Kapitel 01| 1 | Edited

716 42 10
                                    

K A P I T E L  01

1

London, vor fünf Monaten

"Guten Morgen, Leyla", rief ich am Morgen verschlafen in die Küche hinein. Meine Mitbewohnerin stand mit Gesichtsmaske und roten Bademantel am Küchentresen. Den Laptop hatte sie aufgeklappt vor sich stehen, die Finger wild auf die Tastatur hämmernd. Dabei hatte sie ihre Lippen fest aufeinander gepresst. Sie schüttelte laut schnaufend den Kopf.

"Morgen Ellis!", antwortete sie, ohne aufzuschauen, „die treiben mich alle in den Wahnsinn."

„Es ist halb acht, Leyla. In deinem Gesicht hängt noch dein Jogurth-Dip von gestern und du bist jetzt schon am wahnsinnig werden?"

Ich lachte amüsiert auf und öffnete die Tür zum Kühlschrank. Während ich mir Jogurt, Früchte und Spinat für meinen morgendlichen Smoothie zusammen suchte, erzählte mir Leyla aufgebracht von der letzten E-Mail einer ihrer Kunden. Leyla war PR Managerin und hatte sich einen Namen gemacht unter Londons High Society. Anscheinend war gestern Nacht irgendein Londoner Fußballspieler mit einer anderen Frau, als die seine Arm im Arm, komplett betrunken durch Kensington stolziert. Man sah nicht viel auf dem Foto, erzählte Leyla mir, doch trotz Mütze, Sonnenbrille und Winterjacke hatte man ihn erkannt. Sein Manager hatte Leyla schon drei Mal angerufen, da hatte ihr Wecker noch nicht einmal geklingelt.

"Es ist jedes Mal das gleiche!", sagte Leyla, "Irgendeine Rich Bitch die ihren Ehemann mit einem Ehemann einer anderen Rich Bitch betrügt oder wie es in meinem Fall mal wieder ist: ein Fußballspieler der sich bis drei Uhr morgens in einem teuren Schuppen abschießt und dann mit einem Model - es gibt Vermutungen wer es ist - durch die Straßen schleicht. Gott sei Dank ist das Foto absolut unbrauchbar auf dem er durch das Tor ihrer Villa läuft. Anscheinend haben seine Bodyguards ihn wieder eingeholt. Er ist laut seinem Manager durch die Hintertür des Clubs verschwunden. Ich krieg die Krise. Da kann selbst der beste PR Manager keine andere Geschichte draus basteln. Was soll ich denn schreiben, dass es seine Schwester ist, oder was? Das ist eindeutig er. Schau dir das Bild an, Ellis."

Leyla drehte den Laptop in meine Richtung. Neugierig beugte mich über den Tresen und schaute auf den Bildschirm.

"Seine Schwester ist das definitiv nicht."

Leyla massierte sich einen kurzen Moment die Stirn.

"Ich werde wahnsinnig!", rief sie theatralisch und ließ anschließend ihren Kopf auf die Theke fallen.

"Ich will ja nicht sagen, aber den Job hast du dir ausgesucht."

"Ich weiß ja. Aber manchmal habe ich kein Nerv dafür, wenn mich ein echauffierter Fußballmanager nachts um drei anruft", sagte sie, richtete sich wieder auf und schüttete sich Kaffee nach. "Was steht bei dir heute an?"

"Das übliche. Ein paar Meetings. Die Marketingstrategie. Ein Bewerbungsgespräch. Meine Liste an Aufgaben wird nie kürzer", erklärte ich, während ich Früchte, Jogurt und Spinat in den Mixer gab.

Seit zwei Jahren war Leyla nun meine Mitbewohnerin. Ich hatte noch keinen Morgen erlebt, an dem sie nicht verzweifelt den Kopf auf die Thekenplatte hat fallen lassen, um mir theatralisch von einem der neusten PR Fails ihrer exklusiven Kundschaft zu erzählen. Ihre morgendlichen emotionalen Zusammenbrüche waren längst alltägliche Routine. Mein Entertainment-Programm.

"...und diese Maske bringt überhaupt nichts!", sagte sie jammernd und stocherte mit ihrem Finger in der Creme auf ihrer Stirn herum. "Im Internet stand sie sollte etwas anhärten. Das ist überhaupt nicht angehärtet. Ich rieche nach Kräuterquark."

„Immerhin besser als diese Schokocreme mit der du letzte Woche durch die Wohnung gelaufen bist. Danach hat es tagelang lang nach Brownies gerochen."

Ich schüttete meinen Smoothie in ein Glas, klappte meinen Laptop auf und ließ mich auf den Barhocker nieder.

Zimmer mit Aussicht (I + II)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt