Kapitel 15 | 1 | Edited

263 22 0
                                    

K A P I T E L 15

1

"Er wird dir auch nicht schneller schreiben, nur weil du die ganze Zeit in dein Telefon starrst!"

Ertappt blickte ich auf. Anja schaute mich mit geneigtem Kopf an.

"Ich kenn dich lang genug, um zu Wissen, dass das keine Geschäfts-SMS ist auf die du wartest."

"Ich warte auf keine SMS", antwortete ich und steckte mein Handy weg.

"Wie du meinst. Ich geh mir noch einen Kaffee holen.", sagte sie. "Ich komme mit", sagte Adam und stand auf.

"Schwarzen für mich bitte", sagte Georg, der konzentriert in den Laptop starrte.

"Ellis?"

"Passt, danke", murmelte ich und zog die Zeitschrift aus meiner Handtasche, die ich im Duty Free gekauft hatte. In wenigen Stunden würden wir in der Toskana sein.

Gedankenverloren blätterte ich durch die Seiten. Überflog einen Artikel über wasserstoffbetriebene Brennstoffzell-Triebwerke für Flugzeuge, nur um dann festzustellen, dass ich mir nichts davon gemerkt hatte und begann von vorne. Neben mir hörte ich wie Georg wild in seine Tastatur hämmerte. Im Hintergrund wurde eine Beate Irgendwer aufgerufen, die dringlichst an Gate 13 erscheinen sollte. Ein kleines Kind erlebte einen Tobsuchtsanfall. Ich las denselben Satz des Artikels schließlich drei mal hintereinander, bis ich beschloss die Zeitschrift zusammenzuklappen und mein Handy wieder aus der Tasche zu holen.

Ich starrte auf Williams letzte SMS.

Guten Flug nach Italien.

Kein Smiley diesesmal. Ich scrollte hoch und schaute mir die anderen Nachrichten an.

Gestern Abend hatte er geschrieben: Melde dich mal aus dem Süden. Hoffe du kannst dich etwas enstpannen.

Am Morgen hatte er geschrieben: War gestern Abend mit Jonas bei Pietro. Ich glaube wir haben einen neuen Lieblingsitaliener.

Ich scrollte weiter. Vor drei Tagen hatte er mich gefragt, wie es mir ginge, er habe lange nichts von mir gehört.

Vor sechs Tagen hatte er geschrieben und mir erzählt, dass er an den Sex denken musste, den wir hatten. Einen Zwinkersmiley hatte er hinzugefügt.

Vor zwei Wochen, hatte er mich gefragt, ob ich die Nacht bereuen würde. Es war die einzige Nachricht, die ich beantwortet hatte. Ich hatte Nein geschrieben.

Ich tippte erneut einige Anläufe. Es war nicht fair, ihm nicht zu antworten. Ich wusste nicht, was ich empfinden sollte. Ich wusste nur, dass ich ihn nicht verletzten wollte.

Schließlich schrieb ich: Entschuldige, dass ich nicht geantwortet habe. Ich melde mich wenn ich zurück bin. Ich brauche Zeit zum nachdenken.

Ich schloss den Chat und öffnete den von Elliot. Wir hatten keine Nachrichten mehr geschrieben, seitdem er abends in meinem Büro erschienen war. Es fühlte sich wie eine Ewigkeit an. Die Wochen danach waren eine Mischung aus übermässig langen Arbeitstagen und belanglosem Herumdümpeln in der Badewanne gewesen.

Ich schnaufte auf und begann schließlich zu tippen.

Ich vermisse dich, schrieb ich und löschte es wieder.

Ich vermisse unsere Nächte. Auch diese Nachricht löschte ich.

Dann tippte ich schließlich das ein, was ich wirklich dachte: Du bist ziemlich feige.

Zimmer mit Aussicht (I + II)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt