Kapitel 08 | 2 | Edited

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K A P I T E L 08

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Ich drückte dem Taxifahrer zwei Scheine in die Hand und stieg aus. Mit klopfendem Herzen stand ich vor dem riesigen, gläsernen Gebäude, das ausschaute als käme es aus einem SciFi-Zukunftsfilm. Das Logo so markant und unverwechselbar, dass ich nicht einmal hinterfragen musste, ob ich hier richtig war. Ich stand vor Elliots Imperium. Ich hatte Hummeln im Arsch. So muss es sich also anfühlen, der Hauptcharakter in Sixty Shades of May zu sein, dachte ich mir grinsend und lief auf den imposanten Eingang zu. Links und rechts des Weges perfekt gepflegter englischer Rasen. Ein Gärtner stand in blauer Uniform und Heckenschere an einem Buchsbaum. Während ich mit hängender Kinnlade auf den Komplex starrte, dachte ich an das kleine Büro, das ich meinen Mitarbeitern anbot. Vor meinen Augen tauchte Anja auf, die Kaffetrinkend an der kleinen Küchenzeile stand. Unsere Produktmanager die in den kleinen Räumen an Whiteboards ihre Roadmaps für das nächste Quartal notierten. Wir hatten zwei Sofas in den Gang gestellt mit Beamer und Kühlschrank, um nach Feierabend zusammenzusitzen. Meist wurde sie von Anja und mir genutzt, um bis in die späten Stunden entweder über geschäftliches zu reden oder uns über die Eskapaden des Wochenendes auszutauschen. Ich schmunzelte. Wenn ich ehrlich war, wollte ich um nichts unser Büro sowie den dazugehörigen kreuzworträtsellösenden Rezeptionisten Rob mit doppelverglaster Brille für englischem Rasen, Buchsbaum und Gärtner austauschen. Ich war unheimlich stolz gewesen, als ich vor einigen Jahren den Vertrag unterschrieben und die Schlüssel in entgegengenommen hatte. Ich blickte auf meine Armbanduhr, schob meine Erinnerungen und Gedanken beiseite und stolzierte hoch erhobenen Hauptes auf den Eingang zu.

Die Wände weiß, das Licht hell, es roch nach Rosen, Geld und Desinfektionsmittel. Von der hohen Decke des Foyers hing eine riesige, goldene Lampe. Der Boden aus hellem Marmor. Vor der großen Fensterfront Designerstühle. Vogelgezwitscher erklang durch den hohen Raum. Zwei riesige grüne Tropenpflanzen rahmten die Rezeption. Hinter dieser, eine dünne, asiatisch abstammende Frau im blauen Businessdress. Auf ihrer Nase eine große, runde Brille mit weißem Gestell. Ihre Haare perfekt zu einem engen Pferdeschwanz gebunden.

Ich wünschte mir in diesem Moment, ich hätte keine hohen Schuhe angezogen. Meine Ankunft war nicht zu überhören und so schauten die Rezeptionistin, ein Fensterputzer, zwei weiße alte Männer in Anzug sowie der mir entgegenkommende Postbote neugierig auf.

„Guten Tag. Ich habe einen Termin mit Elliot Price", kündigte ich mich an.

Das blaue Businessdress schaute auf, musterte mich, setzte ihr professionelles Lächeln auf und schaute mich erwartungsvoll an.

„Ellis Shepherd", stellte ich mich vor.

„Ellis Shepherd...", wiederholte sie und tippte mit ihren frisch manikürten Fingern in ihre Tastatur.

„Aha, der Mittagstermin", stellte sie fest und musterte mich erneut. „Waren sie schon einmal hier?"

„Nein."

„Aha."

Die Rezeptionistin klemmte sich ihr EyePhone zwischen Schulter und Ohr, reichte mir Stift und Zettel und deutete auf die Designerstühle.

„Wen sie das kurz ausfüllen könnten?", sagte sie zunächst an mich gerichtet. Dann sprach sie ins Telefon: „Mister Price. Ihr Mittagstermin ist da. Aha. Mhh. Aha. Mhh. Ja ich lasse sie noch kurz den NDA ausfüllen. Aha. Aha."

Ich unterdrückte ein Lachen und durchquerte erneut, lauten Schrittes, den Raum.

Die Papiere enthielten keine vierzigseitige Abmachung bezüglich meiner sexuellen Vorliebe sowie ein Ja/Nein Fragebogen zu Geschlechtskrankheiten, dennoch wollte er, dass ich unterschrieb, dass ausgetauschte Worte diesen großen Glaspalast nicht verlassen würden.

Zimmer mit Aussicht (I + II)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt