Du hast geraten

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"Einen wunderschönen guten Tag, meine Herren. Harry Styles. Mir wurde gesagt, Sie brauchen meine Hilfe", stellt sich der Mann in dem schillernden Outfit vor und sieht alle der Runde nach an. An mir bleibt sein Blick einen Moment länger hängen und ungewollt sehe ich Bilder vor meinen Augen, die hier definitiv nichts zu suchen haben.
"Officer Payne, das ist mein Kollege Tomlinson", stellt Liam uns vor, gefolgt von einer kleinen Vorstellungsrunde des Museumsleiters. "Wir haben die Vermutung, dass dieses Bild eine Fälschung ist", erkläre ich und deute auf das Gemälde an der Wand. "Entweder das, oder jemand hat Gefallen daran gefunden, Bilderrahmen auszutauschen".
Der Lockenkopf kichert, sieht dann auf das Bild und nickt.
"Louis, machst du das hier? Dann kann ich schon einmal die Überwachungsvideos sichern. Je schneller wir zurück zum Revier kommen, desto besser".
Liam lässt mich gar nicht antworten, da marschiert er schon los, gefolgt von dem Museumsleiter und dem Wachmann. Ein Blick auf meine Uhr bestätigt meinen Verdacht. Mein bester Freund hat hunger und wenn er hunger hat, dann wird er unerträglich.

Als die drei außer Sichtweite sind, dreht sich der Lockenkopf zu mir und mustert mich. Seine Augen huschen von unten nach oben und das Grinsen auf seinem Gesicht wird noch breiter.
"Ich habe ja vermutet, dass du in Uniform scharf aussiehst, aber das...das übertrifft meine heißesten Träume".
Grinsend verdrehe ich meine Augen und deute auf das Bild. "Also? Was sagst du?".
"Heiß sage ich. Definitiv heiß".
Ein leises Lachen verlässt meinen Mund und ich schüttele den Kopf. "Zum Bild."
"Ouch, ein Korb. Meine Flirtversuche haben letztes Mal besser geklappt".
Er schiebt seine Unterlippe etwas hervor und bringt mich zum Schmunzeln. "Erst die Arbeit, dann das Vergnügen."
Die Grübchen auf dem Gesicht des Kunstexperten erscheinen wieder, ehe er nickt und sich zum Bild dreht.
Seine Augen scannen das Bild Millimeter für Millimeter. Langsam macht er einen weiteren Schritt auf das Bild zu, lässt seinen Finger behutsam über die Oberfläche fahren und geht dann so dicht an das Bild, dass seine Nasenspitze fast die Leinwand berührt. Verwundert ziehe ich meine Stirn kraus und beobachte die Situation aufmerksam. Riecht er gerade an dem Bild?
"Eine Fälschung".
Er entfernt sich wieder von dem Bild, richtet seine Sonnenbrille und nickt, ehe er erneut einen kurzen Blick auf das Bild wirft, mich dann wieder ansieht und grinst. "Da hat jemand dieses unglaubliche Bild einfach gefälscht. Verdammt gut, wenn man das mal sagen kann."
Ich möchte etwas erwidern, als Schritte erklingen und Liam zusammen mit dem Museumsleiter zurückkommt. Der Wachmann ist nicht dabei.
"Und?", möchte der Leiter wissen und sieht neugierig und mit einem gewissen Hauch von Hoffnung zu Harry. Natürlich wünscht er sich lieber einen Freak, der einfach nur Bilderrahmen austauscht, aber die Wahrscheinlichkeit war von Anfang an so groß wie ein Sechser im Lotto.
"Eine Fälschung", erklärt der Kunstexperte. "Eine wahrlich Gute, wenn Sie mich fragen. Unglaublich, was der Künstler geleistet hat. Mit bloßem Auge kaum zu erkennen. Der Maler ist ein wahrer Meister". Begeistert fahren Harrys Finger erneut über das Bild, ehe er zurück zu Liam und zum Museumsleiter sieht. "Aber er hat einige Fehler gemacht".
Als Harry sieht, dass alle ihn neugierig anschauen, grinst er und strafft seine Schultern.
„Zuerst - es riecht nach Farbe. Bilder, die so alt sind wie dieses, riechen nicht mehr nach Farbe. Doch dieses Bild wurde vermutlich erst vor einigen Tagen fertiggestellt. Der Ölgeruch ist noch deutlich zu riechen. Dann haben wir die Oberfläche. Der Maler hat einen härteren Pinsel benutzt. Auf den Werken von Picasso ist die Pinselführung weicher, nicht so kantig. Und zu guter Letzt... die Farben. Wenn man genau hinsieht, erkennt man hier eine Blaunuance, die es zu Picassozeiten nicht gab. Picasso hat seine Blautöne gemischt, sie waren nie gleich. Auf keinem seiner Bilder, doch hier...hier sieht man den gleichen Blauton gleich an mehreren Stellen."
Verblüfft sehe ich den Lockenkopf an und auch Liam hat eine Augenbraue gehoben. "Wir können jetzt natürlich noch einige Laboruntersuchungen machen. Die Farben auswerten, Proben nehmen...aber wenn Sie mich fragen, wäre das vollkommen überflüssig."
"Also hat man uns beklaut?", möchte der Museumsleiter verzweifelt wissen und sieht dabei so aus, als wenn er jeden Moment ohnmächtig werden würde. Liam hingegen brummt genervt, sieht den Leiter an und holt seinen Notizblock heraus. "Dann schreiben wir mal eine Anzeige".

Harry dreht sich zu mir, grinst mich noch immer an und zieht eine Karte aus seiner Hemdtasche. Er reicht sie mir und als ich sie mir genauer anschaue, kann auch ich mir ein heimliches Grinsen kaum verkneifen.
Eine schwarze Visitenkarte mit goldener Schrift. Name, eine Adresse und eine Telefonnummer.
"Falls Sie mich brauchen, Officer. Ich stehe jederzeit zur Verfügung."

Als Liam und ich eine Stunde später im Revier zurück sind, scheint die Visitenkarte in meiner Hosentasche schwer wie Blei zu sein. Unauffällig hole ich die Karte heraus, speichere schnell die Handynummer ein und lege die Visitenkarte zu den restlichen Unterlagen des Falles. Liam, der mittlerweile ein Sandwich in der Hand hält und genüsslich kaut, sieht mich an, schluckt seinen Bissen herunter und schüttelt dann seinen Kopf.
"Dieser Styles ist irgendwie komisch". Er leckt sich über den Mundwinkel, erwischt den Klecks Mayonnaise und lehnt sich in seinem Stuhl weiter zurück. "Dieser schrille Auftritt... die Kleidung...irgendwie ein komischer Vogel".
Lachend nippe ich an meinem Kaffee. "Alle Menschen, die etwas mit Kunst zu tun haben, sind komische Vögel, Liam."

Punkt zwanzig Uhr betrete ich meine Zwei-Zimmer-Wohnung und schmeiße meinen Rucksack in die Ecke. Normalerweise würde ich mir jetzt meine Jogginghose anziehen, Essen machen und dann vermutlich vor dem Fernseher einschlafen, doch heute habe ich etwas Wichtigeres zu tun.
Noch in Arbeitskleidung lasse ich mich auf mein Sofa fallen, hole mein Handy aus der Hosentasche und gehe auf den Kontakt meines One-Night-Stands. Ich öffne das Chatfenster und starre auf die leere Seite.
Was soll ich schreiben?
Soll ich ihm überhaupt schreiben?
Wobei, er hat mir die Karte gegeben und seine Worte waren doch komplett zweideutig gemeint, oder?
Und wenn nicht? Wenn ich das hier vollkommen falsch interpretiere?
Dann hätte er aber auch nicht so offensichtlich mit mir geflirtet.

Und während ich noch immer nachdenke, was ich schreiben kann, klingelt auf einmal mein Handy und der Name des Kunsthändlers erscheint auf meinem Display. Erschrocken zucke ich zusammen, räuspere mich einmal und nehme den Anruf entgegen.
"Tomlinson", begrüße ich den Anrufer. Ich will nicht, dass er weiß, dass ich ihn bereits eingespeichert habe. Das sieht so erbärmlich aus.
"Officer, also bitte", erklingt die Stimme von Harry, dunkel und rau, ganz anders als heute im Museum.
"Als wenn du nicht schon seit zehn Minuten auf dein Handy starrst und überlegst, was du mir schreibst."
Überrascht schaue ich mich um, etwas paranoid und räuspere mich erneut. "Hast du Kameras in meiner Wohnung versteckt?". Woher weiß er das?
"Ich bitte dich. Ich bin doch kein alter Sack, der vor seinem Laptop sitzt und sich fröhlich einen von der Palme wedelt, während er Menschen beobachtet. Also wirklich. Ein bisschen mehr Stil solltest du mir schon zutrauen."
"Du hast geraten", brumme ich und fühle mich ertappt.
"Mag sein, aber ich hatte recht. Also Mister Erst-die-Arbeit-dann-das-Vergnügen...wie es der Zufall will bin ich in der Nähe". Grinsend beiße ich mir auf meine Unterlippe. "Und wie es der Zufall will, bin ich zu Hause."
„Gut, dann bin ich in zehn Minuten bei dir".
"Ich warte". Ein leichtes Kribbeln durchströmt meinen Körper, gepaart mit einem Hauch von Vorfreude auf das, was mich heute Nacht erwartet. Als ich gerade auflegen will, ertönt allerdings noch einmal Harrys Stimme aus dem Lautsprecher.
"Ach und Officer? Lass die Uniform an."

Der Kunsthändler Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt