50. Kapitel- Das Geständnis

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„Sag 'mal, schaust du eigentlich öfter Pornos?", hallte seine Stimme in meinem Inneren wie ein Echo in einer gigantischen Höhle. Erst verstand ich gar nicht, was genau er von mir zu wissen verlangte, so überraschend traf mich seine Frage. Meine Gedanken überschlugen sich, bei dem Versuch seine Worte einzuordnen, wobei ich nach außen hin allerdings nicht den Hauch einer Reaktion zeigte. Dabei trafen mich seine Blicke, immer und immer wieder. Wie Schwertstiche drangen sie tief unter meine Haut. Was wollte er eigentlich von mir?! Was sollte diese Frage denn bitte?! Ob ich öfter Pornos schaute?! Öfter Pornos... Schlagartig hielt ich Inne, denn ich hatte gerade verstanden, was mein Freund mit seinen Worten gemeint hatte. Augenblicklich verwandelte sich meine Gesichtsfarbe in die, des Gesäßes eines Pavians und ich verschluckte mich prompt an meiner eigenen Zunge. „Ehm...also...ehm ich...", begann ich schließlich stotternd, denn mein Mund schien mir auf einmal fremd, fast so, als gehöre er nicht mehr mir. Nun sah ich also unsicher zu meinem Freund hinüber. Ob er mich jetzt wohl seltsam fand? Doch was ich dort erblickte, regte mich noch viel mehr auf, als die Richtigkeit meiner Befürchtung es getan hätte, denn auf den Lippen meines Gesprächspartners lag ein nur noch breiteres Grinsen, als ohnehin schon. Was für ein...!
Da stoppte der Wagen und ich sah hastig aus dem Fenster. Wir waren da! In diesem Moment hatten wir die Bibliothek erreicht und noch ehe Kai den Motor auch nur ausgestellt hatte, war ich schon auf der Flucht. Rasch verließ ich das Auto und war wirklich heilfroh, überhaupt noch lebend dort heraus zu kommen. „Dann bis heute Abend, danke fürs Mitnehmen!", rief ich nur noch, während ich bereits dabei war, auf das schlicht wirkende Gebäude zu zustürmen. Es war wohl besser so! Seine Frage war irgendwie komisch und ich wollte sie nicht beantworten! Wieso wollte er sowas eigentlich wissen?! Etwa um mich damit aufzuziehen?! Wie gemein!
Auf halber Strecke- die große Eingangstür als Ziel-, hatte mich meine Kraft letztlich verlassen. Etwas außer Atem blieb ich stehen- Sportlichkeit hatte noch nie zu meinen Talenten gehört- und schaute mich um, zurück zum Wagen meines Freundes, der, zu meinem Erstaunen, noch immer dort am Straßenrand stand.
Kais Blick war auf mich gerichtet, doch es gab etwas, was mir zu jenem Zeitpunkt noch verborgen blieb, denn mein bester Freund sah mich nicht wie gewöhnlich, nein, er sah mich durch ein Herz, durch mein Herz. Meines, was ich an die Fensterscheibe seines Fahrzeuges gezeichnet hatte. Ich stand nämlich, ohne es auch nur ansatzweise zu ahnen, in jenem Gemalten.
Schwer schluckte ich, als seine Augen sich einfach nicht von mir abwenden wollten und rannte auf schnellstem Wege in das mächtige Bauwerk vor mir. 'Vergiss die Frage einfach! Vergiss sie!', schrie ich mir selbst innerlich zu, bevor ich ein schrilles „Isaac!" hörte und die Tür laut hinter mir ins Schloss fiel. Erschreckt durch den Knall, zuckte ich zusammen, doch sah ich etwas viel beängstigenderes. Aus der Ferne trabte nämlich Emi auf mich so, wie ein hungriges Löwenweibchen, welches eine Antilope als Opfer auserkoren hatte. Oh Gott, nach unserem letzten Treffen, stand ich ihr etwas misstrauisch gegenüber. Was, wenn sie mir noch einen Porno andrehen wollte?! „Ach, Isaac! Da bist du ja!", strahlte sie freudig und umarmte mich. Oh Mann, zu spät zum Weglaufen.
„Es freut mich so, dich zu sehen! Wir haben uns schon 'ne halbe Ewigkeit nicht mehr getroffen! Komm, lass uns eine Tasse Tee trinken!", lächelte meine Freundin weiterhin und zog mich an der Hand hinter sich her, zum nächstgelegenen Tisch. Dieser stand auf einem freien Platz zwischen den meterhohen Regalen.
Dieser Raum hatte eine ganz besondere Ausstrahlung, so voll Ruhe und Frieden, einfach wundervoll. Gerade war Emi unsere Getränke besorgen, was mir Zeit zum Durchatmen gab. Ich wollte nicht mehr an Kai denken, zu sehr verwirrte mich sein Verhalten in letzter Zeit. Daher versuchte ich mein Bestes, mich gescheit abzulenken. „Heute ist aber wenig los.", begann ich also das Gespräch mit der Rothaarigen, die nun zwei Pappbecher mit heißem Gebräu darin, auf die Tischplatte vor uns, stellte. „Wie immer. Ist doch nichts Neues mehr.", seufzte sie und ließ sich auf den Stuhl, mir gegenüber, sinken. 'Schade', dachte ich mir. Die Bücherei war so ein fantastischer Ort, aber was sollte man tun, wenn manche Leute einfach zu blind für wahre Schönheit waren.
„Aber nun sag 'mal, was war da eigentlich genau im Buchladen los? Ich hab ja schon gehört, dass es ziemlich heftig gewesen sein muss. Hoffentlich hast du keine Verletzungen davon getragen? Aber ich seh ja keine Verbände oder so. Also erzähl 'mal, was ist da passiert?", nahm nun meine Freundin das Wort an sich. Ich senkte den Blick, da es mir schwer fiel, über das Erlebte zu sprechen. Dennoch, da ich Emi keine weiteren Sorgen bereiten wollte, sprang ich letztlich über meinen Schatten und erläuterte ihr das Ereignis. Aufmerksam hörte sie mir zu und zeigte überraschend viel Verständnis für meine Lage. „Ach Isaac, das wird schon wieder mit deinem Kollegen.", meinte meine Gegenüber schlussendlich und strich mir mitfühlend über die Schulter. Sie spürte wohl, wie schlecht es mir bei dem Gedanken an diesen grausamen Tag ging und ich wusste, dass der Themawechsel einen lieb gemeinten Ablenkungsversuch darstellen sollte, doch ihre nächste Frage war, um ehrlich zu sein, alles andere als hilfreich. „Wie geht's eigentlich Kai?", fragte der süße Fuchs nämlich kurz darauf und lächelte mich nett an. Ich stockte. Kai?! Och nö! Über den wollte ich doch lieber erstmal nicht nachdenken! Nun zog ich also die Augenbrauen hoch und schüttelte seufzend den Kopf. Emi, die anscheinend eine andere Reaktion erwartet hatte, schien daraufhin deutlich verwirrt. „Was denn?", hakte sie weiter nach, worauf ich nur abwinken konnte. Doch auch damit ließ sie sich nicht abspeisen und blieb hartnäckig. „Was ist denn?! Jetzt lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen!", meckerte sie, was mir mittlerweile schon ziemlich auf den Geist ging. „Ja, ist gut! Er verwirrt mich eben!", stöhnte ich genervt, sie hingegen nickte heftig und ich konnte ihren imaginären Hundeschwanz bereits vor meinem inneren Auge wedeln sehen. „Und?! Und?! Wieso denn?! Wie...", bellte sie schon halb, worauf ich nur ein leises Grummeln ausstieß. Wieso musste es gerade dieses Thema sein?! „Nun ja.", begann ich also und bereute es jetzt schon, gerade Emi sowas anzuvertrauen. „Nach dem Kuss, dem gestrigen Abend und dem Gespräch eben, fällt es mir schwer, noch einen klaren Kopf zu bewahren." Da verstummte meine Freundin. Oh Gott, hatte ich ihr etwa doch zu viel zugemutet?! Was, wenn sie mich jetzt nicht mehr mochte, weil ich so seltsame Dinge getan hatte und sagte?!Die Angst vor Ablehnung ließ mir einen großen Klotz im Hals wachsen und ich wagte es kaum, Emi überhaupt noch in die Augen zu sehen. Wie doof von mir, zu denken, sowas könnte man jemandem erzählen! Jetzt hasste sie mich sicher! Ängstlich kniff ich die Augen zusammen, als ich hörte, wie das Mädchen tief Luft holte. Oh nein! Nun würde sie mir sicher sagen, wie trottelig ich war! „Du Isaac...", vernahm ich ihre eigenartig leise, gepresst wirkende Stimme, fast so, als müsse sie sich stark zusammen reißen, um vernünftige Worte aus dem Munde zu bekommen. Ich derweil hatte bereits mit dieser Welt abgeschlossen, da ein Todesurteil, meiner Ansicht nach, bereits eindeutig fest stand. Nun würde mir Emi wohl den Gnadenstoß geben. Schwer schluckte ich, doch was dann kam, hatte ich nun wirklich nicht erwartet!
„Warum hast du mir das nicht sofort erzählt?!", brüllte sie da plötzlich los, quiekte laut auf- ich sag euch, ein sterbender Hamster ist nichts gegen die Geräusche, die meine Freundin damals von sich gegeben hatte- und sprang, wie von der Tarantel gestochen, auf. Ich fuhr zusammen und blickte sie fassungslos an. Was war denn jetzt in sie gefahren?! Fiepend lief sie um den Tisch und klatschte lachend. „Oh mein Gott! Isaac!", kam sie dann zu mir gerannt und nahm meine Hände in ihre. „Erzähl mir alles!", befahl sie, während ich sie noch immer etwas irritiert betrachtete. Was?! Also jetzt verstand ich echt nichts mehr! „Wie hat es sich angefühlt?!", kreischte sie mir ins Ohr und ich schob sie ein Stückchen von mir weg- Sicherheitsabstand-, um zumindest nicht komplett taub zu enden. „G...gut?", meinte ich leise, während die Röte einmal mehr Besitz über mein Gesicht ergriff. Ach ja, diese schöne Verlegenheit, die immer dann kam, wenn man sie am wenigsten gebrauchen konnte. „Oha!", ging es dann auch schon weiter mit dem Auffuhr. Mit dieser, eher recht positiven Reaktion, hatte ich nicht gerechnet und sie freute mich auch- ich war echt erleichtert-, dennoch fragte ich mich abermals: Wieso verdammt, wieso hatte ich ihr nur von dem Kuss erzählt?!
Weitere Fragen folgten, die ich jedoch zum Glück abblocken konnte, doch dann begann Emi mit Reden und hätte sie dies nicht getan, wäre vermutlich vieles anders gekommen...
„Also hat er es dir endlich gesagt! Boar, ich hatte die Hoffnung daran, dass er es dir in diesem Leben überhaupt noch sagen würde, schon fast aufgegeben! Ohne Mist, das wurde wirklich Zeit! Wie lange warte ich schon auf diesen Moment? Zehn Jahre, länger? Also echt, herzlichen Glückwunsch euch beiden! Ihr gebt ein wundervolles Paar ab! Ich freu mich ja so für euch!" Ich erstarrte. W...was? Etwas sagen, zehn Jahre? Glückwünsche? Paar? Geschockt saß ich da, stumm und musste ihre Worte erst einmal sacken lassen. Sie meinte doch nicht tatsächlich das, was ich nun dachte, dass sie es meinen könnte? Nein! Das konnte nicht sein! „Was hast du gesagt?", gab ich mit monotoner Stimme von mir, da grinste sie nur. „Nun tu nicht so! Sein Liebesgeständnis war sicher total niedlich! Kein Wunder, so oft wie er es schon geübt hat!", erwiderte sie darauf und boxte mir sanft gegen die Schulter. Hä?! „Was soll Kai geübt haben?" „Na das Geständnis!" Ich schluckte schwer, denn es traf mich wie der Schlag, als würde alles um mich herum einfach auseinander fallen. „Emi, er hat mir kein Geständnis gemacht.", presste ich hervor und fühlte, wie die Übelkeit in mir hoch stieg und die jahrelangen Lügen meinen Hals zuschnürten. „W...was?", starrte mich meine Gegenüber an, doch da war es bereits zu spät. Ich musste hier raus! Grob schubste ich meine Freundin zur Seite, sprang hoch und stürmte aus dem Gebäude. Ich musste hier weg! Die kalte, frische Luft schlug mir ins Gesicht, doch es war mir egal. Alles schien plötzlich so irrelevant. „Ich muss zu Alex!" Zu Alex! Ich musste ins Krankenhaus! Isaac, das Krankenhaus!
Der Wind wehte um meine Beine, trieb mich nach vorn, immer weiter, weiter und über mir flogen die Vögel in Scharen Richtung Süden. Ach, was hätte ich nur dafür gegeben, mit ihnen zu ziehen, weg von hier, weg von diesen Problemen, diesen Lügen, diesen Gedanken und allen schlimmen Dingen. Weg von Leid und Zweifeln. Manchmal wäre es doch so viel leichter, ein einfacher Zugvogel zu sein.
Ich konnte nicht glauben, was Emi mir da verraten hatte. Ich konnte es einfach nicht! Mein ganzes Leben lang war Kai an meiner Seite gewesen. Wir waren zusammen aufgewachsen, wie Brüder. Es konnte nicht sein, dass er sowas für mich empfand und vor allem, hieß es nicht einmal, wir könnten uns alles sagen? Kai hätte mir seine Liebe gestanden, natürlich hätte er das, denn wir konnten uns doch alles anvertrauen! Jede Sache, ob von kleinem Wert oder gigantischem! Tränen stiegen mir in die Augen. Vertrauen! Das war es doch, was er nicht in mich hatte! Doch nun wurde mir alles klar. 'Bist du verliebt?' hatte er mich gefragt, auf Mike war er eifersüchtig gewesen und als ich ihm vom Kuss mit Alex erzählt hatte, wie schlecht musste es ihm da nur gegangen sein?! Alles meinetwegen! Ein Schluchzen entrann mir und ich spürte die Blicke der Passanten auf meiner Haut. Alles irrelevant. Wie lange wollte Kai es noch für sich behalten?! Wie lange mich anlügen, sich verletzten lassen?! Alles meinetwegen, nur ich trug die Schuld, ich allein.
Tränen verschleierten meine Sicht auf die Welt und ich fühlte, wie mein Herz sich vor Schmerz verkrampfte. Ohne zu wissen wie, bewegten sich meine Beine wie von allein und ich stolperte mehr schlecht als recht über die langen Fußwege der Hauptstraße. Plötzlich jedoch wurde mein Weg unterbrochen, als ich unerwartet gegen etwas Weiches lief. Der Schreck riss mich aus meinen Gedanken, ehe ich zu Boden fiel und vor lauter Überraschung und Gefühlen in mir, einen schrillen Schrei ausstieß. Dies ließ wohl auch meine Wegblockade nicht kalt, denn diese zuckte ebenfalls zusammen und drehte sich mir besorgt zu. „Oh, tut mir leid!", meinte die vermeidlich fremde Person und reichte mir die Hand, doch diese Stimme, diese warme Stimme kam mir mehr als bekannt vor! Vorsichtig schaute ich an dem Körper hinauf und erkannte... Oh Gott, das konnte unmöglich wahr sein!

Liebe?! Lieber nicht! ||Boyslove Yaoi~♡Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt