34. Kapitel- Sonntags bei Isaac

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Die warmen Strahlen der Sonne fielen auf mein Bett, kitzelten mich im Gesicht. Noch ganz Verschlafen öffnete ich meine Augen und blinzelte gegen das sanfte Licht. Die Nacht war ruhig gewesen. Kai hatte auf meinem frisch-bezogenen Sofa übernachtet. Wie jedes Mal hatte ich ihm mein Bett angeboten. Mich störte es doch nicht, auf der Couch zu schlafen, doch wie immer hatte er dankend abgelehnt. Langsam setzte ich mich auf und streckte mich. Heute war wohl mein letzter freier Tag. Was ich heute so unternehmen könnte? Vielleicht einmal zum Laden und Putzarbeiten erledigen- immerhin hatte ich die Arbeit einer ganzen Woche nachzuholen- und anschließend einen Kaffee trinken gehen? Das hörte sich gar nicht einmal schlecht an! Gern hätte ich auch etwas mit Kai gemacht, doch wusste ich genau, dass dieser, sonntags nie Zeit hatte. Sein Beruf nahm ihn eben sehr in Anspruch. Ich rieb mir den Schlafsand aus dem Gesicht und erhob mich, während ich genüsslich gähnend nach einem langärmligen Oberteil zum Überziehen suchte. Jacke oder Pullover, war mir dabei völlig egal. Ich griff einfach das erstbeste, was mir zwischen die Finger kam und zog es mir über den Kopf. Rasch schlüpfte ich mit den Armen in die Löcher des weichen Stoffes und wurde sofort von diesem molligen Gefühl umhüllt. Erst als ich an mir hinab sah, bemerkte ich, dass der Zufall mir tatsächlich das Kleidungsstück von Alex bereit gelegt hatte. Sein dunkler Pullover hatte schon beim ersten Tragen, ein Gefühl von Geborgenheit in mir ausgelöst, dennoch überraschte es mich immer wieder aufs Neue. Wie es ihm wohl seit unserem letzten Treffen ergangen war? Sicherlich ging es ihm gut, dies hoffte ich zumindest. Dieser Mensch brachte zwar nur Stress und Ärger mit sich, aber so übel war er auch wieder nicht. Es klopfte gegen meine Tür und ich hörte auf. „Guten Morgen. Bist du schon wach?" Mit diesen Worten trat mein bester Freund ins Zimmer, stockte jedoch sogleich, als er mich erblickte. „Hast beim Einkaufen wohl die falsche Größe erwischt?", fragte er und konnte das Grinsen nicht unterdrücken, auch wenn er es sichtlich versuchte. Er machte sich gern lustig über mich, doch diesmal nicht! „Nein. Ein Bekannter hat mir den Geschenkt.", bezog ich mich auf den Pulli und konterte somit. Kai runzelte mit der Stirn. Ob es ihm merkwürdig vorkam, mich in der Kleidung eines anderen Mannes zu sehen? Aber nein, von Kai hatte ich in der Vergangenheit ja auch des Öfteren Sweatjacken getragen. Abgesehen davon, nach der Sache gestern, konnte ihn wahrscheinlich rein gar nichts mehr schocken. „Achso.", wunderte er sich kurz und sprach dann nur: „Ich hab Frühstück für uns gemacht, muss ja bald los." Ich nickte dankend und folgte ihm, als er sich umdrehte und mein Zimmer verließ. Wir ließen uns auf den Stühlen am Esstisch fallen und ich musste wirklich sagen, wenn Kai eins konnte, dann war es Frühstück machen! „Wow, sieht das lecker aus!", bewunderte ich die Leckereien, wie Spiegelei oder Pfannkuchen. Hier gab es ungelogen alles! „Ich bin etwas früher aufgestanden und war noch schnell einkaufen. Du hattest ja wirklich überhaupt nichts mehr da! Außerdem wusste ich nicht, worauf du heut' so Hunger hast. Das ist bei dir ja immer recht unterschiedlich, also hab ich von jedem etwas gemacht." Ich sah ihn mit großen, funkelnden Augen an. „Oh, danke!", strahlte ich aus dem ganzen Gesicht. Heute würde ein guter Tag werden, das wusste ich genau, denn wenn er schon so schön begann, konnte nur noch schöneres folgen!
Nach dem Frühstück musste sich Kai leider schon verabschieden, aber so war das nun 'mal, wenn man sein Leben der Arbeit widmete, was ich sehr gut nachvollziehen konnte. Ich umarmte ihn zum Abschied. Dank Mike wusste ich, dass so etwas selbst in unserem Alter und sogar unter Männern, nicht unangebracht war. Man nahm es vielleicht nicht gleich zur Kenntnis, da er ziemlich kindlich wirkte, doch von Mike konnte man wirklich unerwartet viel lernen! „Bis dann!" Kai winkte mir lächelnd zu, bevor er den Hausflur hinab schritt und mit einem leisen Türfallen aus dem Erdgeschoss, verschwand. Weg war er, ich blieb allein zurück. Kurz betrachtete ich noch die Stufen des Treppenhauses, doch nach einem leisen Seufzten, begann ich mit den allgemeinen, morgendlichen Ritualen wie unter anderem Duschen, Anziehen, Zähne putzen und Haare kämmen. Letzteres gestaltete sich allerdings ungewöhnlich schwierig. Zwar versuchte ich meine Haare in Form zu bekommen, doch waren sie heute nicht gerade kooperativ. Letztlich entschied ich mich einfach für eine graue Stoff-Mütze, die die widerspenstige Mähne verstecken sollte. Ich hatte es zwar nicht eilig, doch wollte ich auch nicht den ganzen Tag verträumen, weshalb ich mich auch versuchte, zu beeilen. Nicht zu hetzten, nur zu beeilen. Und tatsächlich war ich nur wenig später selbst im Hausflur und verstaute meinen Schlüsselbund, sowie das Handy in den Taschen meiner schlichten Blue-Jeans. Alex' Oberteil hatte ich beschlossen, anzubehalten. Es war dick und warm, also wieso nicht? Auf den Straßen war es kälter, als ich zunächst angenommen hatte. Die Temperaturen kletterten von Tag zu Tag immer tiefer, das merkte man deutlich. Ein Glück hatte ich an den grauen Schal meines Freundes gedacht, der nun schützend um meinen Hals lag. Wenn das mit dem Wetter so weiter ging, brauchte ich jedoch dringend neue Schuhe, denn meine schwarzen Sneakers waren schon etwas älter und vermutlich nicht mehr so wasserdicht, wie am Anfang ihres Lebens. Dennoch, sie waren wirklich wertvoll für mich, voller Erinnerungen und wegschmeißen würde ich sie auf keinen Fall! Da es nicht mehr besonders zeitig war, streunten bereits einige Menschen durch die langen Straßen und kleinen Gassen. Immer wieder dasselbe, Leute, ohne Zeit für die wichtigen Dinge des Lebens, doch allmählich war das gar nicht mehr das einzige, was mich an ihnen störte. Jeder hatte einen Partner, ein Kind oder die Eltern an der Hand. Keiner war allein unterwegs, niemand, außer mir. Selbst diejenigen, die nicht verliebt oder mit der Familie unterwegs waren, hatten jemanden. Man unterhielt sich lachend mit den Freunden oder Bekannten. Es war ein merkwürdiges Gefühl, was in mir auf braute, doch ich wusste gleich, ich mochte es nicht. Heute würde man es vermutlich so etwas wie 'Einsamkeit' nennen, damals war es schlichtweg ein seltsames etwas in mir, was ich am liebsten gleich wieder vergessen hätte.
Als ich am Laden angekommen war, zog ich den alten Schlüssel hervor und drehte ihn in dem rostigen Schloss, wie ich es immer tat, wenn der Laden mich erwartete. Einsamkeit hin oder her, dies hier war mein Zuhause, alles was ich brauchte! Ich öffnete die schwere Tür und das Glöckchen über ihr begann zu Schellen. Der angenehme Geruch der alten Bücher stieg mir sofort in die Nase und die Atmosphäre sprang mich quasi an, dennoch hatte ich das Gefühl, es hatte sich etwas verändert. Dieser Laden war zwar mein Schatz und ich war noch immer völlig hin und weg von ihm, doch war nun etwas anders. Alles schien irgendwie grauer und die Begeisterung, sie hatte abgenommen, wenn auch nur ein klein wenig. Allgemein befriedigte mich der Anblick dieses Meisterwerks von Geschäft nicht mehr so sehr, wie noch vor eineinhalb Wochen. Woran das lag? Wer wusste das schon? Vielleicht nur eine Phase. Vorsichtig ließ ich das alte Holz, das meine Hand festhielt, ins Schloss fallen und setzte stumm ich einen Fuß vor den anderen, als müsste ich genau darauf achten, wohin ich trat. Ich war allein, kein Wunder an einem Sonntag. Allerdings war das auch gut, denn so hatte ich genügend Ruhe und Zeit zum Saubermachen. Nun machte ich mich also an die Arbeit, schrubbte die Böden, wischte den Staub von den Regalen. Solche Aufgaben erfüllten mich wirklich und schon nach kurzer Zeit hatte ich den Laden wieder auf Form gebracht! Jetzt wirkte er doch gleich viel attraktiver Gerade strich ich noch mit dem Lappen über die Verkaufstheke, da erklang plötzlich die kleine Glocke des Eingangs. „Entschuldigen Sie, wir haben geschlossen!", kam es bei mir gerade wie aus der Pistole geschossen, doch bekam ich eine überraschend ungewöhnliche Antwort „Ich arbeite hier.", sprach eine tiefe Stimme recht monoton. Bitte was? Sofort sah ich auf, da stockte mir der Atem. "Alex?"...

Liebe?! Lieber nicht! ||Boyslove Yaoi~♡Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt