Viel zu viele Fragen kreisen in meinem Kopf herum. Ich kann mich kaum auf die Gespräche am Tisch konzentrieren.
Was meinte der Schwarzhaarige damit, dass Harry sich in Gefahr bringt?
Und was verdammt meinte Harry, was er unter Kontrolle hat?
Ist er vielleicht verheiratet? Hat er sogar Kinder?
Oder schlimmer - ist er vielleicht ein Drogendealer?
Nein.
Das kann ich ausschließen.
In meiner Laufbahn als Polizist habe ich schon viele Drogendealer kennengelernt und Harry sieht nun wirklich nicht wie einer aus. Allerdings...Ausnahmen bestätigen ja bekanntlich die Regel. Aber dann wäre er häufiger am Handy.
Okay, Drogendealer ist wirklich keine Antwort.
Aber was ist es dann?
Was verschweigt der hübsche Lockenkopf mir?
Ist er vielleicht krank?
Schwer krank?
Besorgt mustere ich den hübschen Mann neben mir, welcher sich mit seinem besten Freund unterhält.
Krank sieht er nicht aus.
Hat er vielleicht eine psychische Krankheit?"Louis!".
Erschrocken zucke ich zusammen und blinzele einmal, begegne dann dem Blick von Harry und kann nur ein gedankenverlorenes "Hm?" von mir geben.
Ist er im Zeugenschutzprogramm? Aber wüsste dann dieser Zayn darüber Bescheid? Und weshalb sollte er da überhaupt drin sein?
"Hey, alles okay?", holt mich Harry aus meinen Gedanken und legt mit besorgter Miene seine Hand auf meine Wange. Unweigerlich zucke ich zusammen, verliere mich einen Moment in seinen grünen Augen und komme nicht umher, mir weitere Fragen zu stellen. "Geht es dir nicht gut?".
Ich schüttele meinen Kopf, ziehe meine Stirn kraus.
Irgendwas ist hier doch faul.
"Möchtest du lieber nach Hause?".
Mein Blick schweift zu May, die mich ebenfalls besorgt ansieht, dann zu diesem Zayn, welcher jedoch keineswegs besorgt dreinschaut. Eher sieht er so aus, als wenn er mich am liebsten aus dieser Bar treten möchte. Vermutlich sieht er nicht nur so aus. Ich wette, er würde es liebend gerne tun.
Ich schließe meine Augen, atme einmal durch und nicke dann.
"Okay, ich fahre dich", beschließt der Lockenkopf, doch schnell schüttele ich meinen Kopf. "Ich kann mir ein Uber nehmen". Immerhin war er hier mit seinen Freunden verabredet. Nur weil mein Gedankenkarussell keine Ruhe geben will, muss er nicht seinen Abend aufgeben.
"Auf keinen Fall", protestiert er allerdings und greift nach meiner Hand. "Ich habe dich hierher eingeladen und dann sorge ich auch dafür, dass du gut nach Hause kommst."
Ich möchte ablehnen, doch da steht Harry schon auf und zieht mich mit auf die Beine.Während der Autofahrt schweigen wir und als wir bei mir zu Hause ankommen, steigt Harry wie selbstverständlich mit aus. Mir entgehen seine besorgten Blicke nicht und der Gedankenstrudel wird immer mehr.
Ich muss einfach wissen, was dieses Gespräch in der Bar auf sich hat, denn mein Kopf wird eher keine Ruhe geben.
Immerhin kenne ich mich doch. Im Kaputtdenken bin ich ein Meister.Wir betreten meine Wohnung und ich deute Harry mit einem Kopfnicken an, dass er sich auf das Sofa setzen soll. Schnell schnappe ich mir eine Flasche Weißwein aus dem Kühlschrank, hole zwei Gläser und gehe dann zu ihm, setze mich und stelle die Gläser wie die Flasche auf meinen kleinen Tisch. Harrys Blick ist fragend, seine Augen wachsam, doch ich schenke wortlos die Gläser voll und reiche ihm dann eines davon.
"Was ist los, Louis?", möchte er dann wissen, unterbricht damit die Stille. Ich trinke einen Schluck, überlege, wie ich es am besten formuliere. "Habe ich etwas falsch gemacht?", fragt er unsicher und ich kann ihm ansehen, dass er den gesamten Abend noch einmal in seinem hübschen Kopf Revue passieren lässt.
"Ich weiß es nicht", gestehe ich leise und trinke einen weiteren Schluck. "Sag du es mir".
Sein Blick ist unsicher und voller Fragen, weshalb ich ihn jetzt einfach direkt konfrontiere.
"Ich habe das Gespräch zwischen Zayn und dir mitbekommen."
Kurz scheint der Lockenkopf nicht zu wissen, was ich meine, doch dann kann ich den Ah-Moment in seinem Kopf förmlich sehen. Er fährt sich durch seine Haare, wobei ein weiterer Knopf seines eh schon weit geöffneten Hemdes aufgeht und mich kurz durch die dadurch freigelegte Haut ablenkt. Schnell blinzele ich, trinke einen weiteren Schluck und sehe dann wieder in die grünen Augen, die mich mustern.
"Was genau?", möchte er wissen und klingt dabei alles andere als erfreut.
"Alles."
Er nickt, nimmt nun ebenfalls einen Schluck Wein und fährt sich erneut durch die Haare, bis er seufzt und das Glas abstellt. Das Haarband von seinem Handgelenk findet einen Weg um seine Finger, welche mit Leichtigkeit einen kleinen Knubbel aus seinen Haaren binden. Als der Zopf fertig ist, die Haare nicht mehr stören, nimmt er sich wieder das Weinglas und trinkt."Ich meine...wie soll ich das verstehen? Bist du etwa verheiratet?".
Der Lockenkopf sieht mich verdutzt an, beginnt dann aber zu lachen und schüttelt seinen Kopf.
"Das ist es? Du denkst, dass ich verheiratet bin?".
"Was ist es dann? Was soll ich nicht erfahren, Harry? Bist du krank? Musst du das Land verlassen? Hast du eine ansteckende Krankheit? Verdammt, ich..."- ich breche ab und schüttele meinen Kopf.
Das Lachen verstummt und Harry nimmt meine Hand in seine. Er sieht mich mit einem liebevollen Lächeln an, welches mein Herz schneller zum Schlagen bringt. Viel zu schnell, für eine belanglose Bettgeschichte, wenn wir mal ehrlich sind.
"Nichts davon, Louis. Mach dir keine Gedanken."
Verachtend schnaufe ich auf und entziehe ihm meine Hand. Witzig. Wie soll ich mir denn keine Gedanken machen?
Es könnte alles Mögliche sein.Harry merkt, dass ich mich mit seiner Antwort nicht zufriedengebe, weshalb er leise seufzt und das Glas auf den Tisch stellt. Er faltet seine Hände ineinander, meidet meinen Blick und ich mache mich auf ein schreckliches Geständnis gefasst.
"Zayn macht sich einfach nur Sorgen", beginnt er und lässt mich damit meine Augen verdrehen. "Ich...ich neige dazu, mich komplett abhängig von einer Person zu machen, weißt du?". Irritiert neige ich meinen Kopf, begegne dem Blick des Lockenkopfes. "Wenn...wenn mir jemand gefällt, dann verrenne ich mich in meinen Gefühlen. Ich fokussiere mich dann nur noch auf diese eine Person und vergesse meine Außenwelt komplett. Zayn macht sich deshalb Sorgen. Nach meiner letzten Trennung ging es mir mehr als schlecht, weshalb er natürlich verhindern möchte, dass es sich wiederholt."
"Aber-", beginne ich und versuche in seinem Gesicht ein Anzeichen einer Lüge zu finden. Vergebens.
"Was hat das damit zu tun, dass ich Polizist bin?".
Der Schwarzhaarige hat Harry doch explizit noch einmal darauf hingewiesen.
Er zuckt mit den Schultern. "Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Vielleicht, weil dein Job gefährlich ist. Dir jederzeit etwas passieren könnte... sowas vielleicht."
Seine Worte sacken und ergeben Sinn. Wenn er wirklich so anfällig für toxische Beziehungen ist, dann ist es ja selbstverständlich, dass sein bester Freund sich Sorgen macht. Würde ich vermutlich auch, wenn es sich hierbei um Liam handeln würde.
"Naja und...ich mag dich halt." Der Lockenkopf verdreht seine Augen und lacht. "Was sag ich da? Mögen... ich habe einen scheiß Crush auf dich, Louis. Einen verdammt großen Crush und das merkt mein bester Freund natürlich."
Mein Herz flattert auf und meine Finger beginnen zu kribbeln. Ungewollt verziehen sich meine Mundwinkel zu einem breiten Lächeln.
"Wir sind keine zwölf mehr. Wir schreiben uns keine Zettelchen, auf denen man irgendetwas ankreuzen muss. Wir sind erwachsene Männer, verstehen uns gut, schlafen miteinander und verbringen gerne unsere Zeit zusammen. Wir wissen beide, in welche Richtung sich das hier entwickeln kann und...ich denke einfach, dass Zayn davor Angst hat."
"In welche Richtung hättest du es denn gerne, in welche es sich entwickelt?".
Sein Kopf hebt sich, seine Augen weiten sich minimal und ich kann den kurzen Schock in seinem Gesicht erkennen. Vermutlich ist ihm gar nicht bewusst, was er da gerade gesagt hat.
"Du hast schon recht", gebe ich deshalb zu, greife nach seinen Händen und umschließe diese. Die Fragen in meinem Kopf sind fürs Erste beantwortet, machen Platz für neue Gedanken. Positive Gedanken.
"Wir verstehen uns gut, genießen unsere Zeit zusammen und der Sex, verdammt, der ist einfach unglaublich".
Harry schmunzelt und ich drücke seine Hand ein wenig fester. "Und wenn ich ehrlich zu dir bin, Harry, dann habe ich ebenfalls einen Crush auf dich. Allerdings keinen Kleinen."
Das Schmunzeln in Harrys Gesicht weicht einem zaghaften Lächeln, während er mir etwas entgegenkommt. "Ist das so?", will er wissen, die schüchterne Art komplett verschwunden. Stattdessen ist das kecke Grinsen wieder da, der gewisse Unterton in seiner Stimme, der mich zum Durchdrehen bringt.
Ich nicke und er kommt mir noch ein Stückchen näher.
"Und was machen wir jetzt mit dieser Erkenntnis?", will er wissen, sein Gesicht dabei so nahe, dass ich seinen Atem spüren kann. Ich erwidere das freche Grinsen, lasse seine Hände los und umschließe stattdessen sein Gesicht.
"Jetzt denke ich, dass wir uns küssen sollten".
"Ja", haucht er leise, nickt zur Bestätigung und kann sich das Schmunzeln einfach nicht verkneifen.
"Das denke ich auch, Officer."
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Der Kunsthändler
FanficDie Polizei ist schon eine lange Zeit auf der Suche nach dem Kunstdieb "Picasso". Leider kann er jedes Mal aufs Neue unbemerkt vom Tatort verschwinden und hinterlässt eine exakte Kopie der Gemälde, die er an sich nimmt. Kunsthändler und Experte Har...