Weihnachts- Special ☆

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Das kalte Licht der langen Hallogeenlampen fiel auf den kleinen, weißen Raum hinab. Tische reihten sich nebeneinander, auf denen dünne Ärmchen und müde Köpfe kleiner Kinder lagen. Es war laut, eine unglaublich schwere, störende Lautstärke, die mich kaum einen geordnenten Gedanken fassen ließ. Unruhig schrien sie umher, wie immer zu jener Zeit, an jenem Tag der Woche, denn heute war es soweit. Wieder einmal war der Freitag angebrochen und die überfüllten Klassen der alte Stadtschule drohten, in der letzten Stunde des Unterrichts, einen Aufstand anzuzetteln, der selbst die erfahrensten Lehrkräfte verzweifeln ließ. Ich hingegen saß still auf meinem Stuhl, bewegte mich kein noch so geringes Stück von meinem Platz weg. Nicht einmal den Kopf wagte ich zu heben. Schon lange hatte ich es aufgegeben, den Worten unserer Lehrerin in diesem Fach, Gehör zu schenken. Wie auch? Bei so einem Krach, der um mich herrschte? Mein einziger Lichtpunkt? Der Junge neben mir, Kai. Seit einem Jahr waren wir nun schon befreundet und erklammen momentan das letzte Jahr der Grundschule gemeinsam. Wir, als Ältesten, müssten uns also eigentlich zu benehmen wissen, doch man sah ja, wie viele Manieren die Schüler dieser Klasse hatten. Gar keine.
Mein Banknachbar schaute gerade aus dem Fenster. Verträumt blickte er in die Ferne, wobei ein sanftes Lächeln auf seinen weichen Lippen lag. Dieser Junge wirkte so zart, so warm. Einfach angesprochen hatte er mich, einfach so. „Leise rieselt der Schnee...“, begann er da plötzlich zu murmeln und ließ mich stocken. Was tat er denn? Fröhlich wandte er sich zu mir und grinste mich breit an. „Sieh nur, es schneit!“, rief er dann und übertönte dabei sogar die restlichen Schreihälse dieses Zimmers, die sich allerdings, alles andere als erfreut , zu uns drehten. „Also echt, wieso schreist du hier so rum?!“, fauchte die eine, doch Kai kicherte nur und warf mir einen glücklichen Blick zu. Hach, Kai war echt zu lieb für diese Welt. Nun aber betrachtete ich verdutzt die winzigen Eisblumen, die gegen die klare Fensterscheibe des Gebäudes fielen. Sie waren mir bisher gar nicht aufgefallen, aber wirklich erstaunlich war solch Wetter zu dieser Jahreszeit ja nun nicht gerade. Schon die letzten Tage hatte es weiße Sterne geregnet, doch ich persönlich, wusste nicht viel mit ihnen anzufangen. Was konnte man mit Schnee schon machen, außer darin erfrieren oder auf Gefrorenem ausrutschten? „Hey Isaac!“ Ich fuhr zusammen und stieß ein leises „Huh?“ aus, als Kai strahlend meine Hand nahm und, ohne mich zu fragen natürlich, verkündete: „Wir bauen einen Schneemann!“ Ich- kein Mitbestimmungsrecht, wie gesagt- machte große Augen und legte den Kopf schief. „Einen Schneemann?“, wiederholte ich mit schwacher Stimme, da nickte mein Gegenüber heftig und seine dunklen Haaren fielen ihm dabei ins Gesicht. Ein leises Seufzten verließ meine Lippen, denn ich wusste gar nicht, ob ich mit seinem Plan einverstanden war. Nicht einmal gefragt hatte er mich und überhaupt: wieso sollte das gut sein, ein Mann aus Schnee? Brauchte doch niemand! Doch als Kai eine Schnute zog und mich traurig anblickte, während er „Ach, bitte!“ jammerte, wie ein einsamer Hund, wurde ich weich und schnaufte. Ach naja, so schlimm würde es sicher nicht werden. „Okay, warum nicht.“, antworte ich also, was meinen Nachbarn aus Freude in die Hände klatschen ließ. Oh Mann, manchmal war er echt seltsam, aber- ich stubste ihn sanft an der Schulter- auch irgendwie niedlich.
Noch eine Weile ertrugen wir den Lärm um uns, bevor es dann endlich zum Unterrichtsschluss klingelte. Die Schulglocke, das Geräusch eines Engels! Erleichtert packte ich meinen Hefter und die Federtasche in meinen hellen, schlichten Ranzen. „Lass uns zu mir in den Vorgarten gehen! Da kann ihn keiner kaputt machen, auch, wenn wir mal nicht hinschauen!“, fiepste mein Spielkamerad lachend und ich nickte zustimmend. Mit diesen Worten erhob sich Kai und wieder einmal mehr fiel auf, wie klein er doch im Gegensatz zu mir war. Einen ganze Kopf größer war ich, ungelogen! Aber wer wusste schon, wann der nächste Wachstumsschub um die Ecke bog? Dennoch überwog seine körperliche Stärke die meine um Längen- war ja auch nicht schwer, bei meinen 'Hulk-artigen’ Kräften.
So verließen wir also das Klassenzimmer und auch das Gebäude an sich.
Stumm lief ich neben meinem Freund her, der vergebens versuchte mit der Zunge kleine Flocken aus der Luft zu fangen. Es sah schon etwas eigenartig aus, wie er dort lang huschte, quer über den Weg, den Kopf in den Nacken gelegt und den Mund weit aufgerissen. Da konnte selbst ich mir das Schmunzeln nicht verkneifen. „Der Trick ist, immer die Großen zu erwischen!“, kommentierte er seine Arbeit dann auch noch und ich musste mich wirklich stark zusammen reißen, um nicht laut los zu lachen, so lustig schaute es aus, auch wenn ich etwas in Sorge war, ob er nicht doch gegen eine Laterne rennen würde.
Dies geschah zum Glück aber nicht- zumindest an jenem Tag-, sodass wir letztlich unverletzt an Kai's Geburtshaus ankamen. „Los geht!“, schrie er sogleich und begann sofort, laut schreiend in den Vorgarten zu rennen. Irritiert Irrtiert folgte ich dem- ohne Zweifel- Verrückten und setzte vorsichtig einen Schritt vor den nächsten, während der Schnee unter unseren Schuhen leise knirschte. „Schneeengel!“, kreischte Kai und warf sich prompt, mit dem Rücken vorran, in das weiße Meer. Dies war der Moment, in dem ich mir eindeutig darüber klar wurde, wie durchgeknallt dieser Junge tatsächlich war. „Ey Isaac, versuch's doch auch mal!“, pfiff er zu mir herüber, als er gerade dabei war, einen Hampelmann zu machen... im Liegen. Hastig schüttelte ich den Kopf. „Nein! Nein! Lieber nicht!“, meinte ich rasch, doch mein Freund akzeptierte einmal mehr keine Wiederreden. Aus dem Nichts und wie eine wild gewordene Hauskatze, sprang er auf die Beine und warf sich im nächsten Augenblick auch schon gegen mich. Erschreckt fiel ich zurück, doch der weiche Schnee fing mich auf und nicht nur mich, nein, auch den Jungen mit den dunklen Haaren, der nun freundlich grinsend auf mir lag. „Geh runter!“, beschwerte ich mich, doch er tat es nicht. „Erst, wenn du einen Engel machst!“, streckte er mir frech die Zunge heraus. Oh Mann! Was dachte sich dieser Typ überhaupt?! Hatte der noch alle Tasse im Schrank?! Ich wandt mich unter ihm, doch auch das schien ihm völlig gleichgültig zu sein. Boar, was sollte das?! Und überhaupt, wie sollte ich mich denn bitte gescheit bewegen, wenn jemand auf mir lag?! „Dafür musst du runter gehen, du..!“, grummelte ich, da landete plötzlich der überraschend warme Finger des Kleinen auf meinen Lippen. „Sei nicht böse zu mir! Schimpfworte sagt man nicht!“, meinte er und ich lief rot an. Der sollte endlich von mir runter gehen! Kai derweil machte sich gar nichts daraus, mich so zu belagern und setzte sich einfach auf meinen Bauch. Was?
„Jetzt?!“, meinte er und ich knurrte. Das konnte doch echt unmöglich sein Ernst sein?! Argh, war ja gut! Ich tat es ja! Meine Güte! So begann ich also, meine Arme und Beine zu bewegen und der gewünschte Engel entstand allmählich, für den ich mir übrigens gerade den Hintern ab fror!
Als das nun erledigt war, hatte ich um ehrlich zu sein, gar keine Lust mehr, auch nur irgendwas zu bauen. Mir war kalt! Ich wollte nach Hause! „Los Isaac, wir werden jetzt Papas!“ Was?! Nein! Einfach nein! Ich hatte keine Lust mehr! „Nein Danke, ich gehe!“, fauchte ich, da hielt er mich fest. Seine Hände waren ganz weich. „Ach komm schon. Bitte. Das wird lustig, ich versprech es dir!“ Und sein Lächeln war so voll Wärme und Liebe, dass ich einfach nicht anders konnte. Ich würde es bereuen, ganz sicher, aber was sollte ich denn bitte tun, wenn dieser Junge so nett fragte?! „Aber wir beeilen uns gefälligst! Und dann gibt’s heiße Schokolade, ja?! Als Entschädigung, weil ich wegen dir so frieren muss!“, erwiderte ich und er bejahte brav. Manchmal wirkte mein Banknachbar echt wie ein treues Hündchen, dass die Aufmerksamkeit seines Herrchens suchte. Die Frage war nur, wieso gerade ich dieses Herrchen sein musste.
„Okay, mach du die untere Kugel! Ich mach die obere!“, bellte Kai und machte sich sofort ans Werk. Ich allerings, konnte ihn dabei nur etwas überfordert beobachten. Untere Kugel? Wie sollte ich das denn hinbekommen?! Ich beobachtete, wie der Verrückte einen kleinen Ball aus dem weißen Pulver formte, diesen auf den Boden legte und begann, ihn durch die Winterlandschaft zu kullern. Das sah aber leicht aus und wenn er das schon hinbekam, sollte es für mich doch ein Kinderspiel sein! So fasste ich also neuen Mut, ignorierte meine, wohl schon durch die Kälte, abgefrorenen Zehen und tat es dem Jungen gleich. Ich probierte es zumindest, doch es stellte sich als schwerer heraus, als es anfangs zu sein schien. Argh! Dieser verdammte Schnee ließ sich einfach nicht gescheit formen! Immer wieder versuchte ich es, kleine Bälle zu erschaffen, doch wollte es mir einfach nicht gelingen. Das war doch alles Betrug! Wieso klappte es denn nicht?! „Du musst sanfter sein.“, legte da plötzlich Kai seine Hände um die meinen und wollte mir helfen. Mir helfen?! Nein! Bloßstellen wollte er mich! „Ich kann das alleine!“, fauchte ich und schubste ihn beiseite. Betrübt und mit hängendem Kopf trottete der Kleine daraufhin davon und ich vertiefte mich kopfschüttelnd über diesen Nervblozen, erneut in meine Arbeit. Dennoch misslang es mir selbst nach dem gefühlt tausenden Versuch noch, diese dämliche Kugel zu formen. Genervt schaute ich auf und erschrak, denn während ich mir hier den Kopf über die beste Formtechnik zerbrach, hatte Kai bereits einen großen Ball nach dem nächsten geformt. Fünf, wenn nicht gar noch mehr, standen schon vor meiner Nase, was mich nur noch wütender werden ließ. Wieso konnte der das und ich nicht?! „Kai!“, schrie ich und wandte mich um, doch als ich dann den kleinen Jungen entdeckte, der zusammen gekauert neben seinen Schneemannbäuchen saß und traurig den Kopf auf die Knie gelegt hatte, verflog alle Wut. Oh Mist! Ich hatte ihn traurig gemacht! Dabei wollte ich das gar nicht! Ich hatte es doch nicht so gemeint! Ach Mann!
„Du Kai, ich hab das nicht böse gemeint.“, murmelte ich entschudligend, da erhob er sich und sah mich ängstlich an. Ach, verdammt! Er sollte mich nicht so anschauen! Ja, ich hatte übertrieben, das sah ich nun ein! Wieso war ich auch nur so gemein zu ihm? Aber er hatte mich einfach aufgeregt. Nun ja, das hatte ich jetzt davon. Dabei war das gar nicht meine Absicht gewesen. Das hatte ich nicht gewollt! „Es tut mir Leid!“, meinte ich dann lautstark. „Ich brauch deine Hilfe! Zufrieden?!“, fügte ich noch hinzu, da tat dieser Verrückte schon wieder etwas total seltsames! Anstatt sich über mich lustig zu machen, trat er nämlich ein Stück näher und legte seine Arme um mich. Meine Augen weiteten sich und ich spürte, wie meine Wangen ganz heiß wurden. „Jetzt bin ich zufrieden.“, hauchte Kai leise, bevor er die Umarmung wieder zärtlich löste. Ich allerdings, blieb wie angewurzelt stehen und war gerade nicht in der Lage, mich zu rühren.  „Oh, dein Gesicht ist ganz rot.“ Was?! In meinem Kopf legte sich ein Schalter um und augenblicklich gehörte mein Körper wieder mir, zum Glück. „Das macht die Kälte!“, entgegnete ich hastig und drehte mich weg. „Los! Wir müssen doch noch einen Schneemann bauen.“, meinte ich außerdem.
Mit vereinten Kräften hoben wir eine Kugel auf die andere, bis schließlich ein schöner, hoher Berg au ihnen entstand. „Was brauchen wir noch?“, fragte ich, doch Kai war mir schon einen Schritt vorraus. Er hielt mir zwei Steine und lange Stöcke hin. Was sollte das denn sein? Wozu brauchte man solch etwas für einen Mann? „Augen und Arme.“, erklärte er und ich nickte zögernd. Ach, so einfach ging das? Schließlich holte mein Schulkamerad noch eine Karotte, sowie einen Schal aus seinem Haus. „Hier!“, reichte er mir den grauen, übergroßen Halswärmer, der weich war, wie sonst kaum etwas. Kai steckte unserem Schneemann die Nase an, als ich noch das weiche Graue bestaunte. „So einen Schal hätte ich auch gerne.“ Kai sah auf, als hätte er gerade vom siebten Weltwunder erfahren. „Was denn?!“, grummelte ich nur und band den Grauen um unsere Bauwerk. Also echt, hatte ich irgendwas blödes gesagt, oder wieso war er plötzlich so aufmerksam gewesen? „Ach nichts. Wie nennen wir ihn?“ Ich runzelte die Stirn. Bitte was? „So was sollen wir benennen?!“ Wieso wollte er denn so was doofes machen? Wir waren doch keine kleinen Kinder mehr! „Ja klar! Immerhin steckt viel Liebe in ihm und sieh doch nur, wie hübsch er ist!“, erwiderte Kai stolz und ich konnte mir das Lachen nicht verkneifen. Naja, wenn man das so betrachtete, stimmte es sogar, mehr oder weniger. „Haha, hast ja recht. Wie wär's dann mit... Kaisaac?“ Seine Augen weiteten sich. „Kaisaac? Wie Isaac und Kai?“ Ich seufzte. Der war echt nicht der Klügste. Klar wie wir beide! Was sollte es sonst heißen?! „A..ach, Isaac.“ Huh? Da entdeckte ich, die Glückseeligkeit in seinen Augen und stockte. Er sah so froh aus, als bräuchte er nichts, außer diesen Moment. Seltsam, dieser Kai, doch irgendwie war es gerade das, was ich so an ihm mochte.
Kurz darauf löste Kai sein Versprechen ein und lud mich auf eine Tasse heiße Schokolade ein. Ich stimmte natürlich glücklich zu und freute mich schon auf den süßen, leckeren Geschmack, als wir den Weg zum Haus antraten. „Du Isaac?“ Ich spürte, wie Kai nach meiner Hand griff und seine weichen Finger wärmten meine eiskalte Haut. „Ja?“ Er strich sanft an meinem Daumen hinlang. „Magst du Schnee noch immer nicht?“ Ich hielt Inne und ein Lächeln schlich mir über die Lippen. „Nein, jetzt mag ich ihn. Man kann echt viel Spaß haben.“, erwiderte ich, da quiekte Kai glücklich auf und lief schon einmal vor, auf die schöne, helle Einganstür zu. „Zumindest, wenn du dabei bist.“, fügte ich da noch leise hinzu, sodass er es ja nicht hörte, denn auch wenn ich den kleinen Verrückten schon damals ins Herz geschlossen hatte, stand uns noch ein langer Weg bevor, bis wir so gute Freunde wurden, wie wir es heute sind. Das einzige, was mir nun noch zu sagen bleibt, ist: ich hoffe, ein jeder von euch hat ein schönes Fest mit der Familie oder auch den Freunden, so wie ich es hatte, von jenem Jahr an, in dem ich Kai begegnet war. Von jenem Jahr an, in dem ich wirklich aufrichtig geliebt wurde...

Liebe?! Lieber nicht! ||Boyslove Yaoi~♡Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt