"Ich glaube nicht, dass hier heute noch was passiert."
Genervt nehme ich meinen Kaffeebecher aus der Halterung und schaue aus dem Fenster hinüber zu jenem Museum, in welchem wir gestern schon waren.
"Und genau deswegen wird er heute hier auftauchen", kommentiert Liam und lässt das Gebäude nicht aus den Augen.
Ich grummele nur als Antwort, nehme einen weiteren Schluck und verkneife mir jeglichen Kommentar.
Liam ist nämlich der Meinung, dass der Dieb genau deswegen heute einbrechen wird. Weil wir nicht davon ausgehen, dass er heute wieder kommt, wird er genau das machen. Umgekehrte Psychologie, hat Liam es genannt. Doch ich glaube, er liegt da genau falsch.Mein Blick gleitet auf die kleine Uhr, die neben dem Radio ist.
2:49 Uhr.
Noch drei Stunden, bis ich endlich ins Bett kann.
Dieses stumpfe herumsitzen ist nichts für mich und die Müdigkeit breitet sich von Minute zu Minute mehr aus.Wir sitzen noch weitere dreißig Minuten im Streifenwagen, bis Mays Stimme aus dem Funk ertönt.
"Gemeldeter Einbruch in der Jefferson Galerie"
Mit einem wissenden Blick sehe ich meinen Kollegen an, verkneife mir ein "Ich habe es dir ja gesagt" und schalte das Blaulicht an, während Liam den Wagen startet.Unser Ziel erreichen wir schnell und als wir aus dem Wagen steigen, werden wir sofort vom Besitzer in Empfang genommen.
Ein dürrer, schlaksiger Mann steht vor uns, vollkommen fertig mit den Nerven. Er stellt sich uns als James Mc Sanders vor und berichtet uns, dass sein unfähiger Wachmann geschlafen hat, während es passiert ist. Der Alarm ist angegangen, als der Dieb das Gebäude verlassen hat. Wie er hereingekommen ist, weiß er nicht.
Der Wachmann sitzt wie ein Häufchen Elend in der Ecke. Vermutlich ist er seinen Job los, wobei ich es verstehen kann, wenn man bei der Nachtschicht einschläft.
"Wenn ich nicht die Aufnahmen der Kameras hätte, wäre es mir nie aufgefallen. Er hat ein identisches Bild aufgehängt."
Wissend nicken wir, gehen durch die kleinen Gänge, während Liam dem Besitzer erklärt, dass das genau die Masche unseres Diebes ist.
Liam und ich machen uns gar nicht erst die Mühe, das Gemälde anzuschauen. Wir erkennen eh keinen Unterschied und so gehen wir auf direkten Wege in den Raum des Wachmannes, um uns die Videobänder anzuschauen.
Die ersten Minuten passiert gar nichts, doch dann ist ein Schatten in der hinteren Ecke des Raumes zu erkennen. Trotz der Fälschung in seinen Händen, scheint der Dieb so geschmeidig und elegant durch den Raum zu gleiten, dass er sicherlich nicht das kleinste Geräusch von sich gegeben hat. Mit flinken Fingern tauscht er das Gemälde in einer beeindruckenden Geschwindigkeit aus, lässt Routine erahnen, während das Original unter einer schwarzen Decke verschwindet.
Picasso lehnt sein Diebesgut an eine Wand, betrachtet die Fälschung und stemmt seine Hände in die Hüften. Eine Kopfbewegung folgt und ich halte inne.
Diese Kopfbewegung.
Dieses leichte neigen, gepaart mit diesem typischen "Ha!", was der Dieb sicherlich gerade in sich gedacht hat.
"Können Sie noch einmal zurück?", fordere ich und schaue gebannt auf den Bildschirm.
Die Aufnahme wird zurückgespult und erneut erkennen wir den Dieb, wie er das Original an die Wand lehnt und diese Bewegung macht.
Irgendwie kommt mir diese Geste seltsam vertraut vor, ich weiß nur nicht woher.
"Alles okay?", möchte Liam wissen und sieht mich neugierig an. Ich hingegen zucke nur mit den Schultern, überlege fieberhaft, woher mir diese Bewegung so bekannt vorkommt, aber ich komme einfach nicht darauf.
"Ich weiß nicht", gestehe ich leise und runzele meine Stirn.
Aber so sehr ich auch versuche, irgendwie einen Zusammenhang zu finden - es gelingt mir einfach nicht. Vermutlich spielt mein Gehirn mir nur einen Streich. Diese Geste machen hunderte Menschen. Ich sicherlich auch.
Aber irgendwie - irgendwie bleibt da ein Gefühl.
Ein seltsames, vertrautes Gefühl.
Da wir auf Video haben, wie der Dieb das Bild klaut, müssen wir Harry nicht aus seinem Schlaf klingeln. Er kann später in Ruhe entscheiden, ob es eine Fälschung ist, wobei es sich dabei um reine Bürokratie handelt.
Natürlich ist es eine Fälschung. Wir haben es ja immerhin auf Band.Mein Gehirn versucht noch immer eine Lösung zu finden, warum mir diese ach so natürliche Bewegung bekannt vorkommt, aber auch den Rest meiner Schicht bekomme ich keine Antwort darauf.
Als wir dann endlich Feierabend machen, kann ich meine Augen kaum noch offen halten und ich habe große Mühe, zu meinem Freund zu kommen. Normalerweise dürfte ich mit solch einer Müdigkeit kein Auto mehr fahren. Als Polizist noch weniger, aber die Aussicht darauf, noch zwei Stunden bei meinem Lockenkopf zu sein, zwingt mich quasi dazu."Oh, Darling, du siehst müde aus", werde ich begrüßt und sofort zieht mich Harry in seine Arme.
Er riecht unglaublich gut.
Ich gähne.
"Können wir einfach ins Bett?". Ich halte es keine Sekunde mehr auf den Beinen aus.
Meine Güte, so geschlaucht war ich schon lange nicht mehr.
Gemeinsam mit Harry betrete ich das Schlafzimmer und wir kuscheln uns unter die Decke. Ein wohliges Seufzen kommt aus meinem Mund und ich drücke mich enger gegen die warme Brust meines Freundes.
"War die Arbeit so schlimm?", möchte er wissen, beginnt dabei durch meine Haare zu kraulen und lässt mich beinahe schnurren. Doch Antworten kann ich ihm nicht mehr. Meine Augen fühlen sich bereits vollkommen verklebt an und meine Stimmenbänder fühlen sich so schwer an, dass eine Antwort unmöglich scheint.
Nur am Rande bemerke ich, wie Harry mir einen Kuss auf die Stirn drückt, ehe ich in meinen langersehnten Schlaf gleite, den Gedanken an die Kopfbewegung noch immer präsent.
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Der Kunsthändler
ФанфикDie Polizei ist schon eine lange Zeit auf der Suche nach dem Kunstdieb "Picasso". Leider kann er jedes Mal aufs Neue unbemerkt vom Tatort verschwinden und hinterlässt eine exakte Kopie der Gemälde, die er an sich nimmt. Kunsthändler und Experte Har...