Der Kunsthändler

Adidas Größe 45

Mein Herz flattert, als ich mein Handy neben mich auf die Matratze lege. Hinzu kommt ein Knoten in meinem Magen, welcher jeden Moment droht zu platzen.
"Alles okay?", möchte Harry wissen und sieht mich besorgt an. Er streckt seine Hand nach mir aus, möchte sie auf meinen Unterarm legen, doch ich schüttele meinen Kopf und stehe mit wackeligen Beinen auf.
"Die Gemälde wurden gefunden."
Harry nickt.
"Damit habe ich gerechnet."
Ich auch, aber - ich habe einfach gehofft, dass wir noch ein bisschen mehr Zeit haben werden.
Nervös fahre ich mir durch meine Haare, versuche ruhig zu atmen, ehe ich mich dem Kleiderschrank zuwende und nach meiner Uniform suche.
Jetzt gerade frage ich mich, ob es so klug war, mich hier ein wenig häuslich einzurichten.

Harry beobachtet jede meiner Bewegungen. Er sagt keinen Ton und ist, im Gegensatz zu mir, vollkommen ruhig und entspannt.
Wie verdammt kann er so ruhig bleiben?
Ich kann keine Zeit mehr schinden. Liam wartet sicherlich bereits auf mich am Tatort. 
"Werden wir... werden wir irgendwelche Spuren finden? Irgendetwas, was auf euch hinweist?"
Kann man sich auf sowas mental vorbereiten?
Vielleicht sollte ich mir gleich selbst auch schon einmal Handschellen umlegen. 
Ein Seufzen erklingt und plötzlich steht mein Lockenkopf vor mir.
"Love, mach dir keine Gedanken. Es wird alles gut gehen."
Schnaubend schüttele ich meinen Kopf.
"Wie kannst du dir da so sicher sein? Wenn da auch nur ein Haar von dir rumliegt, dann sind wir alle am Arsch! Nicht nur du und Zayn! May und ich sind dann ebenfalls dran."
Die Augen meines Freundes mustern mich sorgsam, ehe er mich in seine Arme zieht und mir einen Kuss auf die Schläfe haucht. 
"Wir haben dafür gesorgt, dass es keine Spuren geben wird. Vertrau mir einfach."

Eine dreiviertel Stunde später steige ich aus meinen Wagen und gehe den kleinen Trampelpfad entlang, an welchem einige Kollegen und sogar schon Reporter stehen. Genervt verdrehe ich meine Augen, als sie mir das Mikrofon unter die Nase halten und mir dämliche Fragen stellen.
Sehen die nicht, dass ich gerade erst angekommen bin?
Erleichtert atme ich auf, als ich das Absperrband erkenne und schlüpfe eilig unter durch, um der Meute zu entkommen.
Abartige Nervensägen.
"Louis!"
Mike eilt zu mir, drückt mir einen Pappbecher mit Kaffee in die Hand und deutet mit dem Kopf Richtung des Chiefs, der ebenfalls vor Ort ist.
"Scott ist gerade dabei, die Zeugenaussage aufzunehmen. Die Dame dort hinten war heute Morgen mit ihrem Hund spazieren, als der kleine Mann einem Kaninchen hinterhergejagt ist. Wenn sie ihm nicht durchs Unterholz gefolgt wäre, dann hätte man die Gemälde vermutlich erst viel später gefunden."
"Schon irgendwelche Hinweise?" möchte ich wissen und spüre, wie der Knoten in meinem Magen zurückkehrt.
"Keine Ahnung. Da musst du Liam fragen. Ich war bis eben damit beschäftigt, die Presse abzuhalten, hier alles platt zu rennen."
Ich bedanke mich bei meinem Kollegen für den Kaffee und gehe die wenigen Meter zu Liam, welcher mit einer Kamera in der Hand vor einem Stapel Gemälde steht und fleißig vor sich hin fotografiert.
"Hey", mache ich auf mich aufmerksam und bekomme ein Lächeln, als mein bester Freund das Fotografieren einstellt.
"Wieso hat das so lange gedauert?", möchte er wissen und grinst im selben Augenblick.
"Du warst bei ihm, richtig?"
Nickend schiele ich zum Chief, der keine drei Meter von uns entfernt steht. 
"Schon irgendwelche Spuren?"
Mein bester Freund nickt, drückt auf seiner Kamera herum und hält mir das Display unter die Nase.
"Wir konnten Schuhabdrücke sichern."
Sofort verengt sich meine Kehle, doch als ich mir das Bild genauer anschaue, sehe ich Liam stirnrunzelnd an.
"Adidas?"
Mein Kollege nickt und verdreht dann seine Augen. "Und ungefähr Größe 45."
"Das passt zu jedem Zweiten", brumme ich und merke innerlich die Erleichterung. Schuhgröße und dann auch noch Adidas. Das ist wie die Nadel im Heuhaufen suchen.
"Allerdings müssen es zwei Personen gewesen sein", erklingt die Stimme von Liam, während er erneut auf der Kamera herumdrückt und mir ein weiteres Bild zeigt.
Zu sehen sind vier Schuhabdrücke. Doch als ich genauer hinschaue, kann ich mir ein leises Lachen nicht verkneifen.
"Adidas und Größe 45."
Liam brummt irgendetwas und seufzt anschließend. Die hängt sich die Kamera um den Hals und sieht sich einmal um.
"Theoretisch haben wir gar nichts. Wir können nur hoffen, dass auf den Gemälden oder den Rahmen irgendwelche Fingerabdrücke sind. Vielleicht finden wir irgendeine DNA."  
Auch wenn ich zustimmend nicke, hoffe ich natürlich, dass wir nichts finden werden. Handschuhe werden die beiden sicherlich getragen haben, aber was, wenn Harry doch eines seiner Haare irgendwo verloren hat? Oder Zayn?
"Wie verfahren wir weiter?", möchte ich wissen und spüre die Müdigkeit in mir aufkommen. Ich brauche endlich Schlaf.
"Gut, dass Sie fragen, Tomlinson." 
Der Chief stellt sich neben mich und nippt an seinem Pappbecher.
"Wir werden die Gemälde mitnehmen und dann nehmen wir sie komplett auseinander. Wir werden schon irgendetwas finden."
Das hoffe ich nicht.
Nachdenklich sieht er auf den Haufen Bilder, dann zu Liam und mir.
"Machen Sie Feierabend und schlafen sich aus. Wir kommen bis morgen auch ohne Sie klar. Jetzt liegt eh alles in den Händen unserer Laboranten."

Gemeinsam mit Liam stampfe ich den Pfad entlang. 
Die Presse ist mittlerweile verschwunden und so fertig wie Mike aussieht, hat es ihn einiges an Kraft gekostet.
Als wir dann an unseren Autos ankommen, beschließe ich, dass ich Harrys Vorschlag wahrmachen möchte. Ich muss mich ablenken und auf andere Gedanken kommen. Nur herumzusitzen und darauf zu warten, dass doch irgendwo die DNA von meinem Freund auftaucht, treibt mich nur in den Wahnsinn.
"Haben du und Niall Lust, heute Abend mit Harry und mir gemeinsam essen zu gehen? May und Zayn würde ich auch noch fragen."
Mein bester Freund sieht mich überrascht an, nickt dann aber lächelnd.
"Klar, warum nicht? Allerdings muss ich erst Niall fragen, ob er Zeit hat. Ich melde mich gleich nochmal bei dir, ja?"
Nickend schließe ich mein Auto auf und schenke dem Braunhaarigen ein schiefes Grinsen.
"Wenn ich nicht sofort antworte, schlafe ich schon. Ich bin froh, wenn ich heile zu Hause ankomme."

Zu Hause.
Also bei Harry.
Also irgendwie - doch. Zu Hause.