12. Kapitel- Kleiner Riese, Großer Zwerg!

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Als mein Chef ging, war ich gerade ohne weitere Vorfälle mit dem Wischen fertig geworden- zum Glück. Ich stellte den Wischmop und einige anderen Putzutensilien zurück in den kleinen, dafür vorgesehenen Schrank des Nebenraumes. Schließlich verabschiedete ich den Chef noch mit einem Lächeln, war nun allein.
Mein Blick ging zum Parkett, was vor Sauberkeit strahlte wie die Sonne an einem schönen Sommertag. Stolz grinste ich auf und atmete zum ersten Mal in diesem Tag den beruhigenden Geruch der Bücher ein. Wie belebend das war. Gerade hatte sich meine Laune wieder etwas aufgehellt und ich war bereit für die Arbeit. An Liebe dachte ich in diesem Moment nicht, hatte es endlich geschafft, mich nur auf meine Pflichten zu konzentrieren.
Es dauerte auch nicht mehr lang, bis die große Wanduhr zu Läuten begann, was verriet, dass es Zeit war. Aufgeregt tappste ich zur Ladentür und drehte das Schild auf 'geöffnet'. Noch nie hatte mich der Chef einen ganzen Tag allein hier gelassen und er würde auch nicht bereuen, es nun getan zu haben- das schwor ich mir!
Ein wenig nervös war ich schon, wie ich wieder hinter der Kasse stand und auf die ersten Kunden wartete. Diese ließen sich nicht besonders lange Zeit, betraten nur wenig später das Geschäft.
Zwei Frauen waren unsere ersten Gäste am heutigen Tage. Ich schätzte sie auf etwa Mitte dreißig, grüßte also angemessen höflich mit: „Guten Tag, die Damen." Sie lachten mir froh entgegen und nickten. Die eine trug einen roten, langen Mantel- der ging ihr bis zu den Fußknöcheln. Auf ihrem Kopf saß eine, ebenfalls rote, Barett-Mütze und blonde, lange Haare umrandeten ihr schmales Gesicht. Die zweite Frau war ganz in Schwarz gekleidet und wirkte durch ihre hohen Absatz-Schuhe gleich einmal zehn Zentimeter größer als ich. Nicht, dass es schwer war, größer als ich zu sein, dennoch war es bei Frauen eher ungewöhnlich. Ein Zwerg war ich ja nun auch nicht!
Die beiden schienen Freundinnen zu sein, für Schwestern sahen sie sich jedenfalls nicht ähnlich genug. Sie schlichen durch die Regalreihen, suchten anscheinend nach einem besonderen Buch. Dabei gingen sie sehr sorgfältig und gewissenhaft vor, was auf mich sehr interessant wirkte. Auf welches Buch sie es wohl abgesehen hatten? Meine ganze Aufmerksamkeit lag auf den Frauen, sodass ich das Schellen der Türglocke mal wieder überhörte. Erst ein raues „Hi." riss mich aus meinen Gedanken. Ich zuckte zusammen und schaute meinen Gegenüber etwas erschreckt an. Alex stand vor der Ladentheke und blickte kalt, wie immer, zu mir herab. Was machte der denn hier!? „Ich hab meinen Schirm hier vergessen, brauch den.", erklärte er kurz und ich konnte mir das Seufzen nicht verkneifen. Ja, es war unverschämt, immerhin hatte er mir seine Kleidung geliehen und mir gestern sehr geholfen, doch nur seinetwegen war doch all das passiert! Hätte er mich nicht erschreckt, hätte ich das Wasser nie ausgekippt, dann hätte er mir nie seine Klamotten leihen müssen und Emi hätte nie solche Kommentare gemacht. Fazit? Alles war seine Schuld! Genervt knurrend meinte ich, er solle kurz warten und ging nun hinter in den Nebenraum um diesen dämlichen Schirm zu suchen. Wo war dieses Teil nur!?
Plötzlich hörte ich ein lautes Lachen von vorn. Stirnrunzelnd schüttelte ich einfach nur den Kopf. War doch egal, was da los war, solang niemand zu Heulen begann oder sich an der Kasse vergriff. Endlich hatte ich den Schirm gefunden. Mein Chef hatte ihn einfach auf ein Regal gelegt. Ja schön, ganz nach oben natürlich. Wie sollte ich denn bitte daran kommen? Ich war kein Zwerg, doch ebenso wenig ein Riese, wie zum Beispiel Alex oder mein bester Freund. Da mir nun wohl kaum etwas anderes übrig blieb, streckte ich mich und stellte mich sogar auf Zehenspitzen, nur um irgendwie an den Gegenstand meiner Begierde heran zu kommen, zwecklos. Ich biss die Zähne zusammen, schaute mich suchend um und schob schließlich den einzigen Stuhl den wir hatten an das Regal. Doof nur, dass mein Chef eine Vorliebe für Drehsessel hatte. Ich stellte mich auf genannten, der sich unter mir hin und her bewegte. Fest klammerte ich mich an das Regal, schluckte einmal schwer und streckte mich abermals, dennoch kam ich nicht ganz an den Schirm. Der Chef hatte ihn mit Sicherheit einfach nur hier hoch geschmissen, ohne lang darüber nachzudenken. Er wusste ja nicht, dass es Alex' Besitz war. Ich machte mich groß, streckte meine Hand nach dem Schirm aus und bekam ihn nun endlich zu fassen. Erleichtert atmete ich aus und schloss die Augen für einen Moment. Ich hatte ihn! Nun ab, runter von diesem Bürosessel.
Tja, runter ging es dann auch, jedoch etwas schneller als erwartet. Ich verlor das Gleichgewicht und der Stuhl rutschte mir weg. Scheiße! Ich fiel und kniff die Augen zusammen, erwartete schon den harten Aufprall. Den Schirm hatte ich einfach losgelassen, hielt die Hände vor meine Brust, um mich vielleicht doch noch irgendwie abzufangen.
Plötzlich spürte ich etwas Weiches und zuckte einmal mehr vor Schreck zusammen. Was war denn nun? Zögerlich öffnete ich die Augen und brauchte einen Moment um zu verstehen. Ich lag in Alex' Armen und er drückte mich an sich. Er sah mir direkt in die Augen und seine wirkten so anders als sonst. Angst und Sorge lag in seinem Blick, so wie ich es bei ihm noch nie gesehen hatte. Dass er so schauen konnte, hätte ich nicht einmal für möglich gehalten und ich starrte ihn einfach an, bis ich mir der Situation ganz und gar bewusst wurde.
Sofort lief ich knallrot an. Oh nein! Wie peinlich! Er hatte mich gefangen, hielt mich nun, wie einen nassen Sack Sand, in seinen Armen. Ich begann mit den Beinen zu strampeln, versuchte mich von ihm zu befreien und tatsächlich, wenige Sekunden später stand ich endlich- ohne eine Stütze zu benötigen- vor Alex, wagte es nicht, ihn anzusehen. Dank ihm, hatte ich mir nicht weh getan. Er hatte mich mehr oder weniger 'gerettet', irgendwie zumindest.
„H..hier!", rasch hob ich den Schirm auf und hielt ihm Alex' entgegen. „Und.. danke..", murmelte ich noch, wandte meinen Blick zur Seite. Immer wenn dieser Typ da war, passiert schlimmes! Der war wohl ein Unglücksbringer! „Hättest mich einfach fragen können. Ich hätte den Schirm runter geholt.", meinte er nur trocken- nun wieder so gleichgültig, wie ich ihn kannte- und nahm mir den Gegenstand ab. Ich zuckte nur mit den Schultern, ging dann an ihm vorbei zur Kasse vor. Die durfte man ja nun auch nicht die ganze Zeit unbewacht lassen. Und was Alex anging.. der sollte einfach verschwinden! Seinetwegen hatte ich nur noch Stress, auch wenn er mich gerade wohl vor so einigen Schmerzen bewahrt hatte...

Liebe?! Lieber nicht! ||Boyslove Yaoi~♡Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt