K A P I T E L ❤ 01
2
Mit einem Glas Rotwein und einer Schale Erdnüsse ließ ich mich neben Leyla auf dem Sofa nieder.
„Wie war dein Tag?", fragte ich sie und starrte auf den Fernseher, den Leyla wie üblich angeschaltet hatte. Auf dem Bildschirm der Charakter Ross, der seiner nicht-mehr-Freundin Rachel versuchte zu erklären, dass sie in einer Beziehungspause waren, während er ein kurzes Intermezzo mit einer anderen hatte. Es hätte mich gewundert, wenn Leyla die Serie nicht synchron hätte mitsprechen können.
„Frag besser nicht", sagte sie und griff in die Erdnussschale. „Lass uns lieber den wichtigen Fragen des Lebens widmen: Was bestellen wir?"
„Leyla, wir sprechen da jedes Mal drüber und am Ende entscheiden wir uns so oder so für das das, wir immer Mal bestellen."
„So wahr. Die großen Leiden der Millennial-Generation", sagte Leyla und grinste mich an, „Also Pizza bei Pietro?"
Ich schnaubte amüsiert auf und nahm einen Schluck meines Rotweins.
„Pietro würde die ganze Italienische Mafia auf mich ansetzen, wenn ich ihn betrügen würde. Es gibt keine andere Wahl."
Ich nahm mein Handy in die Hand und öffnete erneut mein Postfach. Die Mail für die Konferenz sprang mir wieder ins Auge. Kurz darauf klickte ich mich durch die dazugehörige Webseite. Keine fünf Minuten später war ich schon dabei die Angaben für die Anmeldung zu machen.
„Der Manager hat mich noch viermal angerufen heute. Als ob ich nach den Skandalaufnahmen noch irgendetwas für ihn geradebiegen könnte", erzählte Leyla. Ihr Blick noch immer nach vorne gerichtet. Im Schoss Wolle und Stricknadeln liegend. „Ich war wieder einmal so im Stress, dass ich zur Beruhigung einen Schal gestrickt hab." Sie hielt das Ergebnis in die Höhe, als könne sie sich nicht erklären, wie dies geschehen konnte. „Immerhin besser als die Nacht in der der Premierminister trotz Ausgangsbeschränkungen seine Lockdownpartys gefeiert hat."
„Oh, erinnere mich nicht daran", sagte ich und stöhnte gequält auf. „Da hättest du einen Onlineshop eröffnen können, so viel wie du gestrickt hast!"
„Arbeitest du etwa immer noch?", tadelte mich Leyla und zeigte auf mein Handy.
„Nein?"
„Erzähl keinen Scheiß".
„Ja okay, ich überlege mich gerade zu dieser Konferenz anzumelden."
„Wo ist die?"
„Norwegen."
„Brauchst du eigentlich eine PR-Beraterin?"
„Wieso fragst du?"
„Irgendwer muss doch deine Pressestimme sein, nachdem ihr heiratet?"
„Wer?"
„Na du und E. Price!"
„Leyla. Der Typ würd mich auf der Bühne sehen und sich denken, süß die Praktikantin da oben, die keine Ahnung hat wovon sie spricht. Das ist E. fucking Price".
„Also ich würde den nicht von der Bettkante schubsen.", schwärmte sie und hob die Stricknadeln wieder an.
Schweigend schauten wir auf den Bildschirm.
„Ich geh jetzt Pizza holen."
„Ja gute Idee. Denk über meine Frage nach."
„Leyla, ich brauch keine PR-Beraterin. Vor allem keine die jedes Mal eine Krise bekommt sobald sie arbeiten muss."
Ihr Lachen hörte ich noch im Hausflur.
❤
Es war kalt, an diesem Dienstag Abend als ich hinaus trat. Eine Zeit lang stand ich draußen vor dem Eingang des Wohngebäudes. Ich zog die eisige Luft in die Lungen ein und atmete sie langsam wieder aus. Beobachtete dabei Passanten, die über den Bürgersteig an mir vorbei liefen. Eine ältere Frau mit einem kleinen Dackel. Ein Paar, das die Arme ineinander verhakt hatten und eiligen Schrittes an mir vorbei huschten. Ein Fahrradfahrer der sein Rad neben sich herschob. Ich genoss für einen kurzen Moment die Ruhe. Keiner von ihnen blickte auf. Alle waren sie in ihren eigenen Gedanken versunken. Sahen nicht nach links und rechts. Gingen ihres Weges.
Ich zog meinen Mantel enger und lief die wenigen Stufen hinab. Mischte mich unter die Leute. Eilig lief ich über die Straße in Richtung Pietros Pizzeria. Er freute sich jedes Mal aufs Neue mich zu sehen. Wie üblich stand er hinter dem Tresen. Auf seinem schwarzen Shirt helle Mehlflecken. Seine Augen begannen zu Lächeln, als er meine Bestellung aufnahm.
"Ich warte heute draußen, Pietro."
Ich kannte Pietro zu gut, um zu Wissen, dass er mir sonst ungefragt ein Glas Wein auf den Tresen stellen und mich nach meinem Liebesleben ausquetschen würde. Doch heute war mir nicht danach. Heute war mir danach mich draußen gegen die Hauswand zu lehnen, die Straße und den Trouble zu beobachten und die frische Luft zu genießen. Alleine. Pietro stellte keine Fragen. Er legte nur seine Hand kurz auf meinen Oberarm und sagte, dass er ein anderes Mal für mich da wäre, wenn ich es bräuchte. Ich mochte ihn, Pietro, meinen Italiener des Vertrauens. Er würde mir wirklich die Mafia aufhalsen, wenn ich auf die Idee käme irgendwo anders als bei ihm meine Pizzen zu beziehen. Nur einmal hatte ich den Fehler gemacht, vor langer Zeit, bei einem anderem Italiener drei Straßen weiter etwas zu bestellen. Mit zusammengekniffenen Augen hatte er mich angestarrt als ich an ihm vorbei lief, während er draußen die Gäste bediente. Pure Enttäuschung in seinem Blick. Zu meiner Verteidigung, kannte ich Pietro zu diesem Zeitpunkt noch nicht besonders gut. Den Fehler hatte ich keinen zweiten Mal gemacht. Bis heute sprachen wir nicht über diesen Vorfall. Wir wussten beide, dass er sich nicht wiederholen würde.
Grinsend lehnte ich meinen Kopf gegen die kühle Wand. Mir ging es gut an diesem Abend. Das ständige Gedanken-Karussel, das üblicherweise Runde um Runde in meinem Kopf drehte, war für einen Moment zum Stillstand gekommen. Ich schrieb es der kalten Luft zu. Ich beobachtete die Autos, die an mir vorbeiführen, die Menschen die an mir vorbeiliefen. Ein Flugzeug, dass im Tiefflug auf den Flughafen zusteuerte. Ich dachte an Oslo. Ich freute mich darauf meine nackten Füße in die samtig weiche Bettdecke meines Hotelbettes zu stecken. Das beruhigende Geräusch der Klimaanlage im Hintergrund zu hören. Die Sicht über die nordische Großstadt zu genießen. Ich lächelte.
DU LIEST GERADE
Zimmer mit Aussicht (I + II)
Storie d'amoreEllis hält nicht viel von Beziehungen, einem nine-to-five Job und der immergleichen Aussicht aus dem Schlafzimmerfenster. Stattdessen gehören Konferenzen, Hotelbars und attraktive Businessmänner zwischen ihren Laken zu ihrem Daily Business. Zu Missg...