53 | Mario Kart

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Am nächsten Vormittag beginnt dann das Training. Nochmal hält Martina eine Ansprache, in der sie uns klar macht, dass sie vollen Einsatz erwartet und jede sich ihren Platz selbst erarbeiten muss. Auch wenn wir das schon öfter gehört haben, gibt mir das Motivation. Ich bin immer mit der Einstellung, dass ich es eh nicht schaffen werde, an das Projekt Olympia rangegangen. Doch Martinas Worte zeigen mir, dass es nicht aussichtslos ist. Es gibt die Möglichkeit dabei zu sein, wenn sie auch klein ist. Aber allein schon im vorläufigen Kader zu sein, ist mehr als ich mir erträumt hätte. Mit dem ersten Training kann ich zufrieden sein. Es war nicht perfekt von mir, aber das sollte es auch nicht sein. Wie immer dient das erste Training zum wiedereinkommen und wieder sich aneinander zu gewöhnen. Es war eine simple Einheit von den Übungen her, aber dafür ziemlich anstrengend. Zurück in unserem Häuschen lasse ich mich erstmal auf mein Bett fallen. ,,Ist da jemand müde?“, neckt Jule mich. ,,Lass mich. Das war heute echt anstrengend“, verteidige ich mich. Schon hat sich Jule neben mich gelegt. ,,Aber war machbar, oder?“ ,,Ja klar, aber trotzdem bin ich jetzt etwas fertig. Immerhin dauert es nicht mehr allzu lange bis zum Mittagessen“, erwidere ich und kuschele mich an sie. Es tut gut ihre Nähe zu spüren. Jule legt einen Arm um mich. Ich bin froh, dass ich sie wirklich direkt bei mir habe. Natürlich war klar, dass Jule es hier her schaffen würde. Es geht mir eher darum, dass sie sich hier mit ein Zimmer teilt. Dass ich immer zu ihr kann, wenn etwas ist. Dass ich weiß, dass sie nie weit von mir entfernt ist. Jetzt, wo es ganz stark auf ein Großereignis zugeht, merke ich wie bei mir etwas Angst aufkommt. Angst, dass es wieder so werden könnte wie im Januar 2022.

Nach dem Mittagessen haben wir eine kleine Mittagspause bevor es dann noch für eine Einheit in den Kraftraum geht. Mittlerweile mag ich Krafttraining wieder ganz gerne. Während meiner Reha Zeit, habe ich es ziemlich gehasst, da ich anfangs sonst nichts anderes gemacht habe, aber nun ist es doch nicht mehr ganz so schlimm. Ich habe gelernt, dass es wichtig ist, um Verletzungen vorzubeugen und die Athletik zu stärken. Es ist ein wichtiger Teil für eine gute Leistung im Spiel. Und ehrlich gesagt kann es mit den richtigen Menschen und der richtigen Musik sehr viel Spaß machen. So auch heute. Beim Mittagessen haben wir begonnen uns eine gemeinsame Playlist zu erstellen. Diese läuft jetzt natürlich im Kraftraum, während jede ihr eigenes Programm erledigt. Die Stimmung ist gut. Schon jetzt merke ich, was ein gutes Team wir sind. Und das obwohl ich erst zum dritten Mal dabei bin. Die anderen spielen in dieser Konstellation schon ziemlich lange zusammen. Klar, ältere Spielerinnen sind gegangen, jüngere so wie ich dazugekommen, aber der Kern ist seit Jahren immer der gleiche. Und das spürt man hier total. Der Teamspirit ist schon am zweiten Tag des Trainingslagers zu spüren. Hoffentlich hält das an bis zu den Spielen. Ich würde es den Mädels so sehr wünschen. Nachdem wir über anderthalb Stunden im Kraftraum verbracht haben, radeln wir mit den Fahrrädern wieder zurück zum Homegrund. Schnell verschwinden wir in unsere jeweiligen Häuschen. Ich springe als erste unter die Dusche. Dann kann ich mich danach in mein Bett kuscheln und einen kleinen Powernap machen. In den verschwitzten Trainingsklamotten muss das nicht unbedingt sein. Doch wirklich schlafen kann ich dennoch nicht. Trotzdem tut es gut, einfach Mal da zu liegen und nichts zu machen. Der erste Trainingstage war anstrengend, aber trotzdem schön. Ich will das hier definitiv nicht missen wollen, egal für was es am Ende reicht.

Nach dem Abendessen haben wir unser erstes Teambuilding Event. Lena Oberdorf, kurz Obi, hat ein Mario Kart Turnier entwickelt. Für mich ist das absolut gar nichts, da ich das nie gespielt habe, aber trotzdem gehe ich offen an die Sache ran. Obi hat dafür gesorgt, dass auch viele Mitglieder des Staff mitmachen, so dass wir auf 32 Leute kommen, die mitspielen. Das ergibt dann acht Gruppen mit jeweils vier Personen, da es vier Spielgeräte gibt. Die besten zwei kommen weiter und dann geht es im K.O.-Modus weiter. Ich spiele gegen Obi selbst, Lea und Stina. Wirklich viele Chancen rechne ich mir nicht aus. Ich weiß selbst, dass ich darin komplett untalentiert sein werde, auch wenn Obi mir alles erklärt hat. Wahrscheinlich kann ich froh sein, wenn ich überhaupt ins Ziel komme und nicht irgendwo stecken bleiben. Unsere Gruppe ist die erste, so dass ich gleich ran muss. Obi ist mit Abstand die beste und gewinnt dieses Rennen souverän. Stina wird zweite ganz knapp vor Lea, die sich darüber ziemlich aufregt. In diesem Team haben wir vor allem eins gemeinsam: wir können alle nicht verlieren. Ich hingegen kann meine Niederlage diesmal einfach hinnehmen. Ich komme fast eine Minute nach den anderen dreien ins Ziel, da ich immer wieder in irgendwelche Dinge reingefahren bin. Mario Kart ist nicht mein Spiel. Jetzt darf ich also zuschauen, wie alle anderen ihre Vorrunden spielen. Feli und Jule stellen sich sehr geschickt an und kommen direkt weiter. Überraschender Weise kommen auch Martina und unsere Co-Trainerin Britta souverän weiter. Damit hätten viele wahrscheinlich nicht gerechnet. Auch Pauli und Sjoeke scheinen das nicht zum ersten Mal zu spielen und auch Pia ist echt gut. Merle, Sara und Melly hingegen scheiden auch aus. Die K.O.-Runde beginnt und ich merke, wie ich langsam müde werde.

,,Na, anstrengender Tag?“, fragt Melly, die mit mir zusammen auf einem Sitzsack liegt. ,,Ja definitiv. Aber das ist es mir wert“, erwidere ich. ,,Natürlich. Du hast es schon so weit geschafft und da kann noch ganz viel folgen. Ich bin schon stolz auf dich.“ ,,Danke dir. Ich glaube zwar nicht, dass ich es zu Olympia schaffen werde, aber trotzdem will ich alles dafür tun euch als Team zu pushen“, sage ich. ,,Geh nicht mit dieser Einstellung da ran. MVT hat offen gesagt, dass alle eine Chance haben und da gehörst du auch dazu. Du kannst das wirklich schaffen.“ ,,Ich weiß, dass Martina das gesagt hat, aber wenn ich mir keine Hoffnungen mache, ist die Enttäuschung am Ende geringer. Ich wüsste nicht, wie ich sonst mental gesehen darauf reagieren würde“, entgegne ich und lege meinen Kopf gegen Mellys Schulter. ,,Das stimmt. Wenn irgendetwas ist, kannst du immer zu mir kommen. Das weißt du, oder?“, meint sie. ,,Das weiß ich.“ Jules misstrauischen Blick versuche ich zu ignorieren.

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