Der Kunsthändler

Kein Sexting, mh?

Als ich aus der Dusche komme, ist Harry verschwunden.
Schnell sammele ich meine Dienstkleidung vom Fußboden auf, bringe diese in mein Schlafzimmer und schlüpfe in eine Jogginghose und einen dicken Pullover.
Von mir aus hätte er ruhig noch ein bisschen bleiben können, aber so habe ich jetzt wenigstens Zeit für mein Abendessen.
Ich habe im Kühlschrank noch einige Reste von Nialls Lasagne. Liam hatte sie vor zwei Tagen mit auf das Revier gebracht. Er weiß, dass ich für Nialls Essen sterbe. Der Ire ist ein begnadeter Koch und das sage ich ihm immer wieder. Ich lobe ihn jedes Mal in den höchsten Tönen und so kommt es oft vor, dass Liam mir irgendwelche Reste mit zur Arbeit bringt.

"Schon wieder?", werde ich am nächsten Tag begrüßt und schaue belustigt zu meinem Kollegen, der gerade zwei Tassen mit Kaffee füllt. Als ich bei ihm ankomme, reicht er mir eine und mustert mich.
"War es der Gleiche?", möchte er wissen und begleitet mich zu meinem Schreibtisch. Schnell nippe ich an meiner Tasse, lasse mich auf meinen Stuhl sinken und sehe meinen besten Freund an.
"Ich weiß nicht, was du meinst."
Liam lacht und verdreht seine Augen. "Dein Sex-Grinsen, Louis. Es verrät dich. Also?" - "Nein".
Verwirrt hebt mein bester Freund seine Augenbrauen. "Nein? Nein, wie, es war nicht der gleiche Typ, oder Nein, wie, es war keine neue Eroberung?".
"Nein, wie, wir haben Besseres zu tun", werden wir unterbrochen, als May zu unseren Schreibtischen kommt. "Ich habe einen Anruf erhalten, vermutlich häusliche Gewalt. Tony und Sam sind schon wegen eines anderen Falls unterwegs. Der Chief will, dass ihr hinfahrt."

Die häusliche Gewalt stellte sich schnell als lauter Streit heraus, ohne irgendwelche Körperverletzungen. Das Paar hatte sich einfach auf ihrer Terrasse angeschrien, wobei die Frau des Hauses eine waschechte Latina mit Feuer im Blut ist. Besorgte Nachbarn hatten den Streit falsch aufgefasst und somit konnten wir schnell wieder zurück zum Revier fahren.
Als Liam den Wagen durch die kleine Stadt fährt, vibriert mein Handy und kündigt mir eine neue Nachricht an. Ich ziehe es aus meiner Jacke, grinse, als ich erkenne, dass die Nachricht von Harry ist und öffne das Chatfenster. Doch kaum erblicke ich die gesendete Nachricht, verschlucke ich mich und muss husten.
Was zum-?
"Alles okay?". Besorgt mustert Liam mich, doch ich nicke. "Nur verschluckt".
Schnell schaue ich erneut auf mein Handy, huste noch einmal und betrachte dann das Bild, welches vor meinen Augen erscheint.
Der hat mich eiskalt unter der Dusche fotografiert?
Er muss mir gefolgt sein, sobald das Wasser anging. Die Scheiben der Duschkabine sind noch nicht beschlagen und so hatte er einen wundervollen Blick auf meine Kehrseite.

Harry: Ich habe mir ein Andenken geschossen, damit ich bis zu unserem nächsten Treffen etwas habe, was ich mir in einsamen Stunden anschauen kann.

In einsamen Stunden?

Ich: Du hättest mit unter die Dusche kommen können.

Das wäre sicherlich heiß geworden.

Harry: Dann hätte ich jetzt kein Foto.

Schmunzelnd beiße ich mir auf meine Lippe, schiele kurz zu Liam, doch der ist auf die Straße konzentriert.

Ich: Gleichberechtigung, schon vergessen? Was bekomme ich für einsame Stunden?

"Na, Sexting?".
Liam lacht und fährt auf den Parkplatz unseres Reviers. Ich brumme genervt, schnalle mich ab und sehe erneut auf mein Handy. Er ist nicht mehr online.
"Wie alt bin ich? 19?". Sexting. Aus dem Alter bin ich raus.
"Ey, sowas ist heiß. Es gibt einem eine gewisse Vorfreude auf das, was später zu Hause auf einen wartet." Grinsend hebe ich meine Augenbrauen, während Liam und ich den Wagen verlassen und das Revier betreten. "So? Dann schreibt dir Niall also versaute Nachrichten?". Mein Kollege grinst, wird kaum merklich rot im Gesicht und hält mir die große Glastür auf. "Und was für welche".

Zurück an meinem Schreibtisch schaue ich erneut auf mein Handy und muss grinsen, als ich eine neue Nachricht von Harry habe. Ich schaue zu Liam, der wieder an der Kaffeemaschine steht und schnell nutze ich die ungestörte Minute, damit ich den Chat öffnen kann.

Harry: Vorfreude ist die schönste Freude, Officer.

Dann folgt ein Foto und ich ziehe scharf die Luft ein.
Scheiße, dieser Mann ist so unglaublich heiß.
Er hat ein Spiegelselfie gemacht, allerdings nicht von seinem Gesicht, sondern von seinem Rücken. Und seinem Hintern. Nackt.

"Nicht sabbern, Tommo". Liam lacht, stellt mir meine Kaffeetasse vor die Nase und mustert mich grinsend. Mit roten Wangen schaue ich auf, verdecke das Display meines Handys und merke, wie das Bild ein gewisses Kribbeln in mir hervorruft. "Nette Nachricht erhalten?", will er wissen, lässt sich an seinem Schreibtisch nieder und sieht mich noch immer belustigt an. "Und was für eine".

Ich: Wie soll ich denn jetzt noch arbeiten?

Harry: Du kannst herkommen und mich verhaften, Officer.

Ich: Hast du denn eine Straftat begangen?

Erregt beiße ich mir auf meine Lippe. Der Gedanke an einen nackten Harry mit Handschellen an meinem Bett erscheint und lässt das Kribbeln in mir wachsen.

Harry: Noch nicht.

Ich: Ich habe um 20.00 Uhr Feierabend.

Ich muss ihn heute sehen.

Harry: Bis später!

Tief atme ich durch, stecke mein Handy zurück in meine Jackentasche und greife nach meinem Kaffee. Ich muss diese Bilder aus meinem Kopf bekommen. Wie soll ich sonst gleich meinen Bericht schreiben?
"Kein Sexting, mh?"