Auch die zwei Weihnachtsfeiertage verbringe ich mit Feli und auch mit unserer Familie. Unsere Tante und Niklas, unser Bruder, kommen zu uns nach Wolfsburg. Zeit mit der Familie ist einfach die schönste. Doch gleichzeitig freue ich mich auch schon sehr auf die Tage danach. Am 27. Dezember trennen sich dann Felis und meine Wege. Während sie mit unserem Bruder nach Potsdam zu seiner Freundin fährt, geht es für mich nach Hoffenheim. ,,Genieß die Zeit mit Jule“, wünscht mir Feli noch. Es ist noch relativ früh, aber da es bis nach Hoffenheim ein ordentliches Stück ist, fahre ich eben deshalb auch schon so zeitig los. ,,Dankeschön. Und dir viel Spaß in Potsdam. Dann sehen wir uns ja an Silvester wieder“, erwidere ich. Wahrscheinlich bringe ich auch Jule mit zu unserer kleinen Silvesterfeier in der WG. Einige der Mädels sind dann schon wieder in Wolfsburg, so dass wir beschlossen haben zusammen zu feiern. Aber davor geht es jetzt erstmal zu Jule. Schon während ich ins Auto steige, merke ich das Lächeln, dass mir auf den Lippen liegt. Das werden drei tolle Tage. Geplant haben wir bisher noch nichts. Doch das ist auch nicht weiter schlimm. Ich will einfach Zeit mit ihr alleine haben. Das reicht mir erstmal. Die Fahrt vergeht zum Glück schnell. Der große Reisestress ist nicht vorhanden, da die meisten Menschen ja eher vor den Feiertagen quer durch Deutschland fahren.
Es ist gerade Mittag, als ich vor dem Haus parke, in dem sich Jules Wohnung befindet. Ich schnappe mir meine Tasche und klingele bei ihr. Es dauert keine drei Sekunden bis der Türsummer ertönt. In Windeseile laufe ich die Stufen in den vierten Stock nach oben. An der Tür steht Jule schon. Mit schnellen Schritten bin ich bei ihr, lasse meine Tasche fallen und ziehe sie in eine feste Umarmung. Ich war nie angespannt, aber trotzdem fühlt es sich an als würde eine kleine Last von meinen Schulter fallen. Ich habe Jule endlich wieder. Wir lösen uns voneinander, aber nur, um meine Tasche in ihren Flur zu ziehen und die Tür zu schließen. Dann küsst sie mich. Ihre Lippen treffen auf meine und sofort fährt ein Schauer durch meinen Körper, ein positiver Schauer. Ich erwidere den Kuss, presse meine Lippen auf ihre und kralle mich an ihr fest. Diese Frau ist einfach unglaublich. Ich könnte hier ewig stehen, aber irgendwann geht uns die Luft aus. ,,Hey“, flüstere ich. Wir sind uns immer noch ziemlich nahe. ,,Hi“, erwidert sie und ich sehe schon, dass sie sich das Grinsen nicht verkneifen kann. Dann fangen wir an zu lachen. Ich kann nicht Mal sagen warum. Es kommt einfach aus uns raus. ,,Wie geht’s dir?“, frage ich, als wir uns einigermaßen beruhigt haben. ,,Jetzt wo du da bist, noch viel besser und dir? Ich hoffe, deine Weihnachtsfeiertage waren so schön wie du sie beschrieben hast.“ ,,Das waren sie, aber die folgenden Tage werden noch schöner werden“, lächele ich. ,,Oh ja definitiv.“ Wir sind schon wieder kurz vor einem Kuss. Irgendwie fühlt sich das total aufregend an. Ich war noch nie in einer Beziehung. Erst jetzt eben mit Jule. Alles erscheint mir so neu und so aufregend. Ist das normal, dass man so denkt, bevor wir uns küssen könnten? Wir sind ja nicht erst seit gestern zusammen. Mittlerweile ist es schon ein guter Monat. Wobei, das ist trotzdem noch ziemlich frisch, vor allem da wir uns ja nur so selten sehen. Aber das macht solche Momente noch besonderer.
,,Mist, die Nudeln“, ruft Jule dann aus, worauf ich erstmal zusammenzucke. ,,Du bist so schreckhaft“, lacht sie, während sie in die Küche läuft. Ich ziehe noch meine Schuhe aus und folge ihr dann. ,,Es ist alles gut gegangen. Zwei oder drei Minuten brauchen sie aber noch“, meint Jule und widmet sich wieder dem Topf. Ich bleibe im Türrahmen stehen und beobachte sie ein wenig. Ihre lange Haare fallen ihr, trotz dessen dass sie in einem hohen Pferdeschwanz sind, über die Schulter. Mich würde das vor allem beim Kochen total nerven. Aber ihre ewig langen, wunderschönen Haare gehören einfach zu ihr. So wie die tiefbraunen Augen und ihre langen Beine. Wie kann ein Mensch so schöne Beine haben? Sie ist einfach perfekt, so wie sie ist. ,,Soll ich den Tisch decken?“, frage ich schließlich. ,,Gerne. Du weißt ja, wo alles ist“, meint Jule und gießt die Nudeln ab.,,Guten Morgen Lou“, weckt mich Jule am nächsten Morgen. Ich liege im Gästebett und Jule muss wohl zu mir herüber gekommen sein. Wir haben beschlossen in verschiedenen Betten zu schlafen. Zwar war ich anfangs etwas enttäuscht, aber es ist richtig. Wir wollen nichts überstürzen. Ich rutsche ein Stück zur Seite, so dass Jule sich zu mir legen kann. Sofort verschlingen sich unsere Beine miteinander und ich lege meinen Arm um Jule. So würde ich gerne immer aufwachen. Wir machen quasi da weiter, wo wir gestern aufgehört haben. Nachmittags waren wir noch draußen eine Runde spazieren und in Jules Lieblingscafé hier in Hoffenheim. Mittlerweile wird es auch mein Lieblingscafé, denn ich war jetzt auch schon mehrfach hier. Den Abend haben wir auf dem Sofa verbracht und zusammen Fantastische Tierwesen 2 geschaut. Während der Film immer spannender wurde, sind wir immer näher zusammengerückt bis schließlich kein Zentimeter mehr zwischen uns lag. Jetzt liegen wir hier in dem Bett. ,,Feli weiß übrigens von uns“, flüstere ich aus dem Nichts heraus. Ich weiß gar nicht, woher der Gedanke kommt, aber ich will es Jule sagen. ,,Das kommt jetzt nicht unerwartet. Früher oder später musste sie ja nachfragen. Was hat sie dazu gesagt?“ ,,Dass sie sich extrem für uns freut und wir dieses Glück und zu haben verdient haben“, erzähle ich. ,,Das ist schön. Wenn wir nachher bei meinen Eltern sind und sie auch danach fragen, was sagen wir dann?“, erkundigt sich Jule. ,,Ich glaube nicht, dass wir darüber gut lügen können.“ ,,Ja, da liegt das Problem. Ich bin bei meinen Eltern eigentlich noch nicht geoutet. Also sie könnten es sich vielleicht denken, aber ich bin mir nicht sicher“, wirft sie ein. ,,Ich bin immer an deiner Seite. Es wird schon gut gehen. Mach dir da jetzt nicht zu viele Sorgen“, sage ich. ,,Ich hoffe es. Ich habe schon etwas Angst.“ ,,Das ist verständlich. Das hätte ich bei meinen Adoptiveltern auch. Bei Feli war ich mir immer sicher, dass sie wusste, dass ich lesbisch bin. Ich musste mich quasi nicht outen und im Team wäre das genauso.“ ,,Ja, im Team habe ich da auch gar kein Problem mit. Manche wissen es, andere können es sich wahrscheinlich denken. Nur bei meinen Eltern habe ich es nie angesprochen, weil ich immer Angst vor ihrer Reaktion hatte. Aber jetzt, wo du wirklich den ganzen Tag mit bei ihnen bist, werden sie garantiert fragen“, meint sie. ,,Mach dir nicht zu viele Gedanken darüber. Dann bist du nur noch angespannter. Und denk dran, ich bin bei dir.“
,,Na dann wollen wir Mal“, sagt Jule. Zusammen verlassen wir die Wohnung. Ich merke, dass sie angespannt ist. Ich selbst habe versucht so ruhig wie möglich zu bleiben. Es reicht, wenn Jule nervös ist. Ihre Eltern, Jules Vater hat nach dem Tod von Jules leiblicher Mutter nochmal geheiratet, wohnen in Heidelberg, einer etwas größeren Stadt nicht weit von Hoffenheim entfernt. Mit dem Auto sind wir in gut 20 Minuten dort. Als wir ankommen, bleiben wir erstmal noch kurz im Auto sitzen. Ich lehne mich zu Jule rüber und gebe ihr einen Kuss. ,,Ich bin da“, flüstere ich. Dann steigen wir aus.
Der Tag ist normal, aber auch irgendwie schön. Ich kannte Jules Eltern bisher nur flüchtig. Ich habe sie ein paar Mal gesehen, als ich bei Jule zu Besuch war, aber nie wirklich lange. Heute lerne ich sie also wirklich kennen. Und sie sind echt nett. Nach dem Mittagessen bekomme ich eine kleine Stadtführung durch Heidelberg. Wieder setzen wir uns in ein Café, in dem Jule und ich dann so ein großes Bedürfnis nach gegenseitiger Nähe haben, sobdass wir zusammen aufs Klo gehen, nur um uns dort einmal küssen zu können. Das Thema, ob wir zusammen sind, wird überhaupt nicht angeschnitten. Es scheint, als würden Jules Eltern sich gar keine Gedanken darüber machen. ,,Ihr bleibt auch noch zum Abendessen, oder?“, fragt Jules Stiefmutter, als wir wieder zurück sind. ,,Ja, so war der Plan“, antwortet Jule. Während wir den restlichen Nachmittag einfach mit Reden und besser kennenzulernen verbringen, merke ich, dass Jule immer lockerer wird. Es geht ihr wohl wie mir. Ihre Eltern scheinen nichts zu merken. Doch mit ihr darüber reden, kann ich nicht. Wir sind, bis auf einmal auf dem Klo in dem Café, kaum alleine und wenn, dann ist das Risiko zu groß quasi erwischt zu werden. Wir setzen uns gerade an den Esstisch, da ergreift Jules Stiefmutter das Wort. Ihr Tonfall klingt nicht sonderlich erfreut, sondern eher verständnislos, fast schon wütend. ,,Sag Mal, kann es sein, dass ihr ein Paar seid?“
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Flowers need time to bloom
FanfictionEineinhalb Jahre später hat sich vieles für Lou verändert. Nachdem sie sich zurückgezogen hat und in aller Ruhe ihr Abitur gemacht hat, kommt sie wieder in die erste Mannschaft des VfL Wolfsburg und versucht einen Neustart. Rasant geht es aufwärts u...