55. Kapitel- Engel

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„Danke für das leckere Abendessen.", lächelte Kai glücklich während er sich seine Jacke überzog. Ich nickte nur nüchtern. „War ja dein Verdienst.", murmelte ich und lehnte mich gegen die, im Flur stehende, Kommode. Nun war die Zeit tatsächlich schneller vergangen als gedacht, doch schlecht war dies auf keinen Fall. Immerhin würde Kai nun gehen, was ja von Anfang an mein Ziel gewesen war. Dennoch fühlte ich nicht gerade Glück bei dem Abschied von ihm. „Ich hoffe, es geht dir bald besser und dass der Kummer den du hast, welcher auch immer es ist, bald verschwindet.", sprach Kai sanft und strich mir mit seinem Handrücken warm über meine Wange. Ich sah zu ihm auf. Selbst jetzt wollte er mich noch aufmuntern, mir beistehen und das, obwohl er den Inhalt meines Problems nicht einmal erahnen konnte. Er war ein wahrer Freund. So einer, wie er von jedem Menschen erwünscht wird, oder? Kai nickte also zum Abschied und schritt hinaus in den Hausflur. Freudig stieg er die ersten Stufen im Treppenhaus hinab, schien recht zufrieden zu sein. Ich allerdings fragte mich, wie ihn ein so vollkommen alltägliches Abendessen ohne jedes Vorkommnis, derart glücklich stimmen konnte. Reichte es ihm etwa, einfach nur bei mir zu sein? Brauchte er keine fragwürdigen Erlebnisse, wie den Kuss letztens, um froh zu sein? Nun, Kai war schon immer ein genügsamer Mensch gewesen, doch konnte er so auf Dauer seinen Frieden finden? Konnte er so tatsächlich das wunderbare Leben führen, was er verdient hatte? „Kai!", rief ich dann und lief los. Mein Freund- gerade im Untergeschoss angekommen- blieb verwundert stehen, doch bevor er die Situation überhaupt deuten konnte, hatte ich ihn schon fest umarmt und drückte mich gegen ihn. Er schien etwas perplex, doch es dauerte nicht einmal den Bruchteil einer Sekunde, bis er seine Arme auch um mich gelegt hatte und seine Wärme über seine kräftigen Hände, auch in mich überging. Der Geruch seiner Haut raubte mir fast den Verstand, doch ich genoss es so sehr, ihm nah zu sein. Sanft strich er mir durchs Haar und hob mein Kinn an. In seinem Blick lag Sorge, was ich nur zu gut nachvollziehen konnte, denn ich fühlte genauso. Was war bloß mit Kai los? Was, wenn ich ihn durch mein Verhalten nur noch mehr verletzte? Zweifel und Schulgefühle fraßen sich durch meinen Körper, ließen mich erkranken. „Entschuldige.", hauchte ich, konnte die Umarmung nur schwer lösen, so sehr sehnte mein Körper sich nach Kai. Was mit mir los war? Das konnte ich mir selbst nicht erklären. Ich fühlte mich plötzlich, als gehöre ich gar nicht hier her. Als wäre alles, was ich in den letzten Jahren getan hatte, ein riesiger Fehler gewesen. „Gute Nacht.", mit diesen Worten ließ ich meinen ahnungslosen Freund zurück, schloss mich in meiner Wohnung ein und sank dort zu Boden. Was war bloß los mit mir? Hatte ich mir etwa was eingefangen? Eine Grippe vielleicht? Ich schüttelte über mich selbst den Kopf. Das alles auf einen Fieberwahn zu schieben, ja, das hätte mir wohl so gepasst. Doch in Wahrheit wusste ich, dass es weder eine Erkältung, noch ähnliches war. Es war Kai. Er war das Virus, was meinen Körper und mein Herz befallen hatte. Er war es, in dessen Händen meine Haut glühte. Doof nur, dass ich damit nicht zu einem Arzt gehen konnte und ein Gegenmittel für diese Krankheit gab es wohl auch nicht.
Seufzend erhob ich mich. Was dachte ich da eigentlich? Kai und ich waren doch wie Brüder. Wir waren beste Freunde oder reichte mir das etwa nicht mehr? Schwer schluckte ich und beschloss mich Schlafen zu legen, denn der Tag war anstrengend und lang gewesen, viel zu lang.
Stumm zog ich mir mein Shirt über den Kopf und ließ es neben die Tür des Schlafzimmers fallen. Auch meine Hose sank hinab. Ohne ein Wort kuschelte ich mich in mein Bett, von dem ich bis dahin gar nicht gewusst hatte, wie furchtbar groß es ohne Kai war. Früher war mir das nie aufgefallen, doch nun quälte mich diese Leere neben mir. Außerdem vermisste ich die schützende Wärme, die mein Freund ausstrahlte. Seltsames Gefühl, so allein hier zu liegen. Was wäre, wenn ich nun einschliefe und morgen alles so wäre wie gestern? Was, wenn dieser Tag nie geschehen wäre? Wenn ich nie von Kais wahren Gefühlen erfahren hätte? Würde ich dann jetzt dennoch so empfinden? Wäre mir trotzdem so kalt? Ich rieb mir die Augen. Kälte hin oder her, ich sollte versuchen schlafen und einfach darauf hoffen, dass die heutigen Geschehnisse in der Bücherei und zum Abend hin, vielleicht wirklich nur ein schlechter Traum waren. Ein Albtraum, nichts weiter. Mit diesem Gedanken schloss ich die Augen und ließ diesen aufwühlenden Tag, voll Überraschungen und Tränen, leise enden. Auf das die Tage darauf, nur noch schöne seien mögen.

Liebe?! Lieber nicht! ||Boyslove Yaoi~♡Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt