,,Bist du bereit?“, frage ich Feli morgens beim Frühstück. Heute steht für uns zwei etwas besonderes an. Nachdem Feli ein paar Tage weg war und ich mit den ersten Trainingseinheiten begonnen habe, geht es für uns heute zum ersten Mal zusammen aufs Trainingsgelände. Aber nicht wegen des Trainings. Wir haben uns mit dem Verein in Verbindung gesetzt und überlegt, wie wir unsere Geschichte am besten erzählen. Letztendlich haben wir uns auf ein Video geeinigt, das dann sowohl wir als auch der VfL posten werden. Dieses wird heute gedreht. ,,Ich denk schon“, antwortet Feli und nimmt einen Löffel Müsli. ,,Ich auch. Irgendwie freue ich mich auf den Dreh“, sage ich. ,,Ja geht mir genauso. Spannend wird es ja erst, nachdem es veröffentlicht wurde“, stimmt sie mir zu. ,,Das wird schon.“ Nachdem Frühstück machen wir uns fertig und suchen uns dann passende Klamotten raus. Uns wurde nichts festes vorgegeben, so dass wir jetzt spontan entscheiden, was wir anziehen. Das einzige, was wir ausgemacht hatten, war dass wir unsere neuen Trikots anziehen. Da es schon früh am Morgen ziemlich warm ist, entscheiden Feli und ich uns für kurze Hosen. Sie sich für eine schwarze und ich mich für eine dunkelblaue. Mit den hellgrünen Trikots sieht das dann hoffentlich gut aus. Bis wir die Trikots aber bekommen, ziehen wir einfach unsere Trainingsshirts an. Hauptsache VfL.
Zusammen radeln wir zum Trainingsgelände. Irgendwie bin ich aufgeregt und das obwohl ich eigentlich genau weiß, wie es ablaufen wird. Aber ich habe noch nie zuvor bei solchen Dreharbeiten mitgewirkt. Okay, als ich zum VfL gewechselt bin, wurde auch ein kleines Video gedreht, aber da musste ich nur zwei Fragen beantworten, einmal aufs Tor schießen und durchs Stadion laufen. Mehr war das nicht. Heute wird das aber anders laufen. Es wird aufwendiger und vor allem persönlicher. Ich werde einen Großteil meiner Geschichte erzählen. Aber trotzdem ist auch etwas Vorfreude da. Wir müssen uns an die Öffentlichkeit wenden und ich habe vollstes Vertrauen in den Verein, dass das jetzt der richtige Weg wird.
,,Okay, dann fangen wir an oder?“, fragt Felix, der Leiter der Social Media Kanäle, der die Dreharbeiten leiten wird. Feli und ich nicken. Erstmal sollen die einfachen Szenen gedreht werden. Dazu verlassen wir das Büro, in dem wir gerade noch saßen, und machen uns auf den Weg ins AOK Stadion. Während Feli und ich nebeneinander herlaufen, werden wir die ganze Zeit gefilmt. Es soll die erste Szene werden. Damit es natürlich wirkt, unterhalten wir uns einfach über irgendwelche belanglose Themen. So ist die erste Szene schnell im Kasten.Als wir am Stadion ankommen, gehe wir in unseren Presseraum, wo unsere Trikots schon bereit liegen. Es sieht schon echt cool aus dem gleichen Namen da stehen zu haben. Die beiden Trikots liegen auf dem Tisch und es wird eine kurze Sequenz davon aufgenommen bevor Feli und ich uns kurz umziehen. ,,Wollt ihr erst die Szenen auf dem Rasen drehen oder erst das Interview?“, erkundigt sich Felix. ,,Das ist mir eigentlich ziemlich egal“, antwortet Feli. ,,Sehe ich auch so“, stimme ich ihr zu. ,,Dann machen wir erst die Szenen draußen“, beschließt Felix. So gehen wir raus auf den Rasen. Laut Plan soll ich Feli einen Freestyle Trick beibringen. Das soll zeigen, wie wir als Schwestern harmonieren. Wir haben uns für den Crossover entschieden. Auch wenn uns nicht direkt gesagt wird, dass die Kamera läuft, ist trotzdem ein komisches Gefühl dabei. Natürlich wissen wir, dass wir beobachtet werden und dass die Kameras nahezu durchgängig laufen. Letztendlich sollen wir alles normal machen. Das versuchen wir auch. ,,Du musst früher abspringen, damit du den Ball auch richtig triffst“, sage ich Feli. Feli versucht es erneut und dieses Mal klappt es besser. ,,Das sieht schon gut aus“, lobe ich sie. Wir machen noch ein bisschen weiter und dann schafft es Feli auch. ,,Ja, that’s it“, rufe ich und umarme sie. Genau das will die Kamera ja haben. ,,Sehr schön. Das sind wirklich tolle Aufnahmen bei rausgekommen“, meint Felix. Die Szenen sollen dann während wir unsere Geschichte erzählen immer wieder reingeschnitten werden. Um da etwas Abwechslung reinzubringen, drehen wir jetzt noch ein paar Fußball Szenen. Erstmal versuchen wir uns an einer Flanke von Feli und einem Kopfball von mir. Das funktioniert natürlich nicht auf Anhieb, aber auch dadurch entstehen schöne Szenen. Am Ende wird noch ein kleiner Zweikampf gefilmt, der aber letztendlich darin endet, dass wir lachend auf dem Rasen liegen. ,,Das ist jetzt vielleicht nicht das, was wir uns vorgestellt hatten, aber wir haben trotzdem schöne Sequenzen aufnehmen können“, ruft Felix uns zu.
Damit sind die Drehs im Stadion beendet und wir gehen zurück in den Presseraum. Jetzt sollen Feli und ich noch unsere Geschichte erzählen. Das wird der Hauptteil des Videos werden. Um ein paar Anhaltspunkte zu haben, wird Felix uns vorher abgesprochene Fragen stellen, die am Ende aber nicht zu hören sein werden. ,,Die Kamera läuft“, verkündet Felix. ,,Ich bin Louisa Rauch.“ ,,Und ich bin Felicitas Rauch und das ist unsere Geschichte.“ Das werden die ersten im Video gesprochenen Sätze sein, so dass wir jetzt auch damit anfangen. ,,Also Feli erste Frage. Wann bist du geboren und wann kam dann Lou?“, fragt Felix. ,,Ich bin am 1996 geboren und neun Jahre später habe ich dann eine kleine Schwester bekommen, Lou“, erzählt Feli. ,,Nur ein halbes Jahr nach ihrer Geburt wurden wir nach einem Autounfall, bei dem unsere Eltern ums Leben gekommen sind, getrennt. Während ich bei unserer gelebt habe, wurde Louisa adoptiert“, fährt sie fort. ,,Als du nach Wolfsburg gekommen bist und Feli dir angeboten hast, bei ihr zu wohnen, hast du da etwas geahnt?“, stellt Felix die nächste Frage. ,,Ich habe damals überhaupt nichts davon geahnt. Es gab ja bestimmt schon öfter die Situation, dass andere Spielerinnen jüngere bei sich aufnehmen. Genau das dachte ich mir auch. Erfahren habe ich davon erst ein halbes Jahr nachdem ich zum VfL gekommen bin.“ ,,Ich wusste es, aber ich durfte nichts sagen. Das war nicht leicht, vor allem weil es immer wieder Kommentare von Mitspielerinnen gab“, lacht Feli. ,,Man kann uns die Ähnlichkeit eben nicht ansprechen“, ergänze ich. ,,Wie ist es für euch jetzt wieder zusammen zu sein?“, fragt Felix. ,,Großartig. Es war gerade am Anfang, als wir es herausgefunden haben, nicht leicht. Wir mussten beide und vor allem ich mussten erstmal mit der neuen Situation umgehen. Aber mittlerweile merke ich wirklich diese Verbindung, die wir haben. Wir können zusammen wohnen, spielen beim gleichen Verein und das ist einfach toll“, beginne ich. ,,Das stimmt. Als Geschwister hat man diese besondere Bindung und es ist so schön, dass wir durch den Fußball wieder zueinander gefunden haben. Das wirkt schon fast ein bisschen kitschig, aber trotzdem wahr. Doch seit wir wissen, dass wir Schwestern sind, haben wir kein Spiel mehr zusammen bestritten. Das wird sich diese Saison endlich ändern“, fügt Feli hinzu. ,,Und ihr werdet mit dem gleichen Namen spielen“, gibt Felix uns den nächsten Denkanstoß. ,,Ja. Ich habe meinen Nachnamen wieder zurück ändern lassen. Es fühlt sich so einfach richtig an, denn genau das bin ich mit allem, was zu mir dazu gehört. Jetzt mit der Beflockung L. Rauch aufzulaufen, ist schon fast eine Ehre und genau das, was ich möchte.“ ,,Wir gehören einfach zusammen und können das jetzt auch stolz in der Öffentlichkeit sagen“, sagt Feli abschließend.
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Flowers need time to bloom
FanfictionEineinhalb Jahre später hat sich vieles für Lou verändert. Nachdem sie sich zurückgezogen hat und in aller Ruhe ihr Abitur gemacht hat, kommt sie wieder in die erste Mannschaft des VfL Wolfsburg und versucht einen Neustart. Rasant geht es aufwärts u...