!", meinte meine Freundin fröhlich und hielt mir eine Hülle hin, auf dem ein Mann zu sehen war. Eigentlich ja nichts Schlimmes, wäre der Mann bekleidet gewesen, doch dieser hier trug nur eine Feder-Boa, die ausschließlich sein Geschlecht bedeckte. Und ich lief dermaßen rot an! Die Tomaten wäre neidischen geworden! „M...mann, Emi! Lass das!", beschwerte ich mich mit leiser Stimme und drehte den Kopf weg. Das hier war wirklich schlimm! Nicht, dass ich den abgebildeten Mann dort nicht gut fand, doch irgendwie wirkte alles hier so befremdlich auf mich. „Ich will nach Hause...", flüsterte ich. Diese ganze Situation war mir furchtbar peinlich und überforderte mich zudem vollkommen. Ich wollte einfach nur weg, weg von hier! „Ach komm, nimm dir wenigstens einen Porno mit! Komm, wenigstens einen!", bat mich meine Freundin und weil ich Emi nun mal sehr lieb hatte, griff ich mir irgendeinen Film aus dem Regal und ging damit schon einmal zur Kasse vor. Emelie folgte augenblicklich und bezahlte die niedrige Gebühr. Der Verkäufer grinste mich derweil ganz merkwürdig an, was ich wirklich furchtbar fand. Es war erniedrigend und peinlich zugleich, weshalb ich den Film auch sofort- ohne ihn auch nur einmal zu betrachten- hin nahm und ihn in einer Tüte verschwinden ließ. Diese Tüten durfte man sich hier kostenlos mitnehmen, wohl für die Leute, die hier mehrere Filme mitnahmen. Mir wurde ganz anders bei dem Gedanken und ich war wirklich heil froh, wieder aus diesem Laden raus zu sein. Das dort drin war einfach nicht meine Welt. Auf dem Heimweg sprach Emi viel über ihre feste Freundin, Kelly. Sie schwärmte wirklich total, was ja irgendwie auch ganz niedlich war. Und außerdem tat es gut, auch mal nicht, über mein nicht vorhandenen Liebesleben zu reden. Sie war wirklich süß, wie sie so von ihren Gefühlen sprach. „Wenn sie da ist, dann geht's mir einfach gut. Kennst du das? Man fühlt sich einfach wie angekommen, wie Zuhause." Emelie lächelte mich an und ich zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung, glaube nicht.", entgegnete ich etwas nüchtern. Seit den Tod meiner Eltern...? "Und was ist mit Kai?", unterbrach Emi meine Gedanken. Ich sah auf, blickte hoch zum Abendhimmel. Der Tag neigte sich bereits dem Ende zu. Ich schmunzelte. Kai? Ja, sie hatte Recht. Und wie sie Recht hatte! Wenn ich bei ihm war, fühlte ich mich sicher. Er hatte mich immer beschützt, mich im Arm gehalten, wenn ich weinte. Er hatte für mich gekocht und mich zum Lachen gebracht. Er war immer da, immer. Und ich hatte ihn so lieb, so unfassbar lieb. „Stimmt, Kai ist mein Zuhause."

Liebe?! Lieber nicht! ||Boyslove Yaoi~♡Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt