Kapitel 08 | 4 | Edited

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K A P I T E L 08

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Ich klopfte zwei Mal gegen die Fensterscheibe. Ich war mir sicher, dass Pietro schon da war. Ich vermeinte Geräusche auf der anderen Seite der Tür zu vernehmen. Ich spähte durch das milchige Glas ins Innere. Ein Licht in der Küche brannte schon. Auf dem Tresen vier Kartons. Der italienische Vino, von dem er mir erzählt hatte. Beim dritten Klopfen sah ich Pietro die Treppen aus dem Keller hochstapfen. In seinem Gesicht breitete sich ein Lächeln aus, als er mich sah. Er stellte die Kiste, die er mit hochgebracht hatte auf den Boden, wischte seine Hände an der Schürze ab und kam zur Tür geeilt.

Der bekannte Geruch nach altem Fett, Oregano und Knoblauch stieg mir in die Nase.

"Ellis! Du bist gekommen."

"Natürlich Pietro. Wenn du neuen Wein bestellst, dann gibst du ihn doch nie an Gäste aus, bevor wir ihn verkostet haben."

Pietro lachte. Wo ich recht habe, sagte er und nahm mir Wintermantel und Schal ab.

"Ich kann mich noch an das erste Mal erinnern, an dem du bei mir warst", sagte Pietro. Er hing Mantel und Schal auf den wackligen Kleiderständer und lief mit üblich langsamen Schritt hinter die Theke. "Das war vor mehr als fünf Jahren. Du hattest dich ausgeschlossen. Draußen es hatte geregnet. Du hast erzählt, dass du neu eingezogen bist. Du hast stundenlang bei mir gesessen wie ein nasser Hund, bis der Vermieter mit einem Schlüssel kam. Du warst noch naiv und jung."

"Das bin ich immer noch", sagte ich schulterzuckend und rückte mir einen Barhocker zurecht. Pietro grinste, zog wie üblich zwei Weingläser aus dem Regal und stellte sie vor uns ab. Dann nahm er eine Weinflasche aus einem der Kartons und hielt sie mir mit dem Etikett nach vorne gerichtet hin.

"Sieht edel aus."

"Viel zu teuer für Pizzeria die eigentlich nachts um zwei nur von betrunkenen Party-Touristen besucht wird", sagte Pietro.

Pietros Pizzeria war kein nobler Schuppen in Kensington. Seine Einrichtung stammte aus den Achtzigern. Sein Vater hatte das Lokal eröffnet. An den Wänden hingen gerahmte schwarz-weiß Bilder von Pizzas, Nudeln und knapp bekleideten Italienerinen aus den Sechszigern. Eine große runde Wanduhr hing laut tickend über der Theke. Die roten Barhocker verloren Farbe und gelber Schaumstoff quillte aus den Nähten hervor. Auf der Theke lagen fast schon klebrige Magazine mit Coverstories über Sizilien, der Toskana und Rom die auf das Jahr 2007 datiert waren. Pietro sagte, dass die echten Pizzerien in Italien auch nicht anders aussahen. Diese ganzen auf schick gemachten Läden seien einfach total unauthentisch. Es gab drei Tische und sieben Barhocker. Er nannte es gerne Italian Streetfood, denn oftmals saßen die Gäste mit den Pizzen im Karton auf dem Bordstein draußen vor dem Lokal. Pietro schenkte dann Wein in Pappbechern aus und schmunzelte über die Paare die eng beieinander saßen und sich eine Pizza teilten.

Pietro öffnete den Korken mit gekonntem Griff, ein lautes Ploppen war zu hören und dann ließ er den Wein in die Gläser fließen. Als er die Flasche abstellte schaute er mich musternd an.

"Komm, spucks aus, Pietro, ich weiß welche Frage dir auf der Zunge liegt."

"Tresoro... Natürlich liegt sie mir in der Zunge."

Ich nahm das Glas in die Hand und betrachtete den Wein. Beobachtete wie er ölige Spuren am Glasrand hinterließ. Er roch süßlich. Nach Sommer und Glück.

"Er ist nur ein Freund, Pietro."

"Das er sieht anders, Bambina."

Pietro schaute mir vielsagend in die Augen und hob sein Glas an.

"Salute", sagte er und wir ließen laut klirrend die Gläser aneinander stoßen.

Ich führte den Wein an die Lippen. Süßlich zu beginn. Mild im Abgang. Aber mehr hätte ich auch nicht sagen können. Blumig vielleicht? Sanft? Ausgesprochen angenehm?

"Und?"

"Particularemente Bene!"

Pietro lachte. Mein Italienisch amüsierte ihn immer wieder. Vermutlich lag es an der Tatsache, dass ich absolut kein Italienisch konnte. Die wenigen Worte hatte ich nur von ihm oder seinem Küchenassistenten Luis gelernt .

"Luis sucht auch noch Frau, Ellis."

"Pietro ich suche keinen Mann."

"Warum nicht?"

"Zu anstrengend. Der braucht mehr Aufmerksamkeit als ein Hund oder ein Kind."

Pietro schaute mich kopfschüttelnd an.

"Was soll nur aus dir werden?"

"William, der Mann von gestern ist wirklich nur ein Freund. Es war kein Date."

"Da bin ich mir nicht sicher", sagte er und ein breites Grinsen erschien auf seinen Lippen, "Kein Mann fährt nachts um zwei durch die halbe Stadt, um mit einer Frau spazieren zu gehen, mit der er ist befreundet."

"Er wohnt in der Ecke", log ich. Tatsächlich hatte mir William gar nicht erzählt wo er wohnte.

Neben den peinlichen Geschichten unserer Jugend hatten wir über Little Win gesprochen und eine lange Grundsatzdiskussion zu der Besiedlung des Mars geführt.

Ich wollte mich gerade Pietro erklären, als meine Smartwatch aufleuchtete. Ich blickte hinab.

"Ist er das?", fragte Pietro interessiert und starrte auf mein Handgelenk.

"Nein", sagte ich und zog schnell meine Ärmel runter.

E.P hatte mir getextet.

"Ein anderer?", fragte Pietro mit einem fast schon unglaublichem Gesichtsausdruck, gefolgt von einem verschmitzten Lachen.

"Bella. Bambina. Du brichst Herzen."

"Solange es nicht deins ist", sagte ich mit einem Zwinkern und ließ mein Wein erneut an das seine Klirren.

"Charmant, aber meins kann nur meine Frau brechen."

Wir schwiegen eine Weile. Ich betrachtete die flackernde Lampe im Hintergrund. Neben ihr ein schräg aufgehängtes Bild von Pietro, seiner Tochter und einer Katze.

"Ich verheirate dich jetzt mit Luis. Luis sucht Frau. Luis kann Pizza backen und Luis ist jung. Was du mehr willst?"

Pietro schmiss die Hände in die Luft. "Ja jetzt reicht es mir. Wenn meine Tochter später so kompliziert ist, dann ja.. ich sie schicke nach Italien um Mann zu finden. Per l'amor del dio, so kann das nicht weitergehen."

"Der Wein ist gut Pietro. Bewahre ein paar Flaschen für mich auf. Verkauf ihn nicht gleich", sagte ich. Lenkte ab von der Tatsache dass ich unverheiratet, naiv und allein war.

"Ich komme gleich wieder, Ellis. Ich zeige dir Bilder von Mia und mir in der Toskana als wir uns kennenlernten. Irgendwo ich habe Foto", Pietro drehte sich um und öffnete willkürlich irgendwelche Schubladen. Kramte rum, suchte Bilder.

Ich starrte hinab in mein Weinglas. Vielleicht würde ich ja dort irgendwo die Antwort aller Fragen finden.

Oh Wow Ellis, dass hat Opa Charles auch immer gesagt, bevor er zur Whiskeyflasche gegriffen um sich ins Ethanol-Nirwana zu schießen.

Oh hallo Elaine, flüsterte ich. Lange nichts von dir gehört.

Ich blickte hinab auf meine Uhr. Sah die ersten Worte der Nachricht. Blickte auf Pietro der noch immer in der Schublade wühlte.

Die Neugierde packte mich und ich las sie:

In welchem Hotel wohnen Sie während ihrer Reise nach Berlin, Miss Shepherd?

Schmunzelnd zog ich meinen Ärmel wieder über das Handgelenk, nahm das Weinglas in die Hand und bereitete mich auf die Geschichten Pietros vor. Ich mochte ihn. Meinen Freund, der Italiener, der wahrhaftig an meinem Glück interessiert war. 

Zimmer mit Aussicht (I + II)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt