Kapitel 07 | 02

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K A P I T E L 07

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Der Tag, an dem Sasha und ich beschlossen Freundinnen zu sein, lag jetzt dreiundzwanzig Jahre hinter uns. Sashas Eltern mussten für einen familiären Notfall nach London fahren und baten meine Eltern Sasha fürs Wochenende zu sich zu nehmen. Damals gingen wir zwar in dieselbe Vorschulklasse, doch wirklich Zeit verbrachten wir nicht miteinander. (Ich fand sie komisch, weil sie die Stifte in ihrem Federmäppchen nach Schulfach sortierte und nicht wie jeder andere normaler Mensch nach Größe oder Farbe, sie fand mich komisch, weil ich unterschiedlich-farbige Socken trug. Verständlich.)

Am Freitag vor dreiundzwanzig Jahren stand sie also in blauer Latzhose und braune Cape vor unserer Tür. Mom drückte Sashas Mutter an sich. In den Augen ihrer Mutter Tränen. Sasha erzählte mir später mit einem Schulterzucken, dass ihre Großtante gestorben sei. Das sei ihr jedoch recht egal, denn sie hatte eh Mundgeruch und ihr immer mit dem Holzlöffel auf die Finger geklopft. Außerdem sei sie immer so böse zu ihr gewesen, wenn sie nicht hören wollte.

Wir verbrachten das Wochenende zusammen und Mom schleppte sie mit zur Messe. Bis heute behauptete sie, traumatisiert worden zu sein. Die Orgelgeräusche begleitete noch immer ihre Albträume.

Da saßen wir also, beide mit fünf Jahren auf der Couch im Wohnzimmer und durften am Sonntag Abend ausnahmsweise einen Disneyfilm schauen. ("Weil Sasha da ist", sagte Mom.) Die kleinen Hände immer wieder zum Popcorn greifend.

"Willst du meine Freundin sein, Samantha?"

"Nur wenn du mich Sasha nennst."

"Warum Sasha?"

"Weil ich Samantha Shakira heiße"

"Shakira? Ich glaube dir kein Wort."

Dann kicherten wir und schauten wieder in den Fernseher rein, in dem Bambies Mutter gerade vom Jäger erschossen wurde.

Sasha jetzt nach vierundzwanzig Jahren in einem Geschäft zu treffen, damit sie sich ein Verlobungskleid aussuchen kann, fühlte sich seltsam an. Vielleicht, aber auch nur vielleicht war ich ein kleines bisschen neidisch auf Jessica. Darauf, dass sie jetzt das Recht hatte die Nummer eins in Sashas Leben zu sein. Diejenige, die alle Details ihres Lebens von nun an kennen würde. Diejenige, zu der sich Sasha am Abend kuschelt, um im Detail von ihrem Tag zu erzählen. Diejenige die Sasha tröstet, wenn Bambies Mutter starb.

Wann hatte die Gesellschaft beschlossen, Lebenspartner hierarchiech über Freundschaften zu stellen?

Gott, bist du ein sentimentales Haufen Elend, Ellis. Ich lachte und öffnete die Tür. Eine Weile beobachtete ich wie Sasha zwei recht pompöse Kleider mit Rüschen in die Höhe hielt. Mit geneigtem Kopf und gerümpfter Nase blickte sie die zwei blauen Kleider an. Ich konnte mir Sasha in keinem von beiden vorstellen.

"Fehlt nur noch ein weißer Hut dazu und du siehst aus wie ein Blaubeermuffin mit Frosting", rief ich ihr zu. Sasha blickte auf und schüttelte den Kopf.

"Unheimlich kitschig oder? Stell dir Jessicas Gesichtsausdruck vor, wenn ich damit auf unserer Party erscheine?"

"Sie würde so tun, als kenne sie dich nicht."

"Vermutlich."

Wir lachten. Sasha hängte die Kleider wieder auf und drückte mich dann an sich. Ich spürte ihre warme Wange an meiner. Atmete das dezente Parfüm ein.

Sasha und ich hatten uns drei Mal in unserem Leben gestritten. Das erste Mal, als wir sieben waren und wir beide auf Jeremy Klein standen. Ein brauhaariger Junge aus der Parallelklasse, der jeden Morgen mit Skateboard zur Schule kam. Schon damals warf er allen Mädchen einen flirty Blick zu. Vor kurzem erfuhr ich, dass er mit seinem Partner ein Kind aus China adoptiert hatte. Der Streit somit, völlig umsonst. Das zweite Mal, als wir sechszehn waren und ich sie bat mich zu decken, damit ich mit Kenny Kraut-Krawinski schechten Sex mit seinem Minipimmel haben konnte. Doch die gute Sasha hatte völlig vergessen, dass ich mit ihr im Kino war und rief bei meiner Mutter an, um nach mir zu fragen. Danach durfte ich mir von Mom die übliche Standpauke zu den Drei "No-s" anhören. No Sex, no Alcohol, no drugs.

Zimmer mit Aussicht (I + II)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt