35. Kapitel- Der erste Kuss

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Geschockt starrte ich ihn an. Das konnte nicht wahr sein! Er arbeitete nie im Leben hier! Das konnte ich einfach nicht glauben! Ich beobachtete ihn dabei, wie er seine Jacke abstreifte und über die Haken der Garderobe hing, so selbstverständlich, als wäre es alltäglich, doch das war es nicht! Nein! Der Chef hätte es mir doch erzählt, würde er jemand Neues einstellen, oder?! Da kam mir das Telefonat wieder in den Sinn. Dort hatte mein Arbeitgeber um ein persönliches Gespräch zwischen uns gebeten. Ich schluckte schwer. Wenn er Alex nun fest eingestellt hatte, brauchte er mich dann überhaupt noch? Was, wenn er mich feuern würde? Wo sollte ich dann arbeiten?! Ich biss mir auf die Unterlippe, stand stumm hinter der Verkaufstheke und senkte den Blick auf den Lappen in meiner Hand. Er würde mich raus werfen, einfach so? Nach allem, was wir zusammen durch gemacht hatten? Das konnte der Chef nicht tun! Dieser Laden war mein Zuhause! „Hey, alles in Ordnung?", hörte ich Alex raue, tiefe und doch so monotone Stimme. Sei still!, schrie ich in Gedanken. Wenn es ihn nicht interessierte- und das tat es nicht, wie man an seinem Tonfall erkannte- sollte er nicht derart besorgt tun! Ich fühlte mich von einem Moment zum Nächsten sehr schlecht, da ich nicht erwartet hatte, jemals von hier weg zu müssen. Doch nun war es so und das nur wegen des Mannes, der gerade vor mir stand. Ich war wütend. Wie konnte man mich einfach ersetzten?! „Du bist doch Student. Hätte ein Nebenjob nicht gereicht? Wieso musst du gerade hierher kommen?", sprach ich leise, zitternd. Ich musste mich mächtig zusammen reißen, um nicht in Tränen auszubrechen, doch es gelang mir. Diese Genugtuung würde ich ihm nicht auch noch geben; ich würde nicht vor diesem Menschen weinen! „Was?" Es klang so gleichgültig wie alles aus seinem Mund. Als ob ihm nicht bewusst war, um was es ging. Nein, er wusste es ganz genau! Ich drehte mich zur Seite und beschloss, wenigstens noch einmal meiner Arbeit nachzugehen, als Abschluss, als Ende. So nahm ich also das Putzmaterial und machte mich an das große Schaufenster. Die Scheibe war ganz dreckig, von innen wie von außen, jedoch begann ich zuerst mit der Innenseite. Ich achtete nicht mehr auf Alex. Wieso auch? Er war der Grund, weshalb ich ab morgen auf der Straße sitzen würde. „Isaac, kann es sein, dass du etwas missverstanden hast?" Ich biss die Zähne zusammen um ruhig zu bleiben. Was bitte konnte man da falsch verstehen? Kopfschüttelnd fuhr ich mit meiner Arbeit fort und versuchte mich zu konzentrieren. Ich hörte Schritte auf mich zukommen, doch es war egal. Ich wollte nicht mehr mit diesem Mann reden, der meine ganze Existenz auf dem Gewissen hatten! „Isaac, du wirst nicht gefeuert." Ich erstarrte. Es reichte! Jetzt log er auch noch?! Hatte er mir nicht schon genug angetan?! Ich drehte mich zu ihm und merkte erst in diesem Moment, dass die Tränen bereits an meinen Wangen hinab rannten. Verdammt, doch nicht mehr zu ändern. „Du bist einfach furchtbar! Kommst hier herein und erzählst mir so etwas beiläufig, als wäre nichts! Dabei ist es ganz schön viel! Neben meiner Arbeit, die ich über alles liebe, auch meine Geldquelle, die ich dafür benötige, meine Miete zu bezahlen! Du bist einfach...", schrie ich ihn wütend an, bevor ich in Schluchzen ausbrach und nicht weiter reden konnte. Ich hielt eine Hand vors Gesicht, damit er mich nicht sah, doch es tat weh. Ich arbeitete schon jahrelang hier, war immer zuverlässig gewesen und hatte einfach alles für den Laden getan! Es fühlte sich so richtig an, hier zu sein, hatte mich stets mit Freude erfüllt und nun sollte das alles vorbei sein? Das konnte doch nicht sein! „Isaac, jetzt hör mir doch erst einmal zu!", bat Alex und griff meine Hand, zog sie von meinem Gesicht weg. Mit glasigen Augen blickte ich ihn weinend an und schluckte schwer. Wieso ihm noch zuhören? Es brachte nichts mehr. Es würde nichts ändern. „Ich kann es einfach nicht fassen. Ich hab doch so lang hier geschuftet und nun das?! Hast du überhaupt Kenntnisse im Verkauf?!" Wieder begann ich laut zu werden, mich aufzuregen. „Ich hab hier bereits mehr unbezahlte Überstunden gemacht, als andere in ihrem gesamten Leben! Und nun kommst du, ein Student, und machst alles zunichte! Du hättest in jedes Café oder in jede Bar gehen können! Wieso gerade hierher?! Du bist so egoistisch! Sicher willst du den Chef nur bestehlen und verrichtest die Arbeit halbherzig!! ICH HASSE DICH!", brüllte ich ihn schluchzend an, da geschah es. Alex zog mich an sich ran, hielt meine Hand fest und hob mit seiner freien mein Kinn an. Ohne irgendeine Vorwarnung beugte er sich hinab und im nächsten Moment berührten seine Lippen schon die Meinen. Meine Augen weiteten sich und ein merkwürdiges Gefühl durchfuhr meinen Körper wie ein Blitz. Bereits wenige Sekunden später, ließ Alex von mir ab und ich starrte ihn mit feuerroten Wangen an. „Jetzt weinst du wenigstens nicht mehr.", sprach er leise und strich mit eine verirrte Haarsträhne aus dem Gesicht. Dabei schien er kalt wie eh und je, doch bei genauerer Betrachtung, bemerkte man eine Art von Wärme in seinen Augen. Eine Wärme, die nun auch mich erfüllte.

Liebe?! Lieber nicht! ||Boyslove Yaoi~♡Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt