K A P I T E L ❤ 04
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Mit einem Glas Rotwein saß ich in dem Ledersessel meines Hotelzimmers. Ich schaute durch das Fenster hinaus auf die leuchtende Stadt Oslos. Auf meinem Schoss ein aufgeklapptes Magazin. Immer wieder hatte ich dieselben Zeilen gelesen, doch meine Gedanken waren abgeschweift. Die Worte schienen keinen Sinn zu ergeben. Meine Gedanken waren bei Elliot Price. Ich nahm den Blick von den Dächern Oslos und schaute hinab auf mein Handy. Ich schaute nachdenklich auf den Nachttisch, auf dem die Visitenkarte Elliots lag.
Was hatte ich zu verlieren, dachte ich und erhob mich aus meinem Sessel. Ich lief barfuß über den weichen Teppichboden zum Bett. Ich nahm die Karte in die Hand, wendete sie und betrachtete die schwarzen Buchstaben. Die großen, deutlichen Zahlen seiner Telefonnummer sprangen mir verlockend ins Auge.
Mit Karte und Weinglas lief ich zurück zum Sessel.
Gedankenverloren schaute ich mir die Nummer an. Fast automatisch tippte ich sie in mein Handy. Ich nahm einen weiteren Schluck von meinem Wein. Ich muss beschwipst gewesen sein, anders konnte ich mir nicht erklären, weshalb ich ein Foto von meiner Aussicht machte. Zu sehen die leuchtende Stadt (sowie meine nackten Beine, die ich auf einen Hocker gelegt hatte und mein Glas Wein welches ich ins Fenster hielt).
Amüsiert tippte ich mehrere Anläufe einer Nachricht. Nur zum Spaß.
Ich nahm einen weiteren Schluck Wein. Dachte nach.
Meine Assistentin hätte heute Nacht noch einen freien Termin in meinem Kalender zur Verfügung stehen.
Ich wollte es löschen. Stattdessen schickte ich es ab.
Dann wollte ich mein Handy aus dem Fenster schmeißen, nach Cuba auswandern und meinen Namen ändern lassen.
Müde stand ich im Badezimmer und putzte mir die Zähne. Durch den Spiegel schaute mich eine junge Frau in weißem Tanktop und blonden, glatten Haaren an. Auf ihrem Gesicht Sommersprossen, die sonst von Makeup verdeckt waren. Eine Narbe auf der Oberlippe, die sich bis zur Nase hochzog, erinnerte mich immer wieder an den Tag an dem ich mit Ellaine durchs Wohnzimmer unserer Eltern gerannt war. Wir hatten so gelacht und uns gegenseitig mit Kissen beworfen. Sie hatte mich um den Glastisch im Wohnzimmer gejagt, bis ich gestolpert und mit voller Wucht auf die Kante gefallen war. Drei Stiche hatte es benötigt, um die Blutung zu stoppen. Sie gehörte zu mir, die Narbe, so wie auch die Erinnerung daran.
Mein Handy leuchtete neben dem Waschbecken auf. Ich hielt inne. Mit der Zahnbürste noch immer zwischen den Zähnen klickte ich auf die eingegangene Nachricht.
Er hatte geantwortet. Ach du Scheiße. Mein Herz begann vor Angst zu klopfen. Was hatte ich mir auch nur dabei gedacht, ihm so etwas zu schreiben und es dann auch noch abzuschicken.
Eine Zeit lang starrte ich auf den Bildschirm. Zahnpastatropfen fielen auf das Marmorwaschbecken hinab. Die Zeit schien still zu stehen.
Zimmernummer und Hotel?
Holy fucking Shit.
Ich schnaubte amüsiert auf nahm das Handy in die Hand. Mit zittrigen Fingern tippte ich: 425 Waterfront Hotel.
Eine Weile starrte ich auf die gesendete Nachricht. Fuck, dachte ich mir und spuckte die restliche Zahnpasta aus. Ich starrte in den Spiegel. Dann starrte ich hinab. Im Tanktop und Höschen konnte ich ihm definitiv nicht entgegenkommen. Ich hastete aus dem Badezimmer und überlegte fieberhaft, ob ich wieder in meinen Anzug schlüpfen sollte. Ich fischte die wenigen Outfits, die ich in meinem Handgepäckkoffer dabei hatte heraus und legte sie sorgfältig auf dem Bett aus. Schließlich zog ich eine weiße Bluse und eine blaue Chinohose an. Eine Mischung aus Leger und Schick. Ich bezweifelte, dass Elliot herkam, um mit mir über Bausparverträge zu reden.
Etwas unbeholfen stand ich in Mitte des Zimmers. Ich griff zu meinem Handy und schrieb Leyla eine SMS: ich hoffe ich muss deine Dienste als PR Managerin nicht zeitnah beanspruchen ;)
Was hast du angestellt?! Die prompte Antwort.
Noch habe ich nichts angestellt.
Ich schüttete mir ein weiteres Glas Rotwein ein, ließ mich auf den Ledersessel nieder und nahm die Zeitschrift zurück in die Hand.
Das Warten machte mich wahnsinnig.
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Zimmer mit Aussicht (I + II)
RomanceEllis hält nicht viel von Beziehungen, einem nine-to-five Job und der immergleichen Aussicht aus dem Schlafzimmerfenster. Stattdessen gehören Konferenzen, Hotelbars und attraktive Businessmänner zwischen ihren Laken zu ihrem Daily Business. Zu Missg...