Oben angekommen schließe ich meine Wohnungstür hinter mir und stoße den angehaltenen Atem aus. Meine Augen schließen sich, während ich meine Stirn gegen das kalte Holz lege.
Fuck.
Mein Herz rast wie wild und am liebsten würde ich runterstürmen, ihn in meine Arme reißen und ihm sagen, wie sehr er mir fehlt. Ich will ihn küssen und seine Arme um mich spüren. Seine Geborgenheit genießen und ihm sagen, wie sehr ich ihn liebe.
Nein.
Das wäre vollkommen unvernünftig.Mein Handy gibt einen Ton von sich, als ich gerade meinen Wasserkocher anstelle.
Bevor ich ins Bett gehe, brauche ich jetzt noch eine Tasse Tee. Mein Herz rast noch immer viel zu schnell und so ist an Schlafen eh nicht zu denken. Vielleicht lege ich mich hinterher auch noch in eine heiße Badewanne. Normalerweise schlafe ich dann immer direkt in dieser ein.
Aber vielleicht reicht ja auch der Tee.
Ich hole mein Handy heraus und stöhne genervt auf, als ich die Pushbenachrichtigung sehe und die ersten Sätze der Nachricht angezeigt werden.Harry: Ich bleibe so lange hier, bis...
Ich brauche die Nachricht gar nicht öffnen, um zu wissen, wie der Satz endet.
Gut, wie er meint. Dann soll er eben unten im Regen versauern.Bevor ich meinen Tee genießen kann, tausche ich noch meine Uniform gegen eine bequeme Jogginghose und einen dicken Pullover, dann kuschele ich mich unter meine Lieblingswolldecke und starte den Fernseher.
Der Tee hat mittlerweile die richtige Temperatur, doch als ich gerade den ersten Schluck im Mund habe, ertönt ein unglaubliches Grollen draußen und wenige Sekunden später erhellt sich mein Wohnzimmer.
Mein Blick geht zum Fenster.
Der Regen hat nochmal zugelegt.
Er wird doch nicht so bescheuert sein und noch immer dort stehen.
Oder?
Mir egal.
Soll er doch.
Trotzdem stehe ich auf, gehe zu meinem Fenster und sehe herunter. Ich kann von hier nicht die Eingangstür erkennen, aber einige der Stufen. Und auf einer erkenne ich seine Schuhe und seine Knie.
Er scheint zu sitzen.
Dieser Vollidiot.
Er wird morgen sicherlich krank sein.
Aber gut, wenn er unbedingt will.
Mir ist das vollkommen egal.Ich gehe wieder unter meine Wolldecke, trinke einen weiteren Schluck Tee und überlege, ob ich einfach irgendetwas laufen lasse und dabei auf dem Sofa einschlafen kann. Doch abermals werden meine Gedanken von dem nächsten Donnern unterbrochen und wenige Sekunden später erhellt ein weiterer Blitz das Wohnzimmer.
Mein Blick geht wieder zum Fenster.
Der Hauseingang ist nicht überdacht und wenn er da jetzt wirklich die ganze Zeit sitzt, dürfte er mittlerweile bis auf die Unterhose nass sein.
Ein weiterer Donner ertönt.
Das Gewitter kommt näher.Unentschlossen beiße ich mir auf meine Unterlippe und sehe in die dunklen Wolken.
Er ist lebensmüde, wenn er dort wirklich sitzen bleibt.Geschlagene zehn Minuten ringe ich noch mit mir, dann stehe ich genervt von mir selbst auf und öffne meine Wohnungstür. Mein Finger drückt auf den Summer, der die Haustür im Untergeschoss öffnet und es dauert einige Sekunden, dann höre ich das Klicken, welches erklingt, wenn die Haustür geöffnet wird.
Schwere Schritte ertönen im Treppenhaus und als Harry wenige Augenblicke später auf meiner Etage ankommt, sieht er aus, als wenn er mit samt seiner Kleidung in einen See gesprungen ist.
Die Haare kleben ihm nass im Gesicht, seine Kleidung hinterlässt eine nasse Spur auf den Holzdielen und ich bin mir sicher, dass meine Nachbarn mich dafür hassen.
Ohne ein Wort zu sagen, trete ich einen Schritt zur Seite, lasse ihn somit in meine Wohnung und möchte mir am liebsten selbst in den Allerwertesten treten.
"D... danke", kommt es bibbernd über seine Lippen und erst jetzt merke ich, dass er am ganzen Leib zittert. Was ja auch kein Wunder ist.
"Geh unter die Dusche. Du musst dich aufwärmen. Deine nassen Klamotten kannst du in die Badewanne schmeißen."
Seine Antwort warte ich gar nicht erst ab, sondern gehe in mein Schlafzimmer, wo ich ihm eine Jogginghose und einen dicken Pullover herauskrame. Ebenso hole ich dicke Norwegersocken aus meiner Schublade und halte inne, als ich auf meine Boxershorts schaue. Seine kann er ja wohl schlecht anziehen.
Also bekommt er auch ein paar Boxershorts von mir.Als ich das Schlafzimmer wieder verlasse, höre ich bereits das Rauschen der Dusche. Kurz zögere ich, doch dann öffne ich die Tür zum Badezimmer und lege die Klamotten auf den geschlossenen Klodeckel, bevor ich den Raum eilig wieder verlasse.
Mittlerweile ist das Gewitter genau über uns und mein Wohnzimmer ist stockdunkel.
Ich zünde einige Kerzen an, gehe dann in die Küche und setze erneut Teewasser auf. Auch wenn ich Harry im Moment am liebsten in die Hölle schicken möchte, will ich dann doch nicht, dass er eine Lungenentzündung bekommt.
Ist nur zu hoffen, dass das Gewitter bald vorbei ist, damit er wieder verschwinden kann.
Auf traute Zweisamkeit habe ich nämlich nicht wirklich Lust und eigentlich muss ich nun auch langsam mal wirklich schlafen.Die beiden Tassen stehen auf dem kleinen Couchtisch vor mir, im Fernseher läuft irgendeine Dokumentation über Seepferdchen, welcher ich aber nicht folgen kann. Zu sehr bin ich damit beschäftigt, den Geräuschen zu lauschen, die aus dem Badezimmer kommen. Oder eben nicht mehr. Denn das Rauschen der Dusche hat vor wenigen Minuten aufgehört. Dafür höre ich meinen Föhn und wenig später öffnet sich die Tür und mein Körper verkrampft sich automatisch.
Als Harry in meinem Wohnzimmer erscheint, sind seine Haare trocken und das Bibbern aus seinem Körper verschwunden.
"Danke", murmelt er und schiebt unbeholfen die Hände in die Hosentaschen der Jogginghose, die ihm Gott sei Dank passt.
Mir hingegen ist sie eh viel zu groß, ebenso wie der Pullover, den er trägt. Wenn ich mich recht erinnere, ist es noch nicht mal meiner. Eigentlich gehört er Liam.
Mir egal. Harry kann ihn behalten. Liam wird das niemals herausfinden."Tee?"
Ich deute auf die Tasse und Harry nickt, setzt sich mit etwas Abstand zu mir auf das Sofa und greift dann nach seiner Tasse.
"Sobald das Gewitter aufhört, gehst du bitte."
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Der Kunsthändler
FanficDie Polizei ist schon eine lange Zeit auf der Suche nach dem Kunstdieb "Picasso". Leider kann er jedes Mal aufs Neue unbemerkt vom Tatort verschwinden und hinterlässt eine exakte Kopie der Gemälde, die er an sich nimmt. Kunsthändler und Experte Har...