Na, Loverboy?

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Vollkommen durcheinander verschwinde ich am Nachmittag bei Harry.
Wir haben nicht mehr wirklich geredet. Eigentlich haben wir gar nichts wirklich gemacht, außer nebeneinander im Bett gelegen und uns angestarrt.

Und jetzt bin ich nur noch mehr durch den Wind, als ohnehin schon.

Mein erster Gedanke ist es, nach Hause zu fahren und mich einfach in meinem Bett zu verkriechen, aber mein Unterbewusstsein schafft es irgendwie, dass ich auf einmal bei Liam vor der Haustür stehe, statt vor meiner eigenen.
Und als ich klingele, scheint er auch schon auf mich gewartet zu haben.

"Ha! Wusste ich es doch. Niall? Ich habe gewonnen", ruft er voller Freude und verschwindet in seiner Wohnung, während ich ihm irritiert folge.
"Du hast über mich gewettet?"
"Oh ja und nicht nur ich", kommentiert er siegessicher und führt mich in die Küche, wo Niall am Herd steht und mich mit einem breiten Lächeln ansieht.
"Na, Loverboy?"
"Loverboy?"
"Liam, gib dem armen Jungen doch erstmal einen Kaffee. Sieh ihn dir an. Vollkommen übermüdet und augenscheinlich so durch den Wind", kichert Niall und wackelt dabei mit seinen Augenbrauen, was wirklich vollkommen bescheuert aussieht. 
"Und worüber habt ihr jetzt bitte gewettet?", möchte ich wissen und nehme dankend den Kaffee von Liam entgegen, ehe ich mich auf einen der Stühle sinken lasse.
"Darüber, dass du hier auftauchst, wenn du bei deinem Betthäschen wegfährst."
"Meinem Betthäschen?"
In mir klingeln alle Alarmglocken und ich merke, wie ich mich das erste Mal in meinem Leben richtig unwohl bei meinem besten Freund fühle. 
"Na, Styles", hilft mir Liam auf die Sprünge und grinst.
"Er ist rein und hat eure Jacken geholt. Anschließend wart ihr beide verschwunden."
Ein verschmitztes Grinsen ziert seine Lippen, sein Blick liegt auf mir.
"Außerdem habe ich euch gesehen, wie ihr herumgeknutscht habt."
Mir bleibt fast der Kaffee im Hals stecken, als ich diese Worte höre. 
"W...was?"
Liam lacht und zuckt mit den Schultern.
"Ich wollte gucken, wo du bleibst. Hätte ja keiner ahnen können, dass ihr da so eine Softpornonummer schiebt."
Niall dreht sich um, legt seinen Pfannenwender zur Seite und schmunzelt.
"Heiß ist der Typ ja, das muss man dir schon lassen Louis."
"Ich... wir... wir haben nicht-"
"Ach komm schon, Tommo! Du bist ein erwachsener Mann und Single. Du kannst machen, was du möchtest."
Ich schließe meine Augen und atme tief durch.
"Und wenn dich dieser One-Night-Stand von deinem Ex ablenkt, dann vögele dich durch die Nacht. Alles kein Problem", erklärt Liam belustigt und setzt sich mir gegenüber.
Okay, wie komme ich aus dieser Sache wieder raus?
"Da war nichts."
Liam und Niall lachen auf, doch ich verdrehe meine Augen und trinke erneut einen Schluck Kaffee.
"Ja, ich bin mit zu ihm, aber da lief nichts."
Ich senke meinen Blick und starre auf die Tischplatte. Die beiden müssen nicht wissen, dass ich mit meinem Ex in der Kiste gelandet bin. Das würde alles nur noch irgendwie schlimmer machen und wenn die beiden jetzt auch noch denken, dass ich Harry abgeschleppt habe, wird das arbeiten auf dem Revier die reinste Tortur.
Wobei...
Eigentlich kann ich mir hier einen Rat holen. 
Vielleicht wissen Liam und Niall, was ich machen soll.
"Ich... ich bin heute Nacht noch zu meinem Ex gefahren", gestehe ich und meide den Blickkontakt zu meinen Freunden.
"Und... naja... bin mit ihm im Bett gelandet."
Ich höre, wie jemand tief Luft holt. Liam vermutlich, da er sich eine Sekunde später räuspert.
"Du willst mir sagen, dass du mit zu Styles bist, ihn hast aber stehenlassen, damit du zurück zu deinem Ex kannst?"
"So ungefähr?", nicke ich und stehe mit eingezogenen Schultern auf, damit ich mir selbst einen neuen Kaffee zubereiten kann. 

Es herrscht einen Moment Stille in der Küche von Liam und Niall, während ich mir einen neuen Kaffee zubereite und nachdenke. Zumindest versuche ich das, denn die klebrige, matschige Pampe in meinem Kopf lässt sich einfach nicht zu einem sinnvollen Gedanken zusammenformen. 
Als ich wieder sitze, traue ich mich irgendwann dann doch in die Gesichter der beiden zu schauen und erkenne tausende Fragezeichen. 
"Warum?", unterbricht Niall dann die Stille und schiebt sich bei Liam auf den Schoß.
"Keine Ahnung", gestehe ich ehrlich und weiß wirklich nicht, warum ich mit zu Harry bin. Gut, ich weiß es schon, aber in dem Moment war es ja nicht mein Gehirn, welches diesen Entschluss gefasst hat. 
"Und ihr habt miteinander geschlafen?"
Ich nicke, betrachte schnell wieder den Inhalt meiner Kaffeetasse und verdränge die Bilder vor meinem geistigen Auge. 
"Und danach?", möchte Liam wissen und weiß sicherlich, dass es das nicht war. Er kennt mich einfach gut genug.
"Als ich heute Morgen wachgeworden bin, wollte ich nicht gehen. Ich konnte einfach nicht und dann... dann haben wir uns geküsst und... und es war...", ein Seufzen verlässt meine Lippen und ich merke, wie sich mein Herz erneut zusammenzieht. 
"Scheiße, ich liebe diesen Mann."

Erneutes Schweigen kehrt ein.
Lediglich das Knarren von Liams Stuhl ist zu hören, als Niall aufsteht und zurück zum Herd geht. Er rührt das Essen um, greift anschließend in den Schrank und holt einen weiteren Teller heraus. 
Anscheinend esse ich heute mit. 

"Und jetzt steckst du in der Zwickmühle, weil du nicht weißt, was du machen sollst", schlussfolgert Liam und lässt mich nicken. 
"Du liebst ihn", höre ich Niall sagen und hebe daraufhin meinen Blick. Der Ire lächelt sanft und ich nicke ehrlich. Sicherlich fällt mir bei diesem ganzen Genicke bald der Kopf ab.
"Aber er hat dich belogen und das Vertrauen ist gebrochen", kontert Liam und erneut nicke ich, wandere mit meinem Blick zu ihm.
"Tja, Tommo", murmelt Liam und steht auf. "Das ist eine scheiß, beschissene Situation".

Ach!
Soweit war ich auch schon.

Wir meiden das Thema vorerst.
Allerdings nur solange, bis wir mit dem Essen fertig sind. 
Kaum stehen die Teller in der Spülmaschine, sieht mich Niall wieder mit diesem scannenden Blick in die Augen.
"Wie hat es sich heute Morgen angefühlt? Als du realisiert hast, dass du neben ihm liegst und was passiert ist?"
"Erst war ich geschockt", gestehe ich und greife nach meinem Wasserglas. "Und dann... keine Ahnung. Dann schien es auf einmal vollkommen okay zu sein. Ich habe mich wohlgefühlt und... und habe den Vormittag mit ihm sehr genossen."
"Es hat sich richtig angefühlt", schlussfolgert Liam erneut und wieder einmal nicke ich.
"Dann solltest du ihm verzeihen."
Sofort geht mein Blick zurück zu Niall, welcher mittlerweile ein sonniges Lächeln auf den Lippen fühlt. 
"Dein Herz sagt dir schon, wenn es ein Fehler ist und anscheinend ist das keiner. Wenn es sich richtig anfühlt und du es genießt, solltest du diesem Gefühl nachkommen."
"Aber-"
"Vertrauen kann man wieder aufbauen", beschwichtigt Liam und kann anscheinend wieder in meinem Kopf schauen. 
"Und wenn er dich genau so liebt, wie du ihn, sollte das kein Problem sein."
"Ich... hmm."
Sinnvollere Wörter sind nicht in meinem Kopf vorhanden und als wenn es das Schicksal möchte, geht genau in diesem Augenblick eine Nachricht auf meinem Handy ein.
Natürlich von Harry.
Natürlich.

Sun: Ich wünschte, du wärst jetzt bei mir.

Sofort beginnt alles in mir zu kribbeln und ohne dass ich Kontrolle darüber habe, erscheint ein Lächeln auf meinen Lippen.
Ein Lächeln, welches natürlich nicht unbemerkt bleibt.
"So wie du grinst, hast du eine Nachricht von ihm bekommen."
"Ja, er... er wünscht sich, dass ich bei ihm wäre." Die Worte kommen leise aus meinem Mund und ich starre die Nachricht auf meinem Handy mit flatternden Herzen an. 
"Und so wie du guckst, wünschst du es dir auch", bemerkt mein bester Freund und ich kann das Grinsen förmlich heraushören, ohne ihn dabei anzuschauen.
"Dann gibt es jetzt nur eine Lösung", murmelt Niall und bringt mich dazu, endlich von meinem Handy aufzuschauen.
"Du nimmst jetzt deine Beine in die Hand und schnappst dir diesen Mann!"

Der Kunsthändler Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt