6 | Vorbild

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Feli behält Recht. Am nächsten Tag haben wir unsere erste Trainingseinheit und der Platz ist wirklich gut. Es macht total viel Spaß darauf zu trainieren, so dass man die waren Temperaturen schon fast verdrängt. Klar ist es anstrengend, aber wenn man sogar einen Blick aufs Meer hat, ist es schon fast egal, wie warm es ist. ,,Wie findest du es hier?“, fragt Kathy als wir zurück zum Hotel laufen. ,,Mega. Der Platz ist wirklich der Hammer und das Wetter ist ja echt ein Traum“, antworte ich. ,,Aber echt. Ich bin so froh wieder hier zu sein und vor allem auch, weil das Wetter so schön ist. Das ist schon fast so etwas wie ein zweiter Urlaub“, lacht sie. ,,Ja, das stimmt. Tolle Gruppe, tolles Wetter, das tun, was man liebt. Das hat schon ein kleines bisschen was von Urlaub“, erwidere ich. Aber trotzdem steht natürlich die harte Arbeit im Vordergrund. Jetzt werden die Grundlagen für die  Saison gelegt. Nach dem Mittagessen haben wir noch eine Einheit im Kraftraum. Auch das gehört jetzt dazu. ,,Man Kathy jetzt mach endlich die Musik an“, ruft Becks. ,,Ja, aber ich weiß noch nicht was“, erwidert Kathy. ,,Ach Gib her“, meint Becks und nimmt ihr das Handy aus der Hand. Keine drei Sekunden später tönt endlich Musik aus der Box und wir beginnen unsere Session. ,,So einfach geht das“, grinst Becks und geht zurück zu ihrer Station. Wir wurden für heute in zwei Gruppen geteilt, die nacheinander ein Zirkeltraining durchführen. Das ist nicht unbedingt meine Lieblingseinheit, aber mit der Gruppe wird das schon gut werden. Und jetzt haben wir ja auch endlich die richtige Musik. Es war keine gute Idee das erstmal Kathy zu überlassen, denn es war klar, dass sie sich nicht entscheiden kann. Kathy und Musik ist manchmal etwas schwierig. Zum Glück hat Becks das dann übernommen, sonst wären wir wahrscheinlich morgen noch nicht fertig mit dem Krafttraining gewesen.

Einige Tage später steht dann unser erstes Testspiel gegen Chelsea an. Beim Aufwachen spüre ich so etwas wie Nervosität. Es ist nur ein Testspiel, aber trotzdem ist es Chelsea. Das wird auf jeden Fall Mal eine Standortbestimmung direkt zum Anfang. ,,Bist du aufgeregt?“, fragt Feli, die im Bett neben mir wach wird. ,,Schon irgendwie“, antworte ich. ,,Du wirst Melly dann zum ersten Mal treffen, oder?“ ,,Ja, so sieht’s aus“, sage ich. ,,Glaub mir, sie ist echt eine ganz liebe. Da kannst du definitiv nach dem Spiel auf sie zugehen“, meint sie. Das habe ich mir schon vorgenommen. Erstmal sollten wir uns aber auf das Spiel konzentrieren. Jetzt erst realisiere ich, dass das mein erstes Spiel seit langer Zeit mit der ersten Mannschaft wird. Ich darf wieder ein Teil davon sein. Ich darf wieder mitspielen. Und ich kann sagen, es fühlt sich gut an. Vorfreude, das ist es. Nach dem Frühstück machen wir einen Spaziergang bevor wir uns dann auf den Weg in ein kleines Stadion in der Nähe machen.

Dort erfahren wir dann die Aufstellung. Ich sitze erstmal auf der Bank, aber das ist mir ziemlich egal. Ich will einfach nur dabei sein. Das alles genießen, auch wenn es nur ein Testspiel ist. Es ist einfach nur schön dabei zu sein und das alles wieder mitzuerleben. Der Start ins Spiel ist ziemlich zerfahren, aber das ist auch irgendwie logisch. Für beide Teams ist es das erste Spiel in der Vorbereitung, so da natürlich noch nicht alles automatisiert und abgestimmt ist. Es dauert nicht lange und Chelsea geht in Führung. Die Abstimmung bei einer Ecke stimmt bei uns gar nicht, so dass die australische Topstürmerin Sam Kerr völlig frei zum Kopfball kommt und den eiskalt im Tor versenkt. In der Folge sind wir aber dann die bessere Mannschaft und kommen auch endlich zu einigen Torabschlüssen. Erfolgreich sind die aber noch nicht. In der Halbzeit bekommen wir eine kleine Ansprache von Tommy. Im großen und ganzen ist er zufrieden mit uns. Schließlich geht es um nichts und wir können auch gut mit Chelsea mithalten, so dass da erstmal nichts großes zu bemängeln ist. ,,Lou, du kommst dann gleich rein“, meint er noch als ich nach draußen zum erneuten Warm up gehen. Ich nicke. Oft werden in Testspielen viele Wechsel zur Pause gemacht und so darf auch ich gleich reinkommen. Ich darf endlich wieder in der ersten Mannschaft ein Spiel bestreiten.

,,Auf geht’s kleine“, ruft Pauli, die mit mir zusammen auf den Rasen läuft. Es fühlt sich toll an. Es fühlt sich toll mit meinen Mädels über den Rasen zu rennen. Es fühlt sich toll an, in so einem Spiel wieder den Ball am Fuß zu haben und es fühlt sich auch toll an zu wissen, dass ich gerade gegen Chelsea spiele. Das ist schon etwas besonderes. Wie oft ich dieses Wort heute schon in den Mund genommen habe. Jetzt kommen wir besser in Gang und plötzlich finde ich mich völlig frei vor dem Tor wieder. Ich fackele nicht lange, schaue mir kurz die Torhüterin aus und versenke den Ball im linken unteren Eck. Auch wenn es nur ein fast unbedeutendes Tor in einem unbedeutenden Testspiel ist, für mich bedeutet es gerade die Welt. Es ist mein erstes Tor in meinem ersten Spiel seit anderthalb Jahren. Sich so zurückzumelden ist einfach unglaublich. ,,Ganz stark“, lobt mich Pauli. ,,Danke“, erwidere ich. Auch Kathy drückt mich einfach fest an sich. ,,Bin stolz auf dich“, sagt sie. Letztendlich endet das Spiel mit dem Unentschieden. Beide Teams schaffen es nicht mehr ein weiteres Tor zu erzielen. Aber trotzdem ist es ein guter Test gewesen. Wir wissen, dass wir auf einem hohen Niveau unterwegs sind.

Nach dem Abpfiff gehe ich dann rüber zu Melly. ,,Hey“, sage ich vorsichtig. ,,Hey. Mensch, du hast echt toll gespielt“, begrüßt sie mich sofort. ,,Dankeschön. Du aber auch“, erwidere ich. ,,Naja, geht besser. Aber es ist schön wieder auf dem Rasen zu stehen.“ ,,Ach, nicht so bescheiden hier“, grinse ich. Gott, ich bin so nervös hier zu stehen. ,,Wie lange seid ihr noch hier in Marbella?“, fragt Melly. ,,Eine Woche noch. Dann geht es zurück nach Wolfsburg und ihr?“, antworte ich. ,,Ähnlich. Wir sind noch fünf Tage hier.“ ,,Vielleicht kann man sich ja nochmal treffen“, meint Feli, die zu uns kommt. ,,Oh ja an sich gerne. Aber es könnte schwierig werden mit unseren Trainingsplänen“, sagt Melly. ,,Hm ja, aber trotzdem schön, dass wir uns hier sehen“, erwidere ich. Für mich ist das jetzt gerade echt das Größte. ,,Das stimmt“, grinst Melly. ,,Sag Mal, können wir vielleicht Trikot tauschen?“, traue ich mich endlich zu fragen. ,,Gerne. Wir können uns ja gleich am Stadion Ausgang nochmals treffen“, antwortet Melly. ,,Dankeschön“, strahle ich. ,,Ach nichts zu Danken. Das ist doch selbstverständlich.“ ,,Nein für mich ist das gerade nicht so“, lache ich. Es fühlt sich irgendwie surreal Melly zu treffen mit ihr zu reden und jetzt noch ihr Trikot zu bekommen. Zurück in der Kabine ziehe ich mich schnell um. Feli und ich sind zum einen sowieso eine der letzten und zum anderen will ich Melly nicht lange warten lassen. Als wir rauskommen, steht Melly doch schon da. ,,Hier bitteschön“, sagt sie und gibt mir ihr Trikot. ,,Danke dir. Und hier ist meins“, erwidere ich. ,,Dankeschön. Dann sieht man sich bestimmt bald wieder“, meint Melly. ,,Na ich hoffe doch.“

Flowers need time to bloomWo Geschichten leben. Entdecke jetzt