Kapitel 08 | 03

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K A P I T E L 08

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Ich fand Leyla auf der Couch vor. Sie schaute weder eine Wildtier-Dokumentation an, noch eine Kochshow. Sie strickte.

"Ist alles okay bei euch?", fragte sie. Als sie meinen Gesichtsausdruck sah, legte sie die Nadeln nieder und öffnete den Mund. Ihre Augenbrauen kräuselten sich. "Du siehst ein wenig echauffiert aus."

"Ich bin ein wenig echauffiert", gab ich zurück. "Könntest du uns einige Minuten Privatsphäre geben?" Ich fühlte mich wie die schlimmste Mitbewohnerin überhaupt. Kein Wunder, dass sie sich gerade keine Tierdoku anschaute, nachdem sie vermutlich jeden Sound aus meinem Schlafzimmer mitgehört hatte. Da konnte selbst der paarungsgeile Löwe aus der Serengeti nicht mithalten.

Leyla stand vom Sofa auf. Sie schlurfte zu ihrer Schlafzimmertür. "Ich bin da, wenn du mich brauchst", sagte sie noch bevor die Tür ins Schloss fiel.

Ich atmete langsam aus und lief zur Küchentheke, stellte die Kaffeemaschine an und holte mir eine Espresso-Tasse aus dem Schrank. Ich war so drauf versessen gewesen, diese starke emanzipierte Frau zu sein, die keinen festen Partner braucht, dass ich masslos damit überfordert war, einen Mann kennenzulernen, der dasselbe von sich behauptet. Ich dachte an meinen Exfreund zurück. An die enttäuschten Blicke, die er mir immer zugeworfen hatte, wenn ich spät von der Arbeit kam. An die Diskussionen, die wir hatten, als ich ihm sagte, dass ich am Wochenende nicht mit aufs Landhaus seiner Familie fahren würde. So oft hatte ich ihn alleine auf Geburtstage oder Events gehen lassen, weil ich wichtigeres zu tun hatte.

"Vielleicht hast du auch einfach keine richtigen Gefühle für ihn", hatte Sasha mir einmal gesagt. "Vielleicht liebt er dich viel mehr, als du ihn."

Vielleicht hatte sie recht damit gehabt. Mein Ex Freund suchte nach etwas, was ich ihm so offensichtlich nicht geben konnte.

"Er ist abhängig von mir, Sasha. Ich bin verantwortlich für sein Glück", hatte ich ihr gesagt. Oft hatte ich mir gewünscht, dass er etwas für sich hatte. Etwas wofür er brannte, etwas was seine gesamte Aufmerksamkeit benötigte. Ich wollte eine Beziehung, ohne großen Aufwand.

Ich starrte auf die Zimmertür, hinter der sich Elliot noch immer verbarg. Es war nur eine Frage der Zeit, bis er ins Wohnzimmer kommen würde. Vielleicht lebten Elliot und ich doch nicht in derselben Welt. Er hatte eine Tochter, eine Exfrau, einen Scheidungskrieg hinters sich. Er war einer der erfolgreichsten Männer Englands und hatte ein Imperium für sich aufgebaut. Natürlich hatte er besseres zu tun, als mit seiner sogenannten Freundin auf Verlobungsfeiern zu gehen.

Die Türklinke wurde heruntergedrückt und Elliot erschien im Türrahmen. In seinem Gesicht keine Zeichen von Wut. Er schien so entspannt wie immer. Ganz so, als ob hinter seiner wunderschönen Maske, Gefühle keinen Raum fanden.

"Ich habe dich verärgert", sagte er lediglich und schritt auf mich zu. Schweigend führte ich meinen Espresso an die Lippen. Eine Weile schauten wir uns in die Augen.

"Das hier-" er deutete zwischen uns beiden hin und her "-wird nicht funktionieren, wenn wir uns von unseren Emotionen leiten lassen. Ich bin ein großer Fan von dir. Du bist intelligent, recht witzig, erfolgreich, zielorientiert. Du hast viele Freunde und eine Karriere die sich jeder Wünschen würde. Ich verbringe gerne Zeit mit dir, aber nach der Geschichte mit meiner Ex-Frau, habe ich beschlossen meinen Fokus auf mich zu legen. Ich kann dir momentan keine klassische Beziehung bieten. Daher bitte, bitte suche dir jemanden, der mit dir das erlebt, was ich dir nicht geben kann."

Ich schnaufte.

"Gibt es etwas, was ich dir nicht geben kann?", fragte ich.

"Nein", sagte er ohne darüber nachdenken zu müssen. Er nahm meine Espressotasse aus der Hand und stellte sie auf die Insel ab. Dann zog er mich zu sich. "Mir fehlen die Gespräche, die wir in den Hotelzimmern hatten. Mir fehlt die Leichtigkeit. Es hat uns beiden gut getan."

"Was ist mit der Presse?"

"Ellis, wir beide haben keine Lust Schlagzeilen zu machen. Wir sind nicht die Royals. Ich bin Tech-Titan und solange meine Firmen medizinischen Fortschritt bringt, ist es den Leuten recht egal, ob meine-" er hielt kurz inne "-Freundin einen-" er hielt erneut inne "guten - sagen wir mal - Freund namens William hat oder nicht."

"Meinst du nicht, William hat da auch ein Wort mitzureden?", fragte ich und musste zum ersten Mal schmunzeln.

"Lad ihn auf die Verlobungsfeier ein."

"Das ist verrückt, das macht er nie mit."

Elliot zuckte die Schultern. Dann hob er mein Kinn an und küsste mich.

"Und du bist nicht eifersüchtig?"

"So wie du auf Nadja, keinesfalls."

"Nadja", knurrte ich fast schon. Es brachte ihn zum lachen. "Habt ihr das gleiche Arrangement, wie wir beide?"

"Willst du es wirklich wissen?", fragte er.

"Ja."

"Nein, haben wir nicht", sagte er und zwinkerte. 

Zimmer mit Aussicht (I + II)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt