Kapitel 05 | 03

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K A P I T E L 05

3

Elliot ging einen Schritt zur Seite. Ich hockte mich auf einen der Barhocker in der Küche und beobachtete die Szene aus der Entfernung.

"Warum gehst du nicht ans Telefon, Elliot?"

"Das letzte Mal, hast du mir lediglich erzählen wollen, dass deine Nachbarin von nebenan ausgezogen ist und du dich gefreut hast, dass ihr nerviger Kläffer endlich weg ist."

"Ja, ich konnte mich nicht auf meine Zahlen konzentrieren, wenn diese Töle immer nur rumbellt."

"Gut, egal, Jonas, was gibt es so dringendes?"

Jonas presste die Lippen aufeinander und ließ sich schnaufend auf das Sofa nieder. Erst jetzt bemerkte er, dass auch ich da war. Eine Weile starrte er mich mit verstrahltem Blick an. Dann neigte er den Kopf zur Seite. "Ellis."

"Jonas."

Jonas wand den Blick zwischen mir und Elliot hin und her. "Falscher Zeitpunkt?"

"Kann man so sagen", sagte Elliot und lachte etwas unbeholfen. "Gin?"

"Lieber nicht", antwortete Jonas. "Erica ist weg."

"Wie Erica ist weg?", fragte Elliot.

"Sie wollte am Donnerstag zu mir kommen. Aber sie kam nie an. Sie hat nichts geschrieben, nicht angerufen, gar nichts. Kein Lebenszeichen bis gerade eben."

"Was hat sie gerade geschrieben?", fragte ich und rutschte vom Barhocker.

"Sorry. Ist etwas vorgefallen", zitierte Jonas meine Schwester.

"Ihr ist etwas vorgefallen? Was denn?", fragte ich schulterzuckend. Konnte das unruhige Gefühl, was sich in mir breit machte nicht verleugnen.

"Ich habe keine Ahnung. Sie geht nicht ans Telefon, ignoriert meine Nachrichten."

"Ungewöhnlich", stellte ich fest und blickte mich nach meinem Handy um.

"Ich mach mir Sorgen."

"Ich hätte niemals gedacht, dass du der Womanizer schlechthin, sich jemals Sorgen um eine Frau macht", sagte Elliot und legte seinem Bruder kurz die Hand auf die Schulter.

"Danke. Du hast ein ganz schön falsches Bild von mir im Kopf."

"Hab ich?"

Jonas schmunzelte. "Steht das Angebot mit dem Gin noch?"

"Sicher."

"Ich hab neben meinem Beruf einfach keine Zeit für lange Beziehungen die viel Investment benötigen. Mein Job benötigt Investment. Erica ist die erste, die ich nicht... loswerden wollte."

Ich zog die Augenbrauen amüsiert in die Höhe.

"Und jetzt ist sie weg."

"Meinst du ihr ist etwas passiert?", fragte ich. Ich war mir sicher Mom hätte schon zwanzig mal angerufen und wäre unangekündigt bei mir aufgekreuzt, wenn Erica etwas vorgefallen wäre. Trotzdem bereitete sich das ungutes Gefühl weiter in mir aus. Ich wusste, dass etwas nicht stimmte. Schwesterliche Intuition. Doch wusste ich nicht was.

Während Elliot drei Gläser aus einem Schrank holte, fragte ich Jonas was vor dem Abend geschehen war.

"Wir hatten keinen Streit. Sie hatte noch einen Termin in London. Irgendwas für die Presse. Wollten mehr wissen über die Lokalpolitik, die sie betreibt und ihre weiteren Pläne."

Immer mehr Fragezeichen erschienen in meinem Kopf.

"Sie hat mich vom Zug noch angerufen. Da schien noch alles okay. Danach hörte ich nichts mehr."

Zimmer mit Aussicht (I + II)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt