Sie werden so schnell erwachsen.

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Einige Tage später habe ich frei. Das habe ich immer, wenn wir drei Tage Nachtschicht hatten und ich genieße diese Tage meistens in vollen Zügen. 

Heute lasse ich mich endlich mal wieder bei Liam und Niall blicken. Der Kontakt zu meinem besten Freund hat sich die letzte Zeit nur auf das Revier beschränkt und so langsam nagt das schlechte Gewissen an mir. 

Gut gelaunt erklimme ich die Treppen, bis ich in der zweiten Etage ankommen und ein braunhaariger Ire mir die Tür öffnet.

Okay, anscheinend ist er nun wieder brünett. Letzte Woche war er noch blond, aber bei Niall wechselt das so häufig, dass da keiner mehr durchsteigt.

"Und Sie sind?", möchte Niall wissen und mustert mich skeptisch. Schmunzelnd verdrehe ich meine Augen und reiße Liams Freund einfach in meine Arme. "Schon verstanden, ich war zu lange nicht mehr hier".

Niall nickt, erwidert dann aber endlich meine Umarmung und lässt mich anschließend in die Wohnung.

"Deine Gehirnerschütterung lasse ich als Ausrede gelten, aber was die restliche Zeit betrifft, musst du schon eine Eins A Ausrede parat haben".

Wir gehen in das Wohnzimmer, von Liam allerdings weit und breit keine Spur. Der Ire deutet meinen Blick richtig und lässt sich auf das Sofa fallen, welches seine beste Zeit schon hinter sich hat. "Er ist duschen".

Ich nicke, lasse mir von Niall ein Glas mit selbstgemachter Zitronenlimonade geben und sehe den Iren dann an.

"Es tut mir leid, Ni. Ich weiß, dass ich hätte vorbeikommen sollen".

Der Ire ist nämlich unheimlich anhänglich und nimmt vieles schnell persönlich. Er macht sich Gedanken über Dinge, die jeder andere Mensch einfach hinnehmen würde. Aber wenn ich mich mal eine Woche nicht blicken lasse, sucht Niall sofort den Fehler bei sich. 

"Also?". Wartend schaut er mich an und überschlägt seine Beine, als die Badezimmertür aufgeht und Liam den Raum betritt. "Er hat gevögelt. Habe ich dir doch schon gesagt".

Grinsend schüttele ich meinen Kopf und sehe den Freund meines besten Freundes an. "Ich habe nicht nur gevögelt. Aber Liam hat recht. Ich war sehr beschäftigt."

Plötzlich scheinen Nialls Augen zu leuchten. Freunde zeichnet sich auf seinem Gesicht ab und eine gewisse Hibbeligkeit erreicht seinen Körper. "Also stimmt es? Du bist in festen Händen?".

Mit roten Wangen nicke ich und kann nicht verhindern, dass sich dieses verliebte Grinsen auf mein Gesicht meißelt. 

Es passiert automatisch, immer wenn ich an Harry denke und das ist ziemlich oft, nebenbei bemerkt.

Der Ire strahlt über das ganze Gesicht, beugt sich weiter zu mir und sieht mich mit einer immensen Begeisterung an, dass man meinen könnte, Liam hätte ihm gerade das komplette Disneyland geschenkt. 

"Ich muss alles wissen", verlangt er und bringt mich zum Lachen. Hilfesuchend sehe ich zu Liam, doch der steht nur dümmlich grinsend hinter dem Sofa und zuckt mit den Schultern.

"Okay, ich beantworte dir deine Fragen", beschließe ich und sehe erst Liam, dann Niall an. "Aber nur, wenn Liam sich endlich mehr als ein Handtuch anzieht und wir auf den Balkon gehen".

Wie von der Tarantel gestochen springt der Ire auf, schiebt Liam in das Schlafzimmer und eilt dann wieder zu mir. "Und sicherlich möchtest du einen Kaffee, oder?". Zufrieden nicke ich. Der Ire kennt mich eben sehr gut.

Wenig später genießen wir die Sonne auf dem kleinen Balkon. Liam hat eine kurze Chinohose an. Auf ein Shirt hat er verzichtet, aber immerhin ist dieses Outfit mehr, als nur ein Handtuch. 

"Louis", kommt es quengelnd von Liams Freund, welcher ungeduldig mit dem Fuß wippt. Genüsslich nehme ich einen Schluck des Kaffees, lasse mir vielleicht ein bisschen länger Zeit, einfach nur um Niall zu ärgern.

Als der Ire dann aber ernsthaft in Erwägung zieht, beleidigt zu werden, ergebe ich mich seufzend und stelle den Kaffee bei Seite. 

"Okay. Ja, ich bin vergeben".

Niall verdreht seine Augen. "Das weiß ich jetzt, du Idiot. Ich will Details. Wann, wo, wie... ich will ALLES wissen".

Liam lacht und legt einen Arm um seinen Freund. "Ganz ruhig, Ni. Louis wird dir gleich alles erzählen."

Der Blick meines besten Freundes trifft den meinen. "Und ich bin ebenfalls neugierig, denn auch ich weiß absolut nichts über diesen mysteriösen Unbekannten."

Es ist nicht vorwurfsvoll. Liam kennt mich und weiß, dass ich mit meiner Geheimniskrämerei nichts Böses im Sinn habe. Zudem habe ich schon immer die Meinung vertreten, dass Partner die Freunde erst kennenlernen sollten, wenn es etwas Ernstes ist. Oder wenn man absehen kann, dass sich etwas Ernstes entwickelt. 

"Er war mein One-Night-Stand", erkläre ich und sehe, wie Liam nickt. Diesen Teil der Story kennt er ja schon.

"Ich habe ehrlich gesagt nicht damit gerechnet, dass ich ihn nochmal sehe, aber dann haben wir uns durch Zufall wiedergetroffen und naja..." - "Sie haben wieder gevögelt", beendet Liam meinen Satz und grinst.  

Grinsend nicke ich und kann mich noch genau daran erinnern, wie Harry auf einmal im Museum vor mir stand. 

Ich hatte damals mit allem gerechnet. Mit einem alten Knacker, mit einer griesgrämigen Frau in Faltenrock, aber ganz sicher nicht an diesen wunderschönen Engel, der sich als unser Experte herausstellte.

"Wir haben uns sehr oft getroffen und dann hat sich das ganze irgendwie in eine feste Sache entwickelt".

Niall nickt verstehend, sieht aber eher enttäuscht aus. Er hätte lieber eine kitschige Liebesgeschichte gehört. Ein bisschen Drama und am Ende das ganz große Happy End. 

"Hast du ein Foto?", möchte er wissen und auch Liam beugt sich nun näher zu mir. 

Sofort werde ich nervös, merke wie die Röte mir ins Gesicht steigt, während ich fieberhaft überlege, wie ich um ein Foto drumherum komme. "Ähm...nein...also ja, aber ich...öhm", Liam lacht. "Formulieren wir die Frage anders. Hast du ein Foto von seinem Gesicht?".

Innerlich atme ich auf und danke Liam für die Idee meiner Notlüge. "Ich habe Fotos, aber die werde ich euch sicherlich nicht zeigen." Niall schmollt. "Auf Penisbilder kann ich verzichten", murmelt er und sieht wirklich geknickt aus. 

"Aber dann sag mir wenigstens seinen Namen".

Scheiße. 

"Haz", bringe ich schnell über meine Lippen, ohne dass ich irgendeinen Einfluss darauf gehabt habe. Die beiden Männer mir gegenüber schauen irritiert. "Haz?", will Liam wissen und ich nicke. 

"Was für ein seltsamer Name", kommt es von Niall und ich zucke mit den Schultern.  Können die es nicht einfach hinnehmen?
"Und was macht er beruflich?".
Gespielt verdrehe ich meine Augen und stöhne auf. "Leute, was wird das? Wollt ihr mich gleich auch noch aufklären und über Verhütung sprechen?". Mein bester Freund grinst. "Wenn du es schon so sagst, mein Junge", beginnt er und bringt Niall damit zum Kichern. "Wichtig ist, dass du dich vor Geschlechtskrankheiten schützt. Wie man ein Kondom benutzt, weißt du? - Ey...aua!". 

Schockiert legt Liam den Glasuntersetzer zurück auf den Tisch, welchen er von mir an den Kopf bekommen hat. 

"Ich weiß, wie das geht, du Spinner und wenn ihr es genau wissen wollt, haben wir uns letzte Woche testen lassen und warten auf die Ergebnisse."
Nialls Augen werden größer und er schlägt sich die Hand vor den Mund. "Also ist es wirklich Ernst mit euch", haucht er und sieht dann zu Liam. "Sie werden so schnell erwachsen".

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