Ich schwebe.
Nicht im wörtlichen Sinne, aber zumindest habe ich unentwegt das Gefühl, als wäre es so. Ja, man könnte regelrecht sagen, dass ich von diesem neuen Gefühl in meinem Bauch regelrecht beflügelt bin.
Okay, schnulzig.
Aber was soll ich machen? Seit dem Harry die Nacht bei mir verbracht hat und dann heute Morgen mit einem wundervollen Lächeln verschwunden ist, bekomme ich dieses warme, kribbelnde Gefühl in meinem Bauch nicht mehr weg. Zudem fühle ich mich wie in Watte gepackt. Alles um mich herum scheint weich und flauschig zu sein und ich ertappe mich selbst dabei, dass ich nicht aufhören kann zu lächeln.Und das fällt natürlich auch sofort im Revier auf.
Kaum habe ich die Eingangstür durchquert, steht auf einmal May vor mir, ihre heißgeliebte Hello-Kitty-Tasse in der Hand und ein wissendes Grinsen im Gesicht.
"Anscheinend hast du meinen Rat befolgt".
"Ich weiß nicht, was du meinst".
Meine Kollegin verdreht ihre Augen und schmunzelt. "Ist klar, Tomlinson. Und dieses ekelhafte, verliebte Lächeln in deinem Gesicht? Wie willst du das erklären?". Augenblicklich werden meine Wangen rot und innerlich verfluche ich mich dafür. Natürlich bemerkt May die Farbänderung in meinem Gesicht und kichert leise, legt dabei ihre Hand auf meinen Unterarm und lächelt sanft. "Ich finde das schön. Ihr habt es beide so sehr verdient, glücklich zu sein".
"May". Sie soll aufhören, so rührselig zu sein. Meine Hormone spielen eh schon genug verrückt.
Ich schaue mich kurz um, trete dann ein wenig näher an meine Kollegin heran und senke meine Stimme. "Es wäre nett, wenn du das noch nicht an die große Glocke hängst."
Skeptisch zieht sie ihre Augenbrauen hoch, weshalb ich mich schnell erkläre. "Du weißt doch, dass Beziehungen am Arbeitsplatz nicht gerade erwünscht sind. Er arbeitet zwar nicht hier, aber er arbeitet für uns. Ich weiß nicht, wie der Chief das finden wird." Verstehend nickt meine Kollegin, nimmt einen Schluck Kaffee und mustert mich. "Für immer geht sowas aber nicht. Irgendwann ist so ein Versteckspiel eine Belastungsprobe."
Wissend nicke ich. Ich will mich ja auch gar nicht verstecken. Das habe ich während meiner Schulzeit lange genug gemacht. "Nur so lange, bis wir diesen Kunstdieb haben. Dann arbeiten wir quasi nicht mehr zusammen und dann kann der Chief nichts sagen." - "Weiß Harry das schon?", möchte sie wissen und ich schüttele meinen Kopf. Wir hatten heute Nacht andere Dinge zu tun, als darüber zu sprechen. Und heute Morgen hat sich zwischen den unzähligen Küssen auch nicht die Gelegenheit ergeben. "Ich werde es ihm später sagen."
Liam sollte vorerst auch nichts von uns wissen. Er ist zwar mein bester Freund, aber er verplappert sich viel zu schnell. Manchmal kommen Sätze unüberlegt aus seinem Mund und das kann ich einfach nicht riskieren.Nach einem turbulenten Vormittag, an dem Liam und ich mehr im Streifenwagen unterwegs waren, als in der letzten Woche, wird es gegen Mittag ruhig. Ich kann mich meinem Schreibkram widmen, auch wenn ich das natürlich lieber nicht machen würde. Ich tippe gerade den Bericht über den Nachbarschaftsstreit von heute Morgen in meinen Computer, als eine mir bekannte Stimme erklingt. Mit klopfenden Herzen hebe ich meinen Kopf und sehe Harry bei May an der Anmeldung stehen.
Und verdammt - er sieht zum Niederknien aus.
Sofort beschleunigt sich mein Herzschlag und alles in mir will, dass ich zu diesem Mann gehe und ihn in Grund und Boden küsse. Aber ich reiße mich zusammen. Muss ich ja. Der Chief steht nicht mal fünf Meter von mir entfernt. Eine heimliche Knutscherei fällt da also weg, auch wenn mein Innerstes sich nichts sehnlicher wünscht.
Harrys Kopf hebt sich, unsere Blicke treffen sich und ein sanftes Lächeln erscheint auf seinen Lippen. Mein Puls schnellt in die Höhe - ich bin sowas von verloren.
Er will einen Schritt nach vorne machen, da packt May sein Handgelenk und zieht ihn zu sich zurück. Etwas verdattert schaut der hübsche Lockenkopf zu meiner Kollegin, die sich zu ihm herüberbeugt und ihm etwas in das Ohr flüstert.
Sein Blick begegnet erneut dem meinem und er nickt. Dann sieht er zum Chief und ich verstehe, was May da gerade gemacht hat. Dankend lächele ich, als Harry seine Hand hebt und mit einer Akte herumwedelt.
Na, da kann der Chief ja nichts gegen haben.
Schnell stehe ich auf, umrunde meinen Schreibtisch und gehe auf die beiden zu. Wieder scheine ich zu schweben und mit jedem Schritt, den ich Harry näher komme, beginnt mein Bauch stärker zu kribbeln.
"Hi", begrüße ich den hübschen Mann vor mir und brauche wirklich alles an Kraft, ihn nicht zu berühren.
"Officer". Schmunzelnd drückt er mir die Akte in die Hand, streicht dabei federleicht mit seinen Fingerspitzen über meine Hand und sorgt damit für ein Feuerwerk in meinem Bauch.
Meine Güte, man sollte meinen, dass ich noch nie verliebt war.
Mein Körper befindet sich anscheinend in dem Modus eines verliebten Teenagers, der das erste Mal in seinem Leben jemanden geküsst hat - ich liebe dieses Gefühl.
"Ich habe die Analyse des Gemäldes dabei. Wie zu erwarten, ist es eine Fälschung."
"Na toll", grummelt jemand hinter mir und Liam erscheint in meinem Augenwinkel. Er nimmt mir die Akte aus der Hand und blättert darin herum, ehe er seinen Kopf hebt und seufzt. "Kann sich dieser Typ nicht ein anderes Hobby suchen? Golfen oder sowas? Warum muss er Gemälde klauen?".
Skeptisch runzele ich meine Stirn. Liams Laune ist unterirdisch. Er war den ganzen Tag schon verdächtig ruhig, aber anhand seiner Stimmlage merke ich sofort, dass irgendetwas nicht in Ordnung ist.
"Dazu kann ich leider nichts sagen". Harry lächelt, sieht dann auf eine Uhr und setzt einen Schmollmund auf. "So gerne ich noch Ihre Anwesenheit hier genießen würde, aber ich muss bedauerlicherweise weiter. Wir sehen uns, meine Herren".
Ein letztes Lächeln erscheint auf seinen Lippen, dann dreht er sich um und stolziert aus dem Revier.
Vielleicht bleibt mein Blick ein wenig länger auf seinem Hintern hängen.
Vielleicht.Liam brummt, dreht sich um und verschwindet zum Schreibtisch. Okay, irgendetwas stimmt da wirklich nicht.
"Ihr seid sowas von goldig".
Überrascht schaue ich zu May, habe sie vollkommen vergessen.
"Eure Blicke...ich habe mich wie in einer Telenovela gefühlt", kichert sie, drückt dann auf ihr Headset und nimmt ohne ein weiteres Wort zu sagen einen Anruf entgegen."Okay, was ist los?".
Besorgt lehne ich mich an die Kante von Liams Schreibtisch. Seine Körperhaltung ist angespannt und das sonstige Lächeln ist gänzlich aus seinem Gesicht verschwunden. Ein Seufzen erklingt, dann lehnt er sich in seinem Stuhl zurück und sieht mich zerknirscht an.
"Wir haben uns gestritten".
Liams Blick wird traurig und aufmunternd lege ich meine Hand auf seine Schulter. "Das wird schon wieder. Ihr streitet doch öfter mal". Eigentlich streiten sie sich sogar recht häufig. Der Ire hat nämlich ein ziemlich hitziges Temperament.
"Ja, aber...dieses Mal ist es anders".
Meine Alarmglocken gehen an.
Normalerweise geht ein Streit zwischen Liam und Niall nie lange. Sie schreien sich an, der Ire wirft irgendetwas in die Richtung meines besten Freundes, irgendwo knallt eine Tür und wenige Stunden später fallen die beiden übereinander her und vögeln sich das Hirn aus dem Körper. Danach kleben sie aneinander wie Kaugummi, schwören sich immer wieder ihre Liebe und werden zu siamesischen Zwillingen.
"Anders?".
Mein bester Freund fährt sich mit den Händen über das Gesicht. "Er ist gestern nicht nach Hause gekommen. Niall hat wutentbrannt die Wohnung verlassen und hat sich nicht mehr blicken lassen."
Oh.
Das ist tatsächlich anders.
Sie verbringen nie eine Nacht getrennt voneinander. Selbst, wenn sie sich während eines Streits die Pest an den Hals wünschen, sobald sie ins Bett gehen, vertragen sie sich wieder. Denn eigentlich gibt es bei ihnen die Regel, dass sie nicht im Streit zu Bett gehen. Eigentlich.
"Hast du ihn angerufen?".
Mein bester Freund verschränkt seine Arme vor der Brust. "Warum sollte ich?".
Das kleine, bockige Kind in ihm erscheint und ich kann mir ein Schmunzeln nicht verkneifen. "Um dich zu entschuldigen?". Ein Schnaufen ertönt. "Er muss sich entschuldigen".
Kindergarten.
"Und du wunderst dich, warum er nicht nach Hause kommt".
Mein Handy vibriert, mein Herz stolpert einmal und während Liam motzend beginnt, dass er es Leid ist, immer der erste zu sein, der sich entschuldigt, fische ich mein Handy aus meiner Hosentasche und werfe einen hastigen Blick auf das Display.
Harry.
"Sicherlich wartet Niall nur darauf, dass du dich bei ihm meldest." Ich kenne doch den Iren. Der ist viel zu stolz, um den ersten Schritt zu machen. Liam stöhnt auf, motzt weiter vor sich hin und ich nutze die wilde Schimpftirade und öffne die Nachricht des Lockenkopfes.Harry: Sehen wir uns heute noch? Ich vermisse dich jetzt schon schrecklich.
Me: Davon bin ich ausgegangen ;)
Prompt ploppt eine weitere Nachricht auf.
Harry: Ich zähle jetzt schon die Stunden.
Liam springt von seinem Stuhl und erschrocken schiebe ich mein Handy zurück in meine Hosentasche. "Was machst du denn jetzt?". Doch mein bester Freund ignoriert mich und marschiert schnellen Schrittes Richtung Anmeldung. Und als mein Blick ihm folgt, erkenne ich Niall, der Liam wütend ansieht.
Hier wird es gleich eine kleine Show geben.
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Der Kunsthändler
FanficDie Polizei ist schon eine lange Zeit auf der Suche nach dem Kunstdieb "Picasso". Leider kann er jedes Mal aufs Neue unbemerkt vom Tatort verschwinden und hinterlässt eine exakte Kopie der Gemälde, die er an sich nimmt. Kunsthändler und Experte Har...