56 | Pause

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Ich versuche nicht in das Loch zu fallen. Am gestrigen Tag habe ich noch viel mit Feli darüber geredet und ich weiß, dass es gut tat, aber trotzdem stecke ich es nicht so gut weg, wie ich gewollt hatte. Jetzt kämpfe ich mit mir selbst und weiß, dass ich gar nicht sollte. Ich bin mental stärker geworden und das will ich mir selbst jetzt wirklich beweisen. Auch mit Jule habe ich natürlich schon telefoniert und mehrere aus dem Team haben mir auch geschrieben. Ich weiß, dass es total lieb gemeint ist von allen, aber trotzdem wird man ständig daran erinnert. So lasse ich mein Handy heute fast den ganzen Tag aus und verbringe ihn mit Feli. Nur morgens muss ich noch mit dem VfL klären, wie es jetzt weiter geht. Die Vorbereitung beginnt in den nächsten Tagen, doch ich darf erst später richtig einsteigen. Wahrscheinlich werde trotzdem schon meine Zeit am Trainingsgelände mit den anderen Mädels verbringen, die noch da sind, -Pauli hat es leider auch nicht geschafft. Doch erstmal gilt es die Zeit mit Feli zu genießen, die uns noch bleibt. Wenn sie übermorgen wieder nach Herzogenaurach reist, sehe ich sie soweit ich alles richtig einordne erst nach den Olympischen Spielen wieder. Das ist eine verdammt lange Zeit. Das letzte Mal als wir am Stück so lange getrennt waren, war bei der WM letztes Jahr. Doch da waren die Voraussetzungen andere. Aber, ich werde es schaffen ohne Feli. Pauli ist ja auch hier und in praktisch der gleichen Situation wie ich und da Schweden nicht für Olympia qualifiziert ist, ist auch Becks schon wieder in Wolfsburg, um in die Vorbereitung zu starten. Ich werde in guter Umgebung sein. Dazu haben Feli und ich uns dafür entschieden, dass Cinni ja dann auch bei mir bleiben kann und nicht zu Pauli muss. So bin ich auch zu Hause nicht alleine, da die kleine Hundedame immer irgendwo rumwuseln wird.

Den Tag heute wollen wir am Allersee verbringen. Nur Feli und ich. Und Cinni eben. Da es bereits Juli ist, sind die Temperaturen schon ziemlich hoch. So wollen wir eine schöne Runde schwimmen gehen. ,,Wollen wir unseren Volleyball mitnehmen?“, fragt Feli, während wir unsere Sachen zusammen suchen. ,,Oh ja. Wir haben schon ewig nicht mehr gespielt“, sage ich. ,,Wenn du ewig als vor einer Woche bezeichnest dann ja.“ ,,Ich war nicht dabei, als du Volleyball gespielt hast. Wir waren bei dem Basketballfeld zu der Zeit“, erwidere ich. ,,Stimmt.“ Der Volleyball kommt demnach jetzt definitiv mit. Schon laufen wir zum Allersee. Zum Glück ist er nicht weit von unserer Wohnung entfernt. In einer guten Viertelstunde sind wir hingelaufen. Wir suchen uns einen schönen Platz, in dem Bereich, in dem wir immer sind. Da in Niedersachsen diese Woche noch Schule ist, ist es relativ leer. Wir bereiten unsere Picknickdecke aus und legen Cinnis Leine einmal um den Baum, so dass sie noch genügend Freiheiten hat, aber uns nicht weglaufen kann. Selbst wenn wir einen Meter rüber aufs Beachvolleyballfeld gehen, kann sie noch gut fort bleiben.

Das machen wir auch direkt. Vormittags ist es noch etwas frisch, so dass wir noch etwas warten bis wir ins Wasser gehen. ,,Aber das ist ja jetzt ziemlich unpraktisch, wenn wir nur zu zweit sind. Wir sollten zu viert sein“, wirft Feli ein. ,,Nee passt doch. Jede von uns hat eben alleine drei Kontakte bis der Ball übers Netz muss“, schlage ich vor. ,,Stimmt. Das können wir machen. Macht wahrscheinlich am meisten Sinn“, meint sie und setzt an zum Aufschlag. Schnell entwickelt sich eine sehr lustiges Spiel. Wir haben beschlossen spaßeshalber unsere Punkte zu zählen und trotzdem können wir beide natürlich nicht verlieren. Mit so viel Engagement habe ich schon lange nicht mehr gespielt. Am Ende kann ich ganz knapp gewinnen. ,,Das war echt anstrengend“, bemerkt Feli und lässt sich auf die Picknickdecke sinken. ,,Oh ja.“ Ich greife zu meiner Tasche und hole das mitgebrachte Obst raus. ,,Eine kleine Stärkung wird ins gut tun.“ Von unserem Apfel bekommt auch Cinni, die diesen sehr sehr gerne isst, etwas ab. Dann gehen wir endlich Mal ins Wasser. Mittlerweile ist es echt richtig warm geworden. Aber so wollten wir das ja.

Zum Abendessen machen wir uns Bratkartoffeln mit Karotten-Erbsen-Gemüse. Wir sind gerade fertig mit Essen, da vibriert mein Handy. Jule ruft an. Schnell stehe ich auf, gehe in mein Zimmer und nehme den Anruf an. ,,Hey“, begrüße ich Jule. ,,Hello! Wie geht’s  dir?“, fragt sie. ,,Ganz okay. Feli hat mich gut ablenken können und wenn sie dann wieder fährt, gehe ich ja sofort mit ans Trainingsgelände von Wolfsburg. Ich werde schon klarkommen.“ ,,Du bist so stark. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie du dich gerade fühlen musst.“ ,,Es geht. Klar, es war schon ein kleiner Schlag ins Gesicht, aber ich habe es ja schon erwartet. Trotzdem ist es natürlich nicht leicht“, sage ich. ,,Das ist es natürlich nicht. Aber du weißt, dass du weiterhin immer die Chance hast dich zu beweisen und zu einem Großereignis mitzukommen. Nächstes Jahr ist ja schon die EM“, meint Jule. ,,Ja, nach vorne schauen. Das ist das, was ich versuche.“ ,,Du klingst so erwachsen damit, dabei bist du gerade Mal 18“, bemerkt sie. ,,Naja, in ein paar Tagen werde ich ja 19. Aber ich bemerke das gar nicht, wie genau ich damit umgehe. Ich mache es einfach ohne mir groß Gedanken darüber zu machen, sie ich es professionell tun sollte.“ ,,Stimmt, aber noch bist du 18, meine Kleine. Ich werde dich echt vermissen“, flüstert sie. ,,Ich vermisse dich jetzt schon. Können wir uns eigentlich nochmal sehen bevor ihr nach Frankreich fahrt?“ ,,Ja. Wir haben jetzt nochmal anderthalb Wochen Trainingslager mit einem Testspiel und danach haben wir nochmal zwei freie Tage bevor es ins erste Quartier geht“, erzählt Jule. ,,Kommst du dann nach Wolfsburg oder gehst du nach Heidelberg?“, frage ich. ,,Ich komme natürlich zu dir. Mal abgesehen davon, dass ich bin hier noch Klamotten und sowas brauchen werde, will ich dich unbedingt nochmal sehen. Ich kann einfach nicht mehr so lange räumlich getrennt von dir sein.“ ,,Yay! Ich kann dich sonst auch nicht gehen lassen. Wir haben uns nicht so verabschiedet, dass es für was weiß ich wie viele Wochen reicht.“ ,,Ja, das geht echt nicht. Oh man, ich wünschte einfach du würdest auch mitkommen“, meint Jule. ,,Ich auch. Aber sei ehrlich, du hast es doch auch schon geahnt“, entgegne ich. ,,Keine Ahnung. Ich wusste, dass es eine knappe Entscheidung wird. Im Training habe ich immer versucht auf dich zu schauen und zu gucken, wie du das machst, aber irgendwie hat das nicht ganz funktioniert. Ich habe immer nur das gehört, was du abends erzählt hast und da hatte ich schon öfter Schiss, dass es nicht reicht, aber gleichzeitig weiß ich auch, sie verzerrt Vorstellungen sein können, so dass ich die Hoffnung nie aufgeben habe. Am Ende ging es ja dann leider doch nicht auf. Aber jetzt reden wir nicht mehr über das Negative. Dafür ist unsere Zeit viel zu schade.“

Flowers need time to bloomWo Geschichten leben. Entdecke jetzt