Kapitel 14 | 3 | Edited

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K A P I T E L 14

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"Meine Schwester hieß Ellaine. Sie redet manchmal mit mir. Ich weiß, dass es nur in meinem Kopf geschieht, ich bin nicht verrückt, falls du es denken solltest. Es ist meine eigene Stimme, die die Dinge sagt, die ich - Ellis - nie wirklich laut sagen würde, aber tief im inneren eigentlich denke."

Ich erzählte Elliot von meiner Kindheit. Erzählte ihm von meinen Eltern und ihrer Erziehung, von der Kirche und der immer präsenten Religion in unserer Kindheit. Ich erzählte von Ellaine. Von dem Zigaretten-Fiasko, den bunten Haaren und dem Wunsch Elias genannt zu werden.

Während ich ihm das erzählte, sah ich Ellaines Augen vor mir. Sah die Hoffnungslosigkeit in ihnen. Den Wunsch verstanden und akzeptiert zu werden.

Die innere Stimme in mir schwieg zum ersten Mal. Ich wusste, das es an der Zeit war, es jemandem zu erzählen. Er ist der einzige, der mich verstehen würde, da war ich mir sicher. Alle anderen würden danach glauben, ein guter Psychiater oder eine Auszeit auf einer einsamen Insel wäre die Lösung meiner Probleme.

Als ich begann, ihm von der Affäre meines Vaters zu erzählen, stand Elliot auf und stellte sich zu mir ans Fenster. Ich sagte ihm, dass mein Vater sie schwängerte. Er atmete scharf ein und nahm meine Hand. Ich wagte es nicht den Blick von der Aussicht zu nehmen. Ich starrte hinab. Beobachtete die roten Rücklichter der Autos.

Das Dad sie geschwängert hatte, erzählte er uns nie. Weder Mom noch Erica wussten davon. Seine Affäre klingelte eines Tages, hochschwanger, an unserer Tür. Ich hatte sie aufgemacht. Hatte mit verwirrtem Blick auf ihre große Kugel gestarrt, die unter ihrem roten Kleid unübersehbar ihre Aufmerksamkeit suchte.

"Wer ist es?", hörte ich Ellaines Stimme im Treppenhaus. Ehe ich sie abhalten konnte an die Tür zu kommen, stand sie neben mir.

"Wer sind Sie?", fragte Ellaine. Ihr Blick starr auf den Bauch der Frau gerichtet.

Ich wusste, wer sie ist, ohne dass sie es mir hätte sagen müssen.

"Es tut mir Leid, dass ich hier klingel. Ich hätte es nicht tun sollen. Es ist euch nicht fair gegenüber. Aber ich muss es machen", stammelte die Frau. In ihren Augen sah ich Angst.

"Was wollen Sie von uns?", antwortete Ellaine "Geh nach oben, Ellis."

"Ihr müsst Ellaine und Ellis sein?", vermutete sie. "Es tut mir so Leid. Es tut mir so Leid." Die Frau holte einen Brief aus ihrer Tasche. Sie hatte Tränen in den Augen, als sie sagte: "Bitte gebt das eurem Vater, ja?"

Mit zusammengekniffenen Augen starrte Ellaine sie an.

"Ich bin Julia Norman", flüsterte sie, drehte sich um und lief mit gesenktem Blick zurück zur Straße.

"Was war das denn?", fragte Ellaine und schloss die Tür. Ich wusste, dass Dad eine Affaire hatte. Ich wusste, dass sie Julia hieß, denn ich hörte ihn ihren Namen am Telefon sagen.

"Gib mir den Brief, Ellaine. Ich gebe ihn Dad.", sagte ich. Ellaine war die letzte, die hiervon erfahren sollte. Anstelle ihn mir zu geben, begann sie ihn zu öffnen. Ich versuchte sie abzuhalten. Ihr den Brief aus der Hand zu reißen. Wollte verhindern, dass sie es herausfand.

Doch ich schaffte es nicht. Sie riss das Papier auf.

In blauer Tinte schrieb Julia, dass sie das Kind Serena taufen wolle. Sie hatte es nicht übers Herz gebracht, es loszuwerden. Auch wenn sie es ihm versprochen hatte. Sie würde Little Win verlassen. Nach London ziehen, zu ihrer Mutter. Sie verstand, dass Dad unsere Familie nicht verlassen wollte. Sie wusste, dass er das Kind nicht haben wollte. Aber er hatte ein recht darauf zu wissen, dass sie es bekommen würde. Sie wollte nicht aufgefunden werden, hinterließ keine Adresse. Ein Bild vom Ultraschall war beigelegt worden.

Zimmer mit Aussicht (I + II)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt